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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. April 2003 |
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Ein spannungsreiches Miteinander Das neue Museum am Dom in Würzburg von Silke Osman Zu den ergreifendsten Werken, die Lovis Corinth (1858-1925) schuf, zählt zweifellos sein "Ecce homo", ein Ölgemälde, das der Meister aus Tapiau in seinem eigenen Todesjahr in der Osterzeit malte und das sich heute im Kunstmuseum Basel befindet. Biblische Thematik spielt ohnehin eine große Rolle im Werk Corinths. Der Maler soll ein eifriger Bibelleser gewesen sein. Unter den 983 Arbeiten, die im Werkverzeichnis seiner Gemälde festgehalten sind, kann man allein 65 Arbeiten zu Themen aus dem Alten und dem Neuen Testament zählen. "Adam und Eva", "Bathseba", "Joseph und Potiphars Weib", "Salome" und "Simson" sind ebenso zu finden wie etwa der "Schächer am Kreuz", eine der frühen Arbeiten aus dem Jahr 1883. Die Passions- und Kreuzigungsthematik zieht sich durch Corinths Werk wie ein roter Faden. Nach dem Tod des Vaters Franz Heinrich Corinth am 10. Januar 1889 entstand die erste Komposition mit einem Passionsthema: Pietá. Für seine Vaterstadt Tapiau schuf Corinth 1910 das Golgatha-Triptychon, einen dreiteiligen Altaraufsatz für die dortige evangelische Kirche; das Mittelbild zeigte Christus am Kreuz, der linke Flügel den Apostel Paulus, der rechte Flügel den Evangelisten Matthäus. Beim Russeneinfall 1914 wurde das Bild beschädigt; Corinth lehnte es später allerdings ab, die Einschußstellen zu restaurieren, weil er die Schäden als Erinnerung an diese Zeit erhalten wissen wollte ... Auch in seinem graphischen Werk sind immer wieder Passionsthemen zu finden. Seine letzte Radierung, die er Ostern 1925 schuf, trägt den Titel "Die Auferstehung Christi". Wenige Wochen später reiste Corinth nach Holland, um dort noch einmal die alten Meister zu bewundern. Von dieser Reise kehrte er nicht mehr zurück - er starb am 17. Juli 1925 im holländischen Zandvoort. Gerhard Gerckens erläuterte einmal die Hinwendung Corinths zu religiösen Themen. Er habe sich und sein persönliches Gefühl in diese Bilder eingebracht, gleichzeitig aber auch ein Zeitgefühl, "das in dieser Schärfe nur das 20. Jahrhundert durchlitten hat. Gestaltet aber konnte es nur werden am Beispiel der Bibelthemen, weil deren menschliche Dimension von sich aus schon so groß war, daß der Maler sie mit seiner Sicht aufladen und dennoch das Allgemeingültige wahren konnte ..." Seit Jahrhunderten haben sich Künstler immer wieder religiösen Themen zugewandt, Fragen nach dem Sinn des Lebens gestellt und versucht, Antworten zu geben. Mit der mächtigen Sprache der Kunst haben sie sich einem Thema zugewandt, das in unserer heutigen schnellebigen Zeit verstärkt an den Rand gedrängt wird. Man kann sich der Kirche entfremdet haben, ja, sie sogar ablehnen, Bilder aber - auch mit religiösen Inhalten - zwingen selbst Atheisten zum genaueren Hinsehen. Sie lassen den Betrachter oftmals nicht wieder los. Das mögen auch die Verantwortlichen der Diözese Würzburg erkannt haben, als sie ein neues Museum errichteten. Im Museum am Dom, das Anfang März der Öffentlichkeit übergeben wurde und im Kilianshaus zwischen Dom und Neumünsterkirche zu finden ist (Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 1. April bis 31. Oktober 10 bis 19 Uhr, 1. November bis 31. März 10 bis 17 Uhr), sind auf 1800 qm Ausstellungsfläche und vier Etagen Kunstwerke aus fünf Jahrhunderten zu sehen. Ziel der Dauerausstellung, die sich im Laufe der Zeit durch den Austausch einzelner Werke immer wieder verändern wird, ist es, dem Besucher anschaulich erfahrbar zu machen, "wie Kunst über alle Jahrhunderte hinweg die Fragen der Menschen nach ihrem Ursprung, nach ihrer Existenz und nach Sinn und Ausrichtung des Lebens aufgreift und ins Bild setzt". Neu an dieser Präsentation ist, daß alte und neue Kunst einander gegenüber gestellt wird und so ein spannungsreiches Miteinander entsteht. Eine Präsentation, die den Betrachter zweifellos zu einem Dialog mit den Werken anregt, Gemeinsamkeiten erkennen läßt, aber auch Widersprüche und Gegensätzlichkeiten. So findet sich eine fränkische Pietà des 15. Jahrhunderts der Pietà von Käthe Kollwitz aus dem Jahr 1937 gegenübergestellt, eine "Anbetung der Könige" von Otto Dix aus dem Jahr 1948 neben der "Anbetung der Könige" von Johann Zick aus dem Jahr 1749, Ernst Barlachs Bronze "Der Sinnende" (1934) neben dem Gemälde "Abziehendes Gewitter" von Wolfgang Mattheuer aus dem Jahr 1987, oder der "Moloch" des Westpreußen Bernard Schultze von 1997 neben einem Werk aus dem Umkreis von Tilmann Riemenschneider, entstanden um 1490 und den Auferstandenen darstellend. - Mit insgesamt 50 thematischen Zuordnungen will das Museum am Dom mit seiner neuen Ausstellung eine Brücke schlagen von menschlichen Verhaltensweisen zu religiösen Thematiken. "Jedes Bildthema wird in seiner historischen und modernen künstlerischen Auseinandersetzung beispielhaft dokumentiert", heißt es in einer Information des Museums. Ein Begleitheft, das jeder Besucher mit der Eintrittskarte erhält, liefert die notwendigen Erläuterungen. Schwerpunkt ist die zeitgenössische Kunst, deren Aufgabe es sein soll, "die Kunst der Vergangenheit neu zu aktualisieren und dadurch die Gegenwart zu hinterfragen und zu deuten". Auffallend ist hier der hohe Anteil von Arbeiten mitteldeutscher Künstler, die in einem völlig säkularisierten Umfeld häufig auf religiöse Themen zurückgriffen. Der aufmerksame Besucher wird darüber hinaus feststellen, daß durch die Jahrhunderte bestimmte Themen von den Künstlern immer wieder aufgegriffen wurden, die dann, wenn auch vom jeweiligen Kunststil geprägt, eine unterschiedliche Gestaltung fanden. "Das Museum am Dom versteht sich von seiner Konzeption her als ein Ort der inneren Auseinandersetzung mit den Werken in ihrem Gegenüberstand und den Bildthemen", so der Kunstreferent der Diözese, Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen. "Die eigenständige Präsentation möchten für die Menschen Anstoß sein, sich den Fragen ‚Wer bin ich? Woraus lebe ich und worauf zu?' intensiv zu stellen." "Unser Glaube, unsere Gottesvorstellungen wurden durch Bilder geprägt. Ohren können wir auf Durchzug stellen, Augen verschließen: die Kunst und ihre Bilder (ob gemalte, plastische, aber auch die der Bewegung, der Sprache und Musik) nehmen wir nicht mit dem einen oder dem anderen unserer Sinne auf, sondern ganzheitlich, deshalb auch ihre tiefe Verwurzelung in uns. Die Bilder des kirchlichen Museums künden von dem, was von vielen Menschen nicht mehr gehört wird oder gehört werden will, vor jenen und für sie, die ansonsten die Auseinandersetzung mit den Glaubensinhalten eher meiden. Vor dem Kunstwerk gibt es keine Fernstehenden. Die Kunst erreicht sie alle, berührt sie, fordert sie heraus und führt sie über die gewohnten Grenzen hinaus - und läßt erfahren, was uns mehr als nur Ahnung, vielmehr als neue Wirklichkeit innewohnt." In diesem Sinne ist das neue Museum am Dom in Würzburg ein notwendiges Museum, ein Haus der Kunst, aber auch ein Haus des christlichen Glaubens. Es grenzt sich dadurch auch ab von anderen Neugründungen wie etwa der Pinakothek der Moderne in München, die vor allem durch ihre Architektur Aufsehen erregte. Überhaupt scheinen Neubauten im Museumsbereich ganz im Trend zu liegen. So eröffnet die Stadt Basel demnächst ein sogenanntes Schaulager für die Sammlung der Laurenz-Stiftung mit 13.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche. Und in Rovereto am Gardasee öffnete erst im Dezember vergangenen Jahres ein Museum der Moderne und der Gegenwartskunst seine Pforten. Auch das renommierte Museum of Modern Art (MoMA) in New York vergrößert sich um das Mehrfache seiner bisherigen Ausstellungsfläche. Daß diese Entwicklung nicht immer gut läuft, sieht man am Beispiel des Guggenheim Museums in New York. Dort gingen die Besucherzahlen drastisch zurück, Sponsoren hielten sich bedeckt, Angestellte wurden entlassen, wichtige Ausstellungen abgesagt. Exzessive Ausgaben und Mißmanagement gelten als die Gründe für den Niedergang des Hauses. Kunst ist heute zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor geworden. Quoten bestimmen nicht nur im Fernsehen den Erfolg einer Sendung, auch im Museum zählen meist nur die berühmten Namen, die "Events", mit denen man Besucher in den Musentempel locken will. Mehr denn je aber ist das Museum auch zu einem Ort der Begegnung geworden, zu einem sozialen Zentrum. Und da ist das Museum am Dom in Würzburg zweifellos ein ganz besonderer Ort. Lovis Corinth: Ecce homo, (Öl, 1925, im Besitz des Kunstmuseums Basel). Biblische Themen sind vielfach im Werk des Ostpreußen aus Tapiau zu finden Foto: Archiv Museum am Dom in Würzburg: Blick in die Ausstellung, in der auch die Bronze "Pietá" von Käthe Kollwitz (in der Mitte) zu sehen ist Foto: Museum am Dom |