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12.04.03 / Ein Weg von den Wikingern zu den Griechen: Handel hat Tradition in Lettland

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. April 2003


Die Hanse liess das Land blühen
Ein Weg von den Wikingern zu den Griechen: Handel hat Tradition in Lettland
von K.-P. Gerigk

Insgesamt gute Noten erhält das 2,35 Millionen Einwohner zählende Lettland von der Europäischen Union, denn die Umwandlung von der maroden Planwirtschaft in eine funktionierende Marktwirtschaft scheint gelungen.

Dennoch besteht Handlungsbedarf. Dies vor allem in den Feldern Rechtswesen und Verwaltung. Auch muß mehr gegen die Korruption getan werden, wie das Ost-West-Institut der Universität Koblenz berichtet. Die gesamtwirtschaftliche Lage in Lettland erweist sich als stabil. Das Wachstum des Bruttoinlandprodukts lag in den letzen drei Jahren jeweils deutlich über fünf Prozent. Im selben Zeit-raum lag die Inflationsrate immer unter drei Prozent, was relative Preisstabilität bedeutet.

Positiv für eine weitere wirtschaftlich gute Entwicklung stellt sich der hohe Ausbildungsgrad der Bevölkerung und die handelspolitisch ideale strategische Lage an der Ostseeküste dar, die Lettland sich mit allen baltischen Staaten und nicht zuletzt mit der Region Königsberg in Ostpreußen teilt. Lettlands Verwaltung und Wirtschaft unterhält gute Beziehungen zu Deutschland und baut diese stetig aus.

Die Bundesrepublik fördert wirtschaftlich beratend und diplomatisch den Staat, der sich zunehmend auch am bundesdeutschen politischen System orientiert. Lettland hat jedoch die geringsten Bruttolöhne der drei baltischen Staaten, unter umgerechnet 300 Euro pro Monat, dennoch sammelt es mit 35 Prozent die höchsten Sozialabgaben. Es fehlt für den Ausbau der Lohnfortzahlung, Arbeitslosenunterstützung und Altersrente das Geld. Ursache hierfür ist eine seit Jahren hohe Arbeitslosigkeit von über 14 Prozent. Die Arbeitslosen stammen teilweise aus der Landwirtschaft, gehören aber auch zu der russischen Minderheit, deren Integration immer schwieriger wird.

An Industrie gibt es produzierendes Gewerbe vor allem bei Landmaschinen, Motoren und Elektrogeräten. Infrastrukturell ist das Land durch 60.000 Kilometer Straßen und 350 Kilometer schiffbares Gewässer erschlossen. Neben Kalk, Ton und Sand besitzt Lettland keine Rohstoffe und ist auf Energieimporte angewiesen. Ende der 90er Jahre kommt es in Lettland zu einem Einbruch im Wirtschaftswachstum aufgrund der noch engen Verflechtungen mit der russischen Wirtschaft. Nach 1999 kann sich die auf Export angewiesene Wirtschaft des kleinen baltischen Staates wieder erholen. Unter den 50 am schnellsten wachsenden Unternehmen in Europa waren im Jahr 2000 schon sieben aus Lettland, vor allem aus dem Neuen Markt. Das Bruttoinlandsprodukt lag im selben Jahr bei 7,38 Milliarden Euro und hatte im folgenden Jahr einen Wertschöpfungszuwachs von 6,3 Prozent. Zu den Steigerungen des Wachstums trägt insbesondere die Industrieproduktion bei, die einen Anteil von 20 Prozent an allen erwirtschafteten Gütern besitzt. Der größte Anteil, 74 Prozent, werden von den Dienstleistungen erbracht. Landwirtschaft und Bauwesen teilen sich den Rest. Lettland ist seit dem 21. August 1991 wieder unabhängig und parlamentarische Demokratie. Ebenso wie bei den anderen baltischen Staaten findet durch die Liberalisierung in der Sowjetunion eine Zeit nationalen Erwachens statt, in deren Verlauf die nationale Unabhängigkeitsbewegung und der Bürgerkongreß gegründet werden, welche die Erlangung der staatlichen Unabhängigkeit erstreben. Am 23. August 1989, am 50. Jahrestag des Hitler-Stalin-Paktes, bilden die Menschen in Litauen, Lettland und Estland eine 600 Kilometer lange Menschenkette von Reval (Tallin) über Riga bis Wilna. Diese Menschenkette bringt den Willen und den Drang der Balten nach Freiheit in der Zeit sowjetrussischer Okkupation zum Ausdruck. Mit einer Deklaration über die Wiedererlangung der Unabhängigkeit wird am 4. Mai 1990 ein entscheidender Schritt in Richtung Eigenstaatlichkeit getan. Im September 1991 erkennt auch die Sowjetunion, neben westlichen Staaten, Lettlands Unabhängigkeit an.

Im zweiten vorchristlichen Jahrtausend war das heutige lettische Gebiet schon von baltischen Stämmen, den Ahnen der heutigen Letten, besiedelt. Zu Beginn unserer Zeitrechnung durchzogen viele Handelsstraßen das Land, insbesondere von der Ostsee über die Düna bis nach Byzanz. Es war der Handelsweg von den Wikingern zu den Griechen. Wesentliches Handelsgut der Letten war das Elektron, der Bernstein, der zu dieser Zeit wertvoller als Gold gehandelt wurde und in Rom wie in Athen zu finden war. Um 900 begannen baltische Stämme staatliche Organisationen zu konstituieren und es bildeten sich kulturelle Differenzierungen zwischen lettgallischen, kurischen, selenischen und semgallischen Stämmen heraus. In der Folgezeit wuchs am stärksten der lettgallische Stamm, der sich den kurischen Raubzügen im 12. und 13. Jahrhundert erfolgreich erwehrte. Semgallen und Selenen waren weniger Krieger als Bauern.

Seit dem 12. Jahrhundert besuchen westliche Kaufleute das heutige Lettland und mit ihnen christliche Missionare, welche die heidnischen Balten zum Christentum bekehren wollen. Da sich die Letten weigern, das Christentum anzunehmen, ruft der Papst zu einem Kreuzzug gegen die heidnischen Balten auf. Die Kreuzritter, unter ihnen der Deutsche Orden, drängen ins Baltikum. 1201 gründet Bischof Albert aus Bremen die Stadt Riga, die sich durch Handel und Hanse zur schönsten und größten Stadt an der nördlichen Ostsee entwickelt. Das durch den Deutschen Orden gegründete und beherrschte Livland geht nach dem Livländischen Krieg bis 1583 an die litauisch-polnische Krone. Erst als Herzogtum Kurland erreicht auch Livland im 17. Jahrhundert wieder eine wirtschaftliche Blüte - nach der Hanseepoche. In jener Zeit konstituiert sich ein lettisches Bewußtsein, indem die Kuren, Lettgallen, Selen und Semgallen eine kulturell assimilierte völkische Einheit mit gleicher Sprache bilden. Während des nordischen Krieges ab 1710 gelingt es Peter I., Zar von Rußland, erst Riga und schließlich ganz Lettland zu unterwerfen. Lettland wird zum Fenster Rußlands nach Europa. Doch in der Zeit des nationalen Erwachens, im 19. Jahrhundert, fordern die sogenannten "Neuletten" für das lettische Volk alle nationalen Freiheitsrechte. Erst 1918 wird das unabhängige Lettland proklamiert, eine Unabhängigkeit, die es im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes am 23. August 1939 wieder verliert. Lettland wird Interessengebiet der UdSSR. Tausende Menschen werden nach Sibirien verschleppt. Auch wenn die Wehrmacht 1941 die sowjetische Herrschaft in Lettland vorerst beendete, gelingt Stalin 1944 eine erneute Okkupation, und die Sow-jetunion beginnt einen Genozid an der lettischen Bevölkerung. Fast 120 Tausend Letten werden verhaftet und in sowjetische Konzentrationslager verschleppt. 130 Tausend Menschen fliehen nach Westen. Die durch das Sowjetsystem eingeführte Planwirtschaft zerrüttet die Industrie des Landes. Diese ist seit Anfang der 90er Jahre wieder auf Erholungs- und Umstrukturierungs- kurs. Politisch und militärisch ist Lettland mittlerweile in das westliche System integriert. Riga ist nicht nur Mitglied der NATO und hat seine Währung bereits an den Euro gekoppelt, es ist auch Mitglied der Welthandelsorganisation und des Europäischen Rates mit Sitz in Straßburg. Wenn das Baltikum am 1. Mai 2004 Mitglied der EU und EVG wird, ist dies ein weiterer wichtiger Schritt der friedlichen Einigung Europas: von Frankreich bis Rußland .

Riga: Das Schwarzhäupterhaus in Riga bei Abendstimmung. Es wurde 1341 als "Neues Haus der rigaischen Kaufleute" im gotischen Stil erbaut. Am mächtigen Giebel zum Markt hin verkörpert Neptun den Hafen und Merkur die Kaufmannschaft. Allegorien auf Eintracht und Frieden symbolisieren die Zugehörigkeit Livlands zum europäischen Kulturkreis. Foto: rigatourism