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19.04.03 / Prag: Sture Haltung / EU-Kandidaten IV: Tschechien und Benesch-Dekrete

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. April 2003


Prag: Sture Haltung / EU-Kandidaten IV: Tschechien und Benesch-Dekrete
von K. P. Gerigk

Die Großformen des landschaftlichen Reliefs sind bestimmt durch die Hügel und Berge des böhmischen Massivs, das ein Becken bildet, in dem Plateaus sich weit erstrecken. Im Osten des Landes erheben sich die alpidisch gefalteten Westkarpaten. Inmitten dieser waldreichen gebirgigen Landschaft, eingerahmt von Böhmerwald, Oberpfälzer Wald und Erzgebirge zwischen Fichtel und Elstergebirge liegt die goldene Stadt Prag, die Hauptstadt des künftigen EU-Mitglieds Tschechien.

Prag gehörte im Mittelalter zu den führenden Städten des "Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation". Ihre entscheidende kulturelle und wirtschaftliche Blüte erlangte die Stadt Mitte des 14. Jahrhunderts, nachdem sie zur Residenz Kaiser Karls IV. erhoben worden ist. Karl IV. war es auch, der 1346 eine deutschsprachige Universität einrichtete, die damit die älteste in Mitteleuropa war.

Prag hatte einen großen deutschen Bevölkerungsanteil, der durch die Besiedelung im 13. Jahrhundert entstanden war. Mit dem Bau der Neustadt und dem Ausbau der Universität wuchs auch die Bedeutung von Wissenschaft und Kunst, sowie deutscher Kultur. Seit dem 19. Jahrhundert jedoch ging der deutsche Bevölkerungsanteil kontinuierlich zurück. 1861 erlangten die Tschechen im Stadtparlament eine Mehrheit. Seit dieser Zeit kann nicht immer von einem friedlichen Miteinander zwischen Deutschen und Tschechen gesprochen werden. Es gab häufig nationalbewegte Auseinandersetzungen. Und 1918 - nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zerfall der Donaumonarchie - wurde Prag zur Hauptstadt des Bundesstaat Tschechoslowakei.

Gerade nach der Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg kam es zu progromähnlichen Verfolgungen deutscher und deutschsprachiger Menschen in Böhmen und im Sudetenland. Dies diente den Nationalsozialisten für eine Propaganda, die im Jahr 1939 in der Besetzung des Landes durch deutsche Truppen mündete. Es wurde ein deutsches Protektorat eingerichtet. 1945 wird die Herrschaft der Nationalsozialisten durch die Rote Armee beendet und die Tschecho-slowakei wird Satellitenstaat der UdSSR. Gegen die Okkupation durch Moskau stehen die Tschechen und die Slowaken 1968 im "Prager Frühling" auf, werden jedoch durch die Truppen des Warschauer Paktes, unter ihnen auch Einheiten aus der DDR, niedergeschlagen. Erst im Zuge der Politik von Glasnost und Perestroika unter Gorbatschow in der UdSSR wurde eine "sanfte Revolution" in Prag angeregt, die schließlich auch zur Trennung der Slowakei von Tschechien führte. Nach marktwirtschaftlichen Reformen erlitt Tschechien 1998 eine tiefe Rezession, die jedoch mit dem Jahr 2000 überwunden wurde. Seither befindet man sich wieder auf Wachs- tumskurs. Trotz der internationalen Konjunkturabschwächung stieg das Bruttoinlandsprodukt 2001 um 3,6 Prozent, 2002 war jedoch ein Rück-gang auf 2,5 Prozent zu verzeichnen. Wesentliche Ursache für die im europäischen Vergleich relativ gute Entwicklung der wirtschaftlichen Kennziffern ist der stetige Anstieg der Bruttoanlageinvestitionen gerade ausländischer Geldgeber und ein gutes Investitionsklima. Die Investitionsquote stieg 2001 auf 37 Prozent des BIP, wobei die ausländischen Direktinvestitionen eine Höhe von knapp fünf Milliarden US-Dollar ausmachten. Die Inflationsrate hat sich von fast sechs Prozent in 2001 auf nur noch 0,6 Prozent im August 2002 verringert. Mit der Aufwertung der tschechischen Krone wurden die Importpreise absolut gesehen gesenkt, wenn dies auch den Export erschwerte. Senkungen des Zinssatzes durch die Zentralbank in Tschechien und Interventionen auf dem Devisenmarkt haben den Wechselkurs auf 30 Kronen je Euro stabilisiert.

Ein Problem ist jedoch das steigende Defizit des Staatshaushaltes. Betrug es 2002 noch 70 Milliarden Kronen und war es somit 24 Milliarden Kronen höher als geplant, wird es in 2003 voraussichtlich auf 157 Milliarden Kronen steigen, was die öffentliche Verschuldung in den nächsten Jahren deutlich ansteigen lassen dürfte. Der Außenhandel Tschechiens ist auf Europa konzentriert, wobei mit Deutschland alleine 36 Prozent dieses Handelsvolumens abgewickelt wird. Auf der Grundlage der Europaabkommen läuft der Industriegüterhandel mit den EU-Staaten weitgehend frei von Zöllen und Handelshemmnissen, so daß schon jetzt, vor dem Beitritt Prags zur EU am 1. Mai 2004, enge Handelsverflechtungen zwischen der EU und Tschechien existieren.

Besonders geregelte Beziehungen haben Berlin und Prag durch den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfond. Er dient unter anderem zur Finanzierung von Projekten gemeinsamen Interesses. Hierbei sollen vor allem Opfer des Nationalsozialismus bedacht werden. Darüber hinaus werden Maßnahmen der Altersfürsorge, Jugendbewegung, Minderheitenförderung, der Pflege von Baudenkmälern und Grabstätten sowie gemeinsame wissenschaftliche und ökologische Projekte gefördert. Mittel aus dem Fonds können auch zur Finanzierung von Vorhaben der deutschen Minderheit verwandt werden. Nach einer Volkszählung vom März 2001 bekennen sich noch 38.000 Menschen als Deutsche. Sie haben sich in verschiedenen Organisationen zusammengefaßt, so in der "Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien" oder im "Kulturverband der Deutschen". Ein wesentliches Hindernis und noch ungeklärtes Problem in den Beziehungen Tschechiens und Deutschlands, beziehungsweise der EU - sind die von Prager Seite als rechtens angesehenen Benesch-Dekrete und das Straffreistellungsgesetz. Diese legitimieren die Vertreibung von Volksdeutschen und amnestieren die Verbrecher, die in den Nachkriegsjahren in Tschechien verfolgten, schändeten und mordeten. Die Bestimmungen der Dekrete widersprechen der EU-Menschenrechts-charta. Eine Außerkraftsetzung dieser Direktiven ist so vor dem endgültigen Beitritts Prags zur EU dringend gefordert.