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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. April 2003 |
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Der Tod des "Roten Barons" Ein Bericht von Captain A. Roy Brown über das Ende des Freiherren Manfred v. Richthofen vor 85 Jahren Ich hatte einen Schulfreund, der jetzt mit mir im selben Geschwader stand. Das war Captain May, und wir beide waren wirklich gute Freunde. Am Sonntag vormittag, den 21. April 1918, waren wir zusammen in der Luft. Auf dem Heimweg stießen wir auf eine Anzahl feindlicher Flieger. Wir gerieten in einen Kampf, und ich will es von vornherein sagen, daß ich nach wenigen Sekunden die Hoffnung aufgegeben hatte, aus diesem Gefecht jemals lebendig herauszukommen. Immer aber sah ich zu meinem Freunde Captain May hinüber, und mein Herz klopfte vor Freude trotz aller Bedrängnis, als ich sah, daß es May gelang, einen deutschen Flieger abzuschießen. May drehte sofort nach seinem Sieg um, um nach Hause zu fliegen. Ich hatte ihm das ans Herz gelegt, weil er ein Neuling war und weil ihn ein Kampf so mitnehmen mußte, daß es keinen Zweck hatte, danach noch lange in der Luft zu bleiben. In dem Augenblick aber, wie er davonschoß, sah ich, wie ein rotes Flugzeug sich auf ihn warf. Da wurde mir übel zumute. Aber als ich mich daranmachen wollte, um ihm zu Hilfe zu kommen, da mußte ich selbst um mein Leben kämpfen, denn drei Flieger kamen auf mich los, um mich zu erdrücken, ich stand im Kreuzfeuer ihrer Gewehre. Kein Ausweg! Jedenfalls wollte ich es für sie so ungemütlich wie möglich machen! So, nur Ruhe! Ich kann mich nicht erinnern, Furcht gehabt zu haben. Sollte es das Ende sein, gut, dann wenigstens am Führersitz meiner alten Maschine! Ich begann zu manövrieren. Schoß bald hier-, bald dorthin, überschlug mich, spiralte, zickzackte, nur kein festes Ziel bieten! Ich versuchte jeden Trick, den ich kannte, einiges war mir selbst noch neu, hatte es nie vorher versucht. Leise wurde in mir der Gedanke wach, sie in einen Zusammenstoß zu verwickeln. Ich ließ sie gerade auf mich loskommen, dann machte ich einen "Immelmann", nach oben, dann zurück. Unter ihnen kam ich wieder zum Vorschein. Gerade konnte ich sehen, wie zwei von ihnen um Haaresbreite aneinander vorbeischossen. Fast wäre der dritte gefaßt worden, hätte er nicht einen großen Bogen gemacht. Ich hatte Zeit, Atem zu holen. Während sie sich aufrichteten, versuchte ich, mich in die Höhe zu schrauben. Jetzt drehten sie und kamen wieder auf mich los. Ich hielt meinen Kurs, bis sie fast mit mir zusammenstießen, dann kippte ich nach der Seite und lag nun flach unter ihnen. Wieder entgingen sie knapp dem Zusammenstoß. Mit aller Gewalt versuchte ich, Höhe zu gewinnen. Beim Aufrichten verloren sie mich aus den Augen. Mein erster Gedanke war: wo ist May? Angstvoll suchte ich den Himmel nach ihm ab, hoffend, ihn noch lebendig zu sehen. Endlich entdeckte ich ihn, in der Richtung auf Corbie, nördlich von mir, nach Hause fliegend. Dann bemerkte ich, daß er verfolgt wurde. Aus dem Dunst heraus schoß ein leuchtend rotes Flugzeug hinter ihm her, in so vorteilhafter Stellung, die leicht zum Verhängnis werden konnte. Ich schraubte mich weiter hoch, um eventuell May schnelle Hilfe zu bringen. Er versuchte zu entkommen, schwenkte jetzt hierhin, jetzt dorthin, zickzack-te, doch der Rote blieb unentwegt rechts hinter ihm. Sie glichen zwei Riesenhornissen, die einander jagten, vorwärts, seitwärts, wieder herum. Sie machten alle Bewegungen gemeinsam. Jede Schwenkung Mays wurde von seinem Gegner wiederholt. Noch schien May ihm nicht unterlegen zu sein. Doch bald sah ich, wie der Deutsche an Zwischenraum gewann. Er gab alle Manöver auf, flog in gerader Linie. Er verringerte seinen Abstand zusehends. May war noch im Vorteil, gelang es ihm, sein Tempo beizubehalten, so ... Plötzlich wurde mir klar, daß er in der Falle saß. Er hatte alle Kunststücke, die er kannte, versucht, er war am Ende seines Witzes. Der rote Flieger war kaum noch hundert Fuß entfernt und lag auf der gleichen Ebene wie May; jeden Augenblick konnte er das Feuer eröffen. Zum Glück hatte ich inzwischen dreitausend Fuß erreicht. Ich schwenkte scharf herum, drehte, richtete mich auf und dann, Kopf voran, schoß ich auf das Schwanz-ende des Roten zu. Ich hatte alle Trümpfe in der Hand. War über ihm und kam von hinten. May drehte und wand sich wie ein Fisch an der Angel. Der "Rote" machte sich daran, seine erste Salve anzubringen, als der Moment für mich gekommen war! May hatte es aufgegeben. "Das Ende", dachte er und setzte sich zurecht, den Todesstreich zu empfangen. Da hörte er mein MG. Er blickte über die Schulter. "Gottlob, Brownie!" Als er sich wieder umsah, was der "Rote" verschwunden, über den Rand seines Flugzeuges sah er, wie er tief unten auf die Erde aufschlug. Richthofens Ende war genau wie das seiner meisten Opfer. Er war überrascht worden, er war tot, noch bevor er sich von seiner Überraschung hatte erholen können. Alles hatte sich so zufällig, so einfach abgespielt. Ich war herabgekommen, bis mein Vorderteil über seinem Schwanzende stand, dann feuerte ich. Die Kugeln rissen sein Höhensteuer fort und zerfetzten den hinteren Teil des Flugzeuges. Flammen zeigten, wo die Kugeln einschlugen. Zu kurz gezielt. Ganz sachte zog ich am Steuer ... ich hob ein wenig, Kriegsschulübung, jetzt kann man's. Eine volle Salve riß die Seite des Flugzeuges auf. Ich sah das Aufleuchten seiner Augen hinter den großen Gläsern, dann fiel er zusammen auf dem Sitz, Kugeln pfiffen um ihn. Ich stellte das Feuer ein. Richthofen war tot. Es spielte sich alles in Sekunden ab, schneller als man es erzählen kann. Sein Flugzeug schütterte, schwankte, überschlug sich und stürzte in die Tiefe. Die Reservegräben der Australier lagen nur 300 Fuß unter uns. Es war ein kurzer Absturz, May sah es, Mellersh sah es auch, und ich, als ich herumschwang. Mellersh hatte einen Streifschuß an der Hand. Zwei Feinde waren hinter ihm. Ich machte mich, so schnell ich konnte, daran, ihm zu helfen. Die Deutschen spiralten aus dem Kampf heraus und flogen davon. Der Kampf war vorüber, jeder hatte genug. Müde kehrte ich nach Bertangles zurück. Die vielen Manöver hatten die Maschine sehr mitgenommen, der Propeller wollte kaum noch mittun. Doch ich erreichte den Flugplatz. Der erste, der mich begrüßte, war May. Er rannte auf mich zu und faßte meine Hand. "Gottlob, Brown, hast Du den Roten gefaßt? Es sah bös mit mir aus, eine Sekunde später, und es wäre mit mir vorbei gewesen." Er freute sich, noch am Leben zu sein. Mit keiner Silbe wurde der Name Richthofen erwähnt. Auch ich sagte nichts. Wohl hatte ich das Gefühl, daß jener rote Kampfflieger Richthofen gewesen war, der deutsche Adler der Lüfte, doch kam mir der Gedanke, ihn besiegt zu haben, wie eine Unbescheidenheit vor. Bald darauf setzte ich mich hin, um meinen Bericht zu schreiben. Da erwähnte ich, daß ich eine knallrote Maschine zerstört hätte. Mein Logbuch zeigte unter jenem Datum folgende Eintragung: "Trafen auf großen Schwarm feindlicher Maschi- nen und Albatros-Einsitzer. Drei Maschinen verfolgten mich, so daß ich mich davonmachte. Gewann Höhe, kehrte zurück, schoß auf einen völlig roten Apparat, der May verfolgte, herab, sandte ihn hinunter. Beobachtet von den Leutnants Mellersh und May, griff dann zwei Flieger an, die Leutnant Mellersh verfolgten. Erfolglos." Das Telefon läutete. Der Kommandant am Apparat. Simpsons, unser Chefingeni- eur, ging, um zu antworten. Kam zurück. "Mensch, Brownie! Bereite Dich auf die Orden vor!" "Wozu?" "Der Alte sagt, der rote Flieger war Richthofen." Fast wäre ich in Ohnmacht gefallen. Zwar hatte ich schon so ein Gefühl gehabt, daß er es gewesen war. Also doch Richthofen. Der "rote Baron", Deutschlands berühmtester Flieger! Es war ein Ruhmestag der Abteilung. Endlich konnten wir mit dem Essen anfangen. Gerade waren wir beim letzten Gang, als Cairns, der Kommandant, eintrat. Wir salutierten, er kam auf mich zu, ernsthaft schaute er drein. Von Gratulierenwollen war nichts zu merken. Seine Stimme klang kühl: "Also, Brown, Sie behaupten, Richthofen abgeschossen zu haben?" "Nein, keineswegs!" "Ich dächte, doch?" "Nein, ich behaupte nur, eine rot angestrichene Fokker abgeschossen zu haben. Den Piloten kenne ich nicht." "Also, es war Richthofen! Die Sache ist aber die, daß die australische MG-Abteilung sagt, sie hätte ihn von unten abgeknallt. Außerdem ein Rapport, er wäre von einem R. E. 8 heruntergeholt worden, und dann Ihr Bericht. Es sieht übel genug aus!" Dann nahm ich den Wagen, den der Kommandant hatte warten lassen. Ich holte ihn ab, und weg ging's ins Quartier der 11. australischen Infanterie-Brigade. Wir fuhren, ohne ein Wort zu sprechen. Cairns sprach sowieso nicht viel, und mir war die Lust zum Plaudern vergangen. Wir fanden das Zelt des Kommandeurs wohlversteckt auf einem Hügel inmitten eines Gehölzes. Ich glaube, es war irgendwo westlich von Corbie. Wir fanden Richthofen. man hatte ihn in der Nähe eines fliegenden Lazaretts niedergelegt. Ein paar Leute standen herum. Der Anblick Richthofens, als ich näher trat, gab mir einen Schreck. Er erschien mir so klein, so zierlich. Er sah so freundlich aus, seine Füße waren schmal wie die einer Frau. Sie steckten in Ulanenstiefeln, glänzend poliert. Eine Eleganz ging von ihnen aus, die gar nicht paßte, als sie so unter dem rauhen Fliegeranzug hervorschauten. Man hatte seine Kappe entfernt, blondes, seidenweiches Haar, wie das eines Kindes, fiel von der breiten, hohen Stirn. Sein Gesicht, besonders friedlich, hatte einen Ausdruck von Milde und Güte, von Vornehmheit. Und plötzlich fühlte ich mich elend, unglücklich, als hätte ich ein Unrecht begangen. Kein Gefühl der Freude konnte aufkommen, daß dort Richthofen lag, der größte von allen! Schamgefühl, eine Art Ärger gegen mich selbst ergriff mich bei dem Gedanken, daß ich ihn gezwungen, nun dort zu liegen, so ruhig, so friedvoll, ohne Leben. Diesen Menschen, der noch vor kurzem so voller Leben gewesen war. Und in meinem Herzen verfluchte ich den Zwang, der zum Töten trieb, ich knirschte mit den Zähnen, ich verfluchte den Krieg! Hätte ich es gekonnt, wie gerne hätte ich ihn ins Leben zurückgerufen, aber das ist etwas anderes als ein Gewehr abschießen, ich konnte ihm nicht länger ins Gesicht sehen. Ich ging weg, nicht als Sieger fühlte ich mich. Ein Würgen saß mir in der Kehle. ich wartete, bis Cairns mit der Untersuchung fertig war. Wäre es mein liebster Freund gewesen, ich hätte keinen größeren Schmerz empfinden können. Sicherlich hätte ich mich nicht so elend gefühlt, hätte ich nicht das Unglück gehabt, zu wissen, daß ich ihn getötet hatte. Fotos: Vor dem letzten Flug: Manfred Freiherr v. Richthofen Das Wrack der Maschine Freiherr Manfred v. Richthofens: Hinter den traurigen Überresten des roten Dreideckers vom Typ Fokker ist als dritter von rechts mit einem Flugzeugteil in der Hand der Verfasser des Berichtes, der kanadische Fliegerhauptmann A. Roy Brown, sowie das Zelt in dem der tote Deutsche aufgebahrt wurde, zu sehen |