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03.05.03 / Kirche und Staat - ein schwieriges Verhältnis

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Mai 2003


Hans-Jürgen Mahlitz:
Kirche und Staat - ein schwieriges Verhältnis

Hamburgs Innensenator Ronald Schill ist bislang nicht als sanftmütiger Repräsentant des "Vereins Harmonie" in Erscheinung getreten. Im Klartext: Er gilt als streitbarer Kämpfer für seine Überzeugungen, die man in vielen Punkten teilen kann, aber nicht in allen teilen muß. Mit Schill zu streiten gehört für politische Gegner, Koalitionspartner und Parteifreunde zum Alltag, für viele sogar zum unverzichtbaren Selbstverständnis.

Nun hat der vormalige "Richter Gnadenlos" - frei nach dem Motto "Viel Feind', viel Ehr" - ein neues Streitobjekt ausgemacht: die evangelische Kirche. Genauer gesagt: die Nordelbische Kirche. Noch genauer: deren Bischöfin Maria Jepsen, die ebenfalls (um im biblischen Vokabular zu bleiben) nicht gerade den "Lämmern" zugeordnet wird, es vielmehr ganz gern auch mal verbal "krachen" läßt.

Gestritten wird über einen Staatsvertrag zwischen der Freien und Hansestadt und der Nordelbischen Kirche; Hamburg ist das einzige Bundesland ohne eine derartige Regelung der Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat. Die Senatskanzlei von CDU-Bürgermeister Ole von Beust hatte im letzten Sommer Verhandlungen mit Frau Jepsens Bischofskanzlei aufgenommen - offenbar ohne Abstimmung mit Koalitionspartner Schill.

Derweilen eskalierte in Hamburg der Streit um die sogenannten Bambule-Bauwagenplätze, ein Relikt aus der Blütezeit links-anarchistischer "rechtsfreier Räume". Der Innensenator sah hier, nicht ohne Grund, Keimzellen von Krawall, politisch motiviertem Terror und Kriminalität. Folgerichtig setzte er nach ersten erfolgreichen Säuberungsaktionen gegen die Drogenszene rund um den Hauptbahnhof nun bei "Bambule" an, ohne aber den zu erwartenden Widerstand richtig einzuschätzen. Die radikale Linke, die es Schill bis heute nicht verziehen hat, daß er die Hanse-Genossen nach über vier Jahrzehnten aus Amt und Würden verjagt hat, bekam endlich wieder ein Solidarisierungsobjekt - ausgerechnet vom Haßobjekt Nummer 1 frei Haus geliefert!

Monatelang wurden die Schill unterstehenden Polizisten von sogenannten "Demonstranten" auf Trab gehalten, wurden Hamburgs Bürger - vorzugsweise an Sonnabenden in der Innenstadt - massiv in ihrer Bewegungsfreiheit behindert. Und die Kirche, allen voran Bischöfin Jepsen, begleitete die Dauerkrawalle mit unverhohlener Sympathie.

Das fiel Schill natürlich sofort wieder ein, als er vor wenigen Tagen von den fast abgeschlossenen Verhandlungen über den Staatsvertrag hörte. Auf die ihm eigene Weise griff er ein und erklärte das Projekt für "überflüssig". Begründung: "Ein Hamburger kniet vor niemandem, auch nicht vor der Kirche!" Damit kann er sich sogar auf eine breite Mehrheit stützen - allerdings nicht des Senats von 2003, sondern von 1909. Damals hatten die Volksvertreter ein Gemälde im Ratshaus übermalen lassen, das einen vor Bischof Ansgar knienden Hamburger zeigte. Andererseits aber haben vertragliche Regelungen zwischen Kirche und Staat auch in Hamburg eine alte und bewährte Tradition, die erst 1870 unterbrochen wurde. Dies darf der borstige Senator nicht außer acht lassen.

Immerhin hat Bischöfin Jepsen ja nicht verlangt, daß Schill - in Anwesenheit eines Kunstmalers - vor ihr niederknien soll. Vielleicht erleichtert dieser Hinweis es Schill, die voreilig zugeschlagene Tür zu weiteren Verhandlungen wieder zu öffnen. Dies wäre im Interesse beider Seiten.