Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. März 2003 |
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Der tiefe Graben des Bosporus Türkei: Ein anderer Kulturkreis und andere gesellschaftliche Ziele von Uwe Greve Die Türkei ist eines der geschichtsträchtigsten Länder der Erde. Hethiter, Griechen, Römer, Ismanen hinterließen hier einzigartige Spuren. Mit der Türkei verband uns im Ersten Weltkrieg Waffenbrüderschaft, heute die gemeinsame NATO-Mitgliedschaft. 1,7 Millionen Türken leben heute in Deutschland. Die Mehrheit wurde vom deutschen Arbeitsplatzangebot angezogen. Ein anderer Teil, insbesondere Kurden, fand in Deutschland unter dem Stichwort Asyl sein neues Zuhause. Für viele Deutsche ist die Türkei ein gern besuchtes Urlaubs- und Reiseland. Das alles sind gute Gründe, mit der Türkei ein gutes außenpolitisches Verhältnis zu pflegen. Eine Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union ist jedoch aus einer Reihe von Gründen nicht anzuraten. 1. Die Türkei gehört geographisch lediglich zu einem Siebzehntel zu Europa. Ihre Mitgliedschaft bedeutet die Auflösung des Europa-Begriffes, die Europäische Union hätte nach Aufnahme der Türkei Grenzen mit Iran, Irak und Syrien und würde zu einer Art eurasischer Staatengemeinschaft verändert. Ein in seinen Hauptwesenszügen nichteuropäisches Land würde - bei schätzungsweise 90 Millionen Türken 2025 - die stärkste Nation in der EU und die stärkste Fraktion im Europa-Parlament ausmachen. 2. Die Türkei ist ein Land des kleinasiatisch-islamischen Kulturkreises. Der Islam erhebt hier Ansprüche an Staat, Recht und Gesellschaft, die sich mit unseren abendländisch-christlichen und humanistischen Traditionen nicht vereinbaren lassen. Das gilt nicht nur für die vieldiskutierte Rechtsstellung der Frau, sondern auch für viele andere Lebensbereiche. Islamisches Recht und Demokratie schlie- ßen sich aus. 3. Die Türkei ist keine Demokratie im europäischen Sinne. Die Armee hat besondere Einfluß- und Veto-Rechte und übt diese auch ständig aus. Die Befürworter eines türkischen EU-Beitrittes wollen diese Sonderrechte des Militärs abgeschafft sehen. Sie übersehen dabei aber, daß es in den letzten Jahrzehnten allein die türkische Armee war, die eine vollständige Islamisierung des gesamten politischen Lebens in der Türkei in Grenzen gehalten hat. 4. In der Türkei sind viele in den EU-Ländern garantierte Menschenrechte nicht gewährleistet. Die Verweigerung der kurdischen Autonomie ist nur eines von vielen Beispielen. 5. Die Türkei verweigert Christen jene Religionsrechte, die in Deutschland lebende Türken in wachsendem Maße und ganz selbstverständlich in Anspruch nehmen. Rund 2.000 Moscheen und Versammlungsstätten in Deutschland zeugen davon. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken kritisierte 2002 mit vollem Recht, daß die christlichen Kirchen in der Türkei permanent schikaniert und diskriminiert werden. Geschichtlich ehrwürdige christliche Gemeinschaften seien zu einem Schatten ihrer selbst geworden, weil ihre Mitglieder nicht als gleichberechtigte Bürger behandelt würden. Nackte Fakten bestätigen das. Gab es zum Beispiel in Ankara 1915 noch 25 Prozent Christen, so sind es heute noch 0,1 Prozent. Seit 1923 dürfen in der Türkei keine christlichen Kirchen mehr errichtet werden. 6. Die hohe Geburtenrate in der Türkei - zirka eine Million Kinder pro Jahr Geburtenüberschuß - würde zu einem Zuwanderungsdruck insbesondere nach Deutschland führen. Damit wären die letzten Chancen zur Integration der Türken in Deutschland zerstört. Der Alltag würde eindeutig von der Separation der hier lebenden Türken bestimmt. Das bedeutete konkret: in vielen Städten und Gemeinden deutsch-türkische Ortsschilder, türkische Parteien als Zünglein an der Waage in vielen Stadt- und Gemeindeparlamenten, eigene türkische Schulen und Universitäten, türkischsprachiger Funk und Fernsehen aus Berlin und Mainz. Infolge der hohen Geburtenraten eine Minderheit auf dem schrittweisen Weg zur Mehrheit! Nach aller historischer Erfahrung führten die mit einer solchen Entwicklung verbundenen sozialen und kulturellen Spannungen zu Konflikten bis hin zum Bürgerkrieg. Vorbilder auf mehreren Kontinenten sollten eine eindringliche Warnung sein. Die Väter des Grundgesetzes haben den Volksentscheid nicht in ihren Entwurf aufgenommen. Entscheidungen, wie sie heute not- wendig sind, konnten sie sich nicht einmal theoretisch vorstellen. Die Aufnahme der Türkei in die EU ohne Volksbefragung würde unsere Demokratie ad absurdum führen. Die Frage, ob die Deutschen in Deutschland in Zukunft nur noch ein Teilvolk sein wollen oder nicht, muß der Souverän entscheiden. Daß es in Deutschland keine Mehrheit für einen EU-Beitritt der Türkei gibt, ist mehrfach von Meinungsforschungsinstituten bestätigt worden. Es ist dringend notwendig, den Volksentscheid in das Grundgesetz aufzunehmen, und zwar für alle Probleme, deren Entscheidungen für kommende Generationen irreversibel sind. 7. Grundsätzlich ist es eine über Jahrtausende gewachsene Erfahrung, daß das Ne-beneinander von Kul- turen zu gegenseitiger Befruchtung führt, das Durcheinander aber immer wieder zu dramatischen Konflikten Anlaß gibt, die von der Politik nicht beherrscht werden können. In seinem Buch "Kampf der Kulturen" hat der amerikanische Politologe Samuel Huntington diese Problematik eindringlich beschrieben. Die Befürworter des türkischen EU-Beitrittes wischen seine Argumentation mit der unbelegten These von der Funktionsfähigkeit einer multikulturellen Gesellschaft vom Tisch. Wie sagte doch der keinesfalls konservative Historiker Prof. Ulrich Wehler in der taz vom 10. September 2002: "Die Kritik der Multikulti-Gutmenschen, die Huntingtons Buch in den Orkus getan haben, kann ich überhaupt nicht verstehen. Ich bezweifle, daß die Kritiker die 550 Seiten wirklich gelesen haben. Es handelt sich um eine ganz nüchterne Analyse, wo nach dem Ende des Kalten Krieges neue Konfliktlinien auftauchen könnten. Das kann man nicht mit der linken Hand abtun - nach dem 11. September erst recht nicht." Und weiter argumentierte er: "Die Bundesrepublik hat kein Ausländerproblem, sie hat ein Türkenproblem. Diese muslimische Diaspora ist im Prinzip nicht integrierbar. Die Bundesrepublik ist seit ihrer Gründung mit heute zehn Prozent Zugewanderten bravourös fertig geworden. Aber irgendwann kommt die Grenze dessen, was man einer komplexen Gesellschaft zumuten kann ... Man soll sich nicht freiwillig Sprengstoff ins Land holen. Ich habe hier zwei glänzende türkische Studenten. Aber man muß das strikt trennen: persönliche Erfahrung und die Notwendigkeit einer strikten Steuerung." Auf die Frage, ob denn die Mitgliedschaft der Türkei in der EU nicht die westlich orientierten Kräfte dort stärken würde, entgegnete Prof. Wehler im gleichen Interview: "Dieses Argument grenzt an politischen Schwachsinn. Europa ist geprägt durch die christliche Tradition, durch die jüdische Theologie, römisch-griechische Antike, durch Renaissance, Aufklärung, Wissenschaftsrevolution. Das alles gilt auch für die Beitrittsstaaten in Osteuropa. Aber es gilt nicht für die Türkei. Man kann diese Kulturgrenze nicht in einem Akt mutwilliger Selbstzerstörung einfach ignorieren." Hinzuzufügen ist die Tatsache, daß der Islam 500 Jahre jünger ist als das Christentum. Wenn wir zurückschauen, wie unser Christentum sich vor 500 Jahren gebärdete, dann haben wir vergleichsweise ein Bild vom heutigen Islam - nicht im Detail, aber was seine grundsätzlichen Missions- und Expansionsbestrebungen angeht. Dagegen steht in Europa derzeit ein Christentum voller Selbstzweifel, zum Teil zu einer Sozialinstitution degeneriert. Nicht näher aufgeworfen werden soll an dieser Stelle die Frage nach der Bedeutung des Koran im Rahmen des kulturellen Wettstreits zwischen Religionen und Lebensanschauungen. Immerhin enthält der Koran viele Dutzend Aufforderungen zur Gewalt gegen Nichtchristen. 8. Auch der Zypernkonflikt zeigt, welche starke Rolle türkischer Nationalismus nach wie vor spielt. Religiöse, nationale und kulturelle Gegensätze stehen sich auf der Insel wenig versöhnlich gegenüber. Eine internationale anerkannte Republik griechischer Zyprioten und ein allein von der Türkei anerkannter türkischer Landesteil kommen auf keinen gemeinsamen Nenner. Die Türkei siedelte im letzten Jahrzehnt nicht ohne Erfolg Festlandtürken dorthin, um die eigenen Kräfte zu stärken. Ein zusätzlicher Punkt, der Politiker hellhörig und vorsichtig in bezug auf eine EU-Mitgliedschaft machen müßte. 9. Die soeben beschlossene Erweiterung der Europäischen Union um zehn Mitgliedstaaten wird die finanziellen Transfermittel der Gemeinschaft derart in Anspruch nehmen, daß zumindest für die nächsten 15 Jahre kein Spielraum für weitere Mitgliedschaften vorhanden ist. Insbesondere deshalb, weil große Beitrittsländer wie Polen nur schwer überbrückbare wirtschaftliche und gesellschaftliche Rückstände gegenüber den westeuropäischen Staaten aufweisen. 10. Der Druck der USA auf die Europäische Union, die Türkei möglichst schnell aufzunehmen, wurzelt in Interessen, die nicht denen der Europäer entsprechen. Vergleichbar wäre, wenn die Europäer die USA drängen würden, Mexiko als nächstes Bundesland in die Vereinigten Staaten aufzunehmen. Die USA wollen die NATO-Bindung der Türkei durch eine EU-Mitgliedschaft ergänzt sehen, damit sich das Land nicht wieder zu einer Politik aus osmanischer Tradition entschließt. Nicht zuletzt wissen die wirtschaftlich sehr pragmatisch denkenden Führungskräfte in Wa-shington, daß eine türkische Mitgliedschaft die EU schwächen und deren Transfergelder jahrzehntelang in den Weiten Anatoliens statt für Innovation, Hochtechnik und Bildung ausgegeben werden müßten. Unter Ignorierung all dieser Fakten und Beurteilungen wurde der Türkei mehrmals in offiziellen Verlautbarungen der Europäischen Union die Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Oft von Politikern, denen jedes historisch-kulturelle Wissen fehlt, anderen, die bewußt aus ideologischen Gründen abendländische Traditionen mißachten, und solchen, die aus opportunistischen Gründen Liebedienerei gegenüber den USA betreiben. Inzwischen erhält die Türkei bereits Vor-Beitrittshilfen, die ab dem Jahre 2004 aufgestockt werden sollen. Die Versprechungen der Vergangenheit werden jetzt von der türkischen Regierung eingefordert. Wer kann es ihr verdenken, daß sie auf ihre Einhaltung pocht, zumal ein Geldsegen in der Höhe von vielen Milliarden Euro winkt, wenn dem Lande am Bosporus die Beitrittsreife bescheinigt wird. Die Alternative, wie sie die politische Vernunft verlangt, kann nur darin liegen, mit der Türkei eine partnerschaftliche Form der Zusammenarbeit anzustreben, die freien Handel, Reiseverkehr und militärische Kooperation weiterhin ermöglicht, die jedoch Freizügigkeit und volle Mitgliedschaft nach den derzeitigen EU-Bedingungen ausschließt. Denkbar ist eine Assoziation. Damit wäre für die Türkei wie für die Europäische Union auf lange Sicht größerer Nutzen zu realisieren. |