27.04.2024

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29.03.03 / In Peking bleibt alles beim alten

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 29. März 2003


In Peking bleibt alles beim alten
Das chinesische Volk und die Gesellschaft haben Probleme
von Franz Salzmacher

Alle Welt redet vom Krieg der Anglo-Amerikaner gegen das Regime des Saddam Hussein, aber für das bevölkerungsreichste Land der Erde ist der Irak kein Thema. China redet nur über sich selbst. Dafür gibt es genügend Gründe. Allerdings erweist sich der Nationale Volkskongreß mit seinen rund 3.000 Delegierten als das falsche Forum. Das Volk hat andere Probleme als die Installierung einer neuen Regierung oder die Verschiebungen in der Nomenklatur der Kommunistischen Partei.

In der Tat, der Stabwechsel in Peking ändert nichts am Leben der meisten Menschen. Es gibt nicht mehr Freiheit und noch nicht einmal mehr zu essen. Die Kluft zwischen Arm und Reich, zwischen den 800 Millionen Bauern auf dem weiten Land und den wenigen Millionen Unternehmern und Funktionären in den großen Städten wird immer breiter.

Mehr Rechte für das Volk und nicht nur für die Marionetten im Volkskongreß setzen einen Rechtsstaat und der wiederum die Gewaltenteilung voraus. Dafür gibt es keine ernsthaften Ansätze im Reich der Mitte. Alles bleibt in der Gewalt der Partei und der Armee. China ist eine Diktatur. Christen und Anhänger der Falun-Gong-Sekte werden brutal verfolgt, Studenten bespitzelt, Unruhen rigoros unterdrückt, Internet und Informationswelten engmaschig kontrolliert.

Dennoch stecken Dynamitstäbe der Freiheit im System. Der rote Kapitalismus ist ein Widerspruch in sich. Die Öffnung des heimischen Marktes führt zum Austausch mit dem Ausland, mithin zu neuen Optionen und neuen Konstellationen an Einfluß und Entscheidungsfindung. Der Markt verdrängt die Ideologie, er ist selber eine. Auf Dauer wird der Moloch Markt keine anderen Götter neben sich dulden.

Im Moment erlebt China nur eine Symbiose. Partei und Armee sorgen für Ruhe und damit für ein relativ sicheres Investitionsklima. Aber irgendwann werden die Anreize des kapitalistischen Systems so groß, daß sich die Machtfrage stellt. Und schon heute sind die Folgen des Kapitalismus zu spüren. Für jeden Arbeitsplatz, den das Fremdkapital aus dem Ausland schafft, gehen nach Schätzungen von China-Kennern fünf andere bei den Bauern verloren.

Hinter den Gesichtern der neuen Mannschaft finden sich keine neuen Ideen. Bisher gingen Stabwechsel an der Spitze oft mit Reformen einher. Jetzt wurde kein neues Reformkonzept vorgestellt. Mit anderen Worten: Die Partei richtet sich auf die Verwaltung des Gegebenen, vielleicht sogar auf ein Krisenmanagement ein. Gerade das neue Tandem Hu Jintao und Wen Jiabao hat noch Tuchfühlung zum Volk und ahnt zumindest, daß es an der Basis gärt. Hinzu kommen die neuen Generationen der verwöhnten Kronprinzen, Folge der Ein-Kind-Politik. Sie sind nicht leidensfähig, eher konsumorientierte Egoisten. Sie bilden die Truppen des Marktes. Ihnen stehen die Truppen der Partei gegenüber. Chinas Wirtschaft ist gewachsen, kein Zweifel. Es hat sogar das größte und schnellste Wachstum der Welt und die höchsten Auslandsinvestitionen. Das liegt freilich auch an der gigantischen Größe des Reichs der Mitte. Das Land mit den meisten Mobil- telefonen der Welt bekommt nun aber auch ein gigantisches Verständnisproblem: Die Systeme Markt und Diktatur sind inkompatibel. Technologiebesessenheit allein reicht nicht für Wohlstand und Fortschritt.

Wohlstand für alle, die Formel der sozialen Marktwirtschaft, muß in China erst noch importiert und umgesetzt werden. Eine schleppende Binnennachfrage - es fehlt der Masse schlicht das Kapital - und Mangel an Eigenverantwortung könnten das Land bald an die Grenze des Wachstums und damit zum Clash der Systeme führen. Davon war in der großen Halle des Volkes natürlich zu keinem Zeitpunkt die Rede, so wenig wie vom Irak-Krieg. Kein Wunder: Das Verdrängen der Wirklichkeit war für kommunistische Ideologen schon immer eine meisterhaft geübte Kunst.