29.03.2024

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29.03.03 / Polen ist Klassenbester

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. März 2003


Polen ist Klassenbester
Deutschlands östlicher Nachbar ist auf wirtschaftlichem Erfolgskurs
von Karl-Peter Gerigk

Am 1. Mai 2004 wird auch Polen EU-Mitglied. Damit ist die bundesdeutsche Grenze im Osten nicht mehr EU-Außengrenze, sondern die Polens mit der unter russischer Verwaltung stehenden Region Königsberg, mit Litauen, Weißrußland und der Ukraine. Dies bedeutet eine Verlagerung der Grünen Grenze nach Osten und eine Entlastung für die Arbeit des Bundesgrenzschutzes, der bisher mit illegalen Grenzgängern zu kämpfen hatte. Dieses Problem haben dann die Polen, die versuchen werden, sich gegen den Zustrom von Wirtschaftsflüchtlingen aus dem Osten die EU-Grenze dicht zu halten, denn wenn auch das wirtschaftliche Gefälle zwischen Deutschland und Polen noch groß ist, das zu den Staaten der ehemaligen Sowjetunion ist noch größer.

Deutschland ist aber schon heute Polens unmittelbarer Nachbar und trotz der deutlich agrarisch geprägten Wirtschaftsstruktur der EU-Neulinge auch deren wichtigster Handelspartner im Westen. Polen hat im Rahmen des RGW nach 1945 eine positive ökonomische Entwicklung genommen. In verschiedenen Landesteilen und Regionen bildeten sich industrielle Zentren, wie zum Beispiel Danzig für den Schiffsbau oder in Schlesien für Kohle und Stahl. Nach dem Krieg wird durch die kommunistische Zentralverwaltungswirtschaft gerade die Schwergüterindustrie aufgebaut. Anfang der achtziger Jahre kommt es daraufhin und weil man die Konsumgüterproduktion vernachlässigt hat, zu einer offenen Wirtschaftskrise, in deren Folge General Jaruselski den Ausnahmezustand verhängt. Die durch den Polen Johannes Paul II. motivierte überwiegend katholische Bevölkerung des Landes streikt durch den Gewerkschaftsverband "Solidarität" mit Erfolg gegen Wirtschaftskrise, Unfreiheit und Kommunismus.

Die Gewerkschaft wird politische Partei, es kommt zu einem Demokratisierungsprozeß, zu freien Wahlen und zu Wirtschaftsreformen. Seit 1990 befindet sich das Land in einem Transformationsprozeß von einer Zentralverwaltungswirtschaft zur freien Marktwirtschaft. Dieser Reformprozeß ist verbunden mit einer weiteren demokratischen Umgestaltung und politischen Öffnung nach Westen. In der Phase der wirtschaftlichen Anpassung werden zuerst die Preise freigegeben, was zu einem Sinken der Realeinkommen führt. Der durchschnittliche Monatslohn in Polen liegt bei 600 Euro.

Die geringere Nachfrage führt zwar dazu, die Schaufenster zu füllen, jedoch kann sich kaum jemand die teuren Produkte leisten. Die Gewinne der neuen Betriebe bleiben aus, und es werden viele Arbeitnehmer entlassen. Polen hat in 2002 ein Plus im Bruttoinlandsprodukt von 1,2 Prozent, eine Inflation von 4,1 Prozent bei einem Lombardsatz von 15,5 Prozent und bei einer Arbeitslosigkeit von 17,8 Prozent.

Die Hochzinspolitik der polnischen Regierung führt natürlich zu Kapitalflüssen in das Land, die weniger jedoch der Bevölkerung und dem produzierenden Gewerbe als dem Kapitalmarkt zugute kommen. So ist Polens Börse Klassenbeste, was die Beitrittskandidaten zur EU anbetrifft. Im letzten Jahr gelang es dem "WIG 20", dem Aktienindex in Warschau, sich mit einem Minus von nur zwei Prozent der weltweiten Baisse fast zu entziehen. Hinsichtlich der Umsätze hat der polnische zu den westeuropäischen Marktplätzen aufgeschlossen. An der Warschauer Börse werden Aktien im Wert von 706 Millionen Euro gehandelt, in Wien sind es 499 Millionen Euro, in Deutschland 67 Milliarden Euro. Der Vorteil der Börse in Warschau gegenüber anderen Beitrittskandidaten liegt darin, daß es eine genügende Anzahl stabiler und liquider Werte gibt.

Inländisch wird der Kapitalmarkt durch staatlich subventionierte Pensionsfonds stabilisiert. Kontinuierlich fließt von seiten der polnischen Sozialversicherung ein Betrag von rund 250 Millionen Euro in Pensionsfonds, die wiederum zu 25 Prozent in Aktien investiert werden. Auf diese Weise werden ständig Aktien nachgefragt. Die hohen Zinsen führen aber auch zu einem allgemein günstigen Investitionsklima. 2001 fließen über sieben Milliarden Dollar unmittelbar nach Polen. Der kulminierte Wert ausländischer Investitionen beträgt nach Angaben der polnischen Agentur für ausländische Investitionen über 56 Milliarden US-Dollar. Am ehesten wird in die Branchen Elektronik und Bauwesen investiert. Solche deutschen Unternehmen eröffnen in großer Zahl Handelsniederlassungen jenseits von Oder und Neiße. Polen ist mit 38 Millionen Einwohnern für Deutsch- land und in Europa ein interessanter Absatzmarkt und Niedriglohnland für die Produktion, was natürlich nicht ohne Einfluß auf deutsche Löhne und den deutschen Arbeitsmarkt blei- ben wird.

Leicht wird es hier einsichtig, daß sich die Löhne nicht lange auf niedrigem Niveau halten lassen werden, denn die Verbraucheransprüche werden steigen, und vor allem: "Autos kaufen keine Autos". Zudem wird die Niederlassungsfreiheit und Freizügigkeit in der EU Deutschland über kurz oder lang vor eine veränderte Situation stellen, vor allem dergestalt, daß Löhne hierzulande sinken müssen, um Produktion am Standort Bundesrepublik zu halten. Zudem wird man um Steuersenkungen nicht umhin kommen, um die Produktivität deutscher Unternehmen zu erhalten. Die Erweiterung der EU um Polen ist politisch gewollt und aus Gründen von Frieden und Freiheit zu begrüßen, ökonomisch aber nur dann sinnvoll, wenn die Regierenden in Deutschland die richtigen Maßnahmen ergreifen.

Warschau: Westlicher Lebensstil findet seit zehn Jahren massiven Eingang in den polnischen Alltag und in das Wirtschaftsleben. Nicht nur Coca-Cola und McDonalds, auch Opel, Ford oder Volkswagen dominieren das Bild der pulsierenden Straßen in Polens Metropole. Foto: images