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19.04.03 / Tony Blairs Position in Großbritannien ist fester geworden

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. April 2003


Londons Vorsicht und Planung
Tony Blairs Position in Großbritannien ist fester geworden
von Pierre Campguilhelm

Höchst vorsichtig will die briti-sche Diplomatie bezüglich der internationalen Verwicklungen handeln, die die derzeitige Irak-Krise mit sich zieht. Das ist wenigstens der Eindruck, den ich bei einem persönlichen informativen Gespräch mit dem Sprecher der Botschaft Großbritanniens in Paris gewonnen habe. Ausdrücklich betonte mein Ge-sprächspartner, daß der Streit zwischen einerseits London und Washington sowie andererseits Berlin und Paris nicht "unheilbar" ist, da die Politiker der Staaten sich gut kennen und trotz ihrer Meinungsunterschiede stets in Kontakt bleiben.

Verhüllte Kritik übte er allerdings an die Adresse gewisser europäi-scher Regierungskreise, die an-scheinend mit Wörtern versuchen, sowohl in den innereuropäischen Verhandlungen als auch im transatlantischen Handel die Sachen "auszubalancieren". Insofern wolle London ein treuer Bündnispartner der USA bleiben, obschon die Lage betreffend der Europäischen Union viel weniger negativ aussehe als vermutet werde. Auf jeden Fall wolle die Regierung Blair nicht die Spaltung zwischen Paris und den Unter-zeichnerstaaten des Briefes der "Acht" vertiefen, wodurch proamerikanische, europäische Regierungschefs - darunter vier aus den Beitrittsländern, ihre Unterstützung der amerikanischen Politik ausgedrückt haben. Dieser Brief habe gezeigt, daß das Londoner Kabinett keineswegs isoliert ist und Länder der Wilna-Gruppe nun einverstanden seien, Schritte zu unternehmen, die dazu dienten, "die Freiheit zu unterstützen".

Über andere Gründe, die den Schritt der proamerikanischen Beitrittsländer erklären würden, wollte sich der Diplomat nicht näher äußern. Seiner Meinung nach müßte man jetzt praktisch erwägen, wie aus den kriegerischen Handlungen ein für jeden Staat profitabler Friede entstehen könne. Ein rascher Sieg der Alliierten würde seines Erachtens eine Verbreitung der Krise in der Region des ganzen Mittleren Osten vermeiden.

Um die Kriegshandlungen Großbritanniens zu finanzieren, wolle der britische Finanzminister vom Parlament einen Nachtragshaushalt von lediglich umgerechnet fünf Milliarden Euro beantragen. Nach Einschätzung des Botschaftssprechers verfüge Premierminister Tony Blair jetzt über einen größeren Handlungsspielraum als zu Beginn der Krise. Innenpolitisch werde er in seinem Land mehr als ein nationaler Führer denn lediglich als der Chef der Labour-Party angesehen. Die mutige Weise, seine Meinung im Parlament und der öffentlichen Meinung gegenüber zu verteidigen, habe sich gelohnt.

George W. Bush gegenüber sei die Lage Tony Blairs schwieriger. Beim Wiederaufbau des Iraks und der Interimsverwaltung dieses Landes wünschen sich die Briten eine große Rolle für die Vereinten Nationen, obschon sie wissen, daß die NATO nicht so multilateral wie die UNO ist und deswegen in und um Bagdad eine wirksamere Rolle als die UNO spielen könnte. Das Wichtige nach britischer Ansicht sei es, "so oder so" weiterzukommen, auf daß die Handlungsfähigkeit der NATO nicht unterschätzt werde. Wörtlich sagte der Diplomat, "man müsse angesichts der Tatsachen nach vorne gehen." Abgesehen von der gegenwärtigen Irak-Krise mißt die britische Diplomatie der atlantischen Allianz eine wichtige Rolle bei, die sich im Kampf für "gemeinsame Werte" verkörpert.

Folgen wir dem Botschaftssprecher, ist es zu bedauern, daß gewisse europäische Staaten eine eigenständigere Sicherheits- und Verteidigungspolitik entwickeln wollen, ohne dafür die notwendigen finanziellen Anstrengungen vorzunehmen. Man kann also nicht voraussagen, ob eines Tages ein tiefergehender Interessenunterschied zwischen den USA und der Europäischen Union nicht noch mehr zu Tage tritt.

Gegenwärtig sei dies noch nicht der Fall, so daß die EU euro-atlantisch bleiben wird. Seinen Militärausgaben widmet Großbritannien mehr als 2,5 Pro-zent seines Bruttoinlandsprodukts gegenüber nur 1,9 Prozent bei Frankreich, ganz abgesehen von den geringen Verteidigungsausgaben Deutschlands. Diese Zahlen erklären auch, daß London eher pragmatisch in Richtung der USA als nach einer problematischen Militärmacht "Europa" schaut.