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03.05.03 / Ein Elternteil wird entrechtet / Alleinerziehende Männer: Sind sie die Verlierer einer falschverstandenen Emanzipation?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Mai 2003


Ein Elternteil wird entrechtet
Alleinerziehende Männer: Sind sie die Verlierer einer falschverstandenen Emanzipation?
von Jürgen Liminski

Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts über das Sorgerecht für ledige Väter wirft einige Fragen auf. Karlsruhe hat entschieden, daß nichtverheiratete Väter auch künftig nur mit Zustimmung der Mutter Sorge für ihr Kind tragen dürfen, das Veto-Recht der Mutter bleibt also erhalten, mithin die rechtlose Stellung dieser Väter.

Die Richter begründen diese Entscheidung damit, daß man bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht davon ausgehen kann, daß die Eltern in häuslicher Gemeinschaft leben und gemeinsam für das Kind Verantwortung tragen wollten. Das Kindeswohl verlange aber, daß das Kind von Geburt an jemanden habe, der für das Kind rechtsverbindlich handeln könne. Diese Rechtsverbindlichkeit ist das Problem. Ist die Mutter heute immer noch geeigneter als der Vater, diese Rechtsfürsorge wahrzunehmen? Ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft tatsächlich noch eine Ausnahmesituation? Sollte man nur auf die Rechtsverbindlichkeit schauen und nicht auch auf die psychologische Situation des Kindes und der Eltern? Wie ernst ist die Partnerschaftlichkeit zu nehmen, oder warum soll sie bei nichtehelichen Eltern nicht gelten?

Zunächst die Fakten: Noch ist die Situation in Deutschland nicht wie in den USA. Dort wird jedes dritte Kind unehelich geboren - Tendenz steigend. Vor gut dreißig Jahren waren es gerade mal fünf Prozent. Und heute gibt es rund 700.000 alleinerziehende Väter, die nie geheiratet haben. Die Zahl der alleinerziehenden Väter ist in den letzten zehn Jahren um fünfzig Prozent gestiegen. Es ist das am schnellsten wachsende familiäre Element, nicht nur in den USA. Der Wandel der sozialen Strukturen macht vor Deutschland keineswegs halt. Die Zahl der Scheidungen stieg im letzten statistisch festgehaltenen Jahr (2001) auf einen Rekord von 197.500 (mit mehr als 153.000 Scheidungswaisen), gleichzeitig sank die Zahl der Eheschließungen auf einen Minusrekord von 389.000. Die westlichen Industriegesellschaften haben offenbar ein Problem mit der Bindungsfähigkeit. Anfang der siebziger Jahre gab es hierzulande rund hunderttausend nichteheliche Lebensgemeinschaften, heute sind es fast zwei Millionen, und sie haben rund achthunderttausend minderjährige Kinder. Ebenfalls: Tendenz steigend. Um diese Kinder geht es. Übrigens werden in Mitteldeutschland rund 45 Prozent der Kinder unehelich geboren, im Westen sind es etwa 15 Prozent.

Väter haben im Fürsorgerecht schlechte Karten. Gegen den Willen der Mutter können sie ein Sorge- oder Umgangsrecht nicht durchsetzen. Das war bis vor kurzem auch bei Scheidungskindern so. Erst 1998 wurde den geschiedenen Vätern ehelicher Kinder ein gemeinsames Sorgerecht zugesprochen, die Hoffnung kam auf, daß die leiblichen Väter aus nichtehelichen Verbindungen mehr Rechte zugesprochen bekommen würden. Das um so mehr, als eheähnliche Gemeinschaften vor Verwaltungsgerichten wie eheliche behandelt wurden, zum Beispiel in Mainz, wo sich eine Sozialhilfeempfängerin das Einkommen des mit ihr zusammenlebenden Partners anrechnen lassen muß. Dem Gericht reichte die Aussage der Zeugen und Nachbarn, daß der Freund sich regelmäßig in der Wohnung aufhalte. Es bestand ein ehe-ähnliches Verhältnis.

Hoffnung vermittelte auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. In einem spektakulären Urteil verurteilte er im Sommer 2000 die Bundesrepublik zur Zahlung eines Schadenersatzes an einen Vater, dem von Gerichten jahrelang der Umgang mit seinem unehelichen Sohn verweigert worden war. Das höchste europäische Gericht wertete die sogenannte "Umgangsverwehrung" als gravierende Menschenrechtsverletzung. Der Mann war Opfer einer Rechtspraxis geworden, die dem Veto-Recht der Mutter ohne eingehende Prüfung vertraute. Es reichte die Aussage, der Kontakt zum Vater schade dem Kind. Unterhalt zahlen muß der Vater trotzdem. Damit ist das deutsche Nichtehelichenrecht der einzige Fall im deutschen Recht, in dem Bürger nur Pflichten und keine Rechte haben. Im internationalen Recht bildet es das Schlußlicht. Nirgendwo ist die rechtliche Lage von Vätern unehelicher Kinder so aussichtslos. Das neueste Bun-desverfassungsgerichts-Urteil vom Anfang dieses Jahres verstößt gegen die europäische Rechtssprechung, es wird nicht das letzte in dieser Sache sein.

Die Karlsruher Richter haben zwar die Ehe mit diesem Urteil gestärkt, aber das Kindeswohl hatten sie nicht unbedingt im Auge. Denn nicht nur der soziale Wandel legt nah, den von ihrer Familie getrennten Vätern ganz allgemein mehr Rechte einzuräumen. Auch die Familienforschung hat die Väter entdeckt. Die Entwicklung vaterloser oder ihrem Vater entfremdeter Kinder ist in Deutschland zwar immer noch kaum Gegenstand der Forschung. Den fast hundert Lehrstühlen für Frauenforschung steht kein einziger für Väterforschung gegenüber. Väter liefen immer als Bezugsperson am Rande mit. Aber auch hier kommt eine Trendwende aus Amerika. Schulabbrecher, schwangere Jugendliche, Drogengefährdete, jugendliche Kriminelle kommen in den USA zu siebzig bis neunzig Prozent aus vaterlosen Familien.

In Deutschland haben wir hier ein statistisches Loch. Bei kindlichen und jugendlichen Tatverdächtigen wird die Familiensituation nicht erfaßt. Aber die Psychologie weiß heute, daß der "Vaterfaktor" bei der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes stärker und nachhaltiger zu Buche schlägt, als bisher angenommen. Dabei geht es nicht nur um das Vorbild, zum Beispiel für die Partnerwahl, oder die Identifikation mit Verhaltensweisen und Berufszielen. Auch die gemeinsame Erziehung von Vater und Mutter ist für die geistige und moralische Entwicklung sowie für die emotionale Intelligenz von kaum zu unterschätzender Bedeutung. "Kinder geraten nicht zwangsläufig auf die schiefe Bahn, nur weil sie vaterlos sind", sagt der Psychologe Prof. Henry Biller, der das Buch "The Father Factor" geschrieben hat, "aber zwei Eltern stellen einen deutlichen Vorteil dar." Kinder mit Vätern hätten mehr Selbstvertrauen in einer Gemeinschaft, seien insgesamt unabhängiger und verantwortungsvoller und würden schneller mit neuen Situationen fertig. Auch erzielten sie bessere Ergebnisse bei Intelligenz- und Geschicklichkeitstests. Das läge daran, daß Mann und Frau unterschiedlich mit Kindern umgingen und das Kind so mit einer umfangreicheren Palette an Erfahrungen konfrontiert würde.

Das Kind braucht beide Eltern. Die Richter hätten besser daran getan, die Eltern zu einer gemeinsamen Sorge zu drängen, auch wenn das eine für die Gerichte mühsame Prüfung des Einzelfalls verlangt. Man kann heute jedenfalls nicht mehr davon ausgehen, daß die Frau allein sich hingebungsvoll um das Kind kümmere. Die Emanzipation hat hier tiefe Schleifspuren im natürlichen Verhalten hinterlassen. Für die ersten Jahre ist die Mutter wichtiger, später nicht mehr. Am besten ist freilich die Ergänzung beider Eltern, so wie die Natur es ja auch vorgesehen hat.

Auch unter den Vätern selbst spricht sich herum, daß sie wichtig sind und daß sie in Notfällen wie Trennung sich organisieren können. Es gibt bereits eine ganze Reihe von Organisationen: Das reicht vom größten Verband, dem "Verein der Alleinerziehenden Mütter und Väter" (VAMV), über den "Väteraufbruch", den "Väternotruf", "paPPa.com", den "Interessenverband der Unterhaltsgeschädigten" bis hin zur "Initiative der Jugendamtsgeschädigten". Und gegen das Klischee vom verantwortungslosen Vater steht ein Trend: Alleinerziehende Väter sind die am schnellsten wachsende Familienform in Deutschland. Bereits ein Fünftel aller Alleinerziehenden sind Männer. Die Rückkehr des verlorenen Vaters hat natürlich damit zu tun, daß immer mehr Frauen außerhäusliche Karrieren verfolgen wollen. Aber dieser Trend hatte immerhin das Recht gegen sich. Arbeiten müssen die Männer dennoch an ihrem Ruf. Das Klischee von den "Schattenvätern" hat ja nicht umsonst damit zu tun, daß etwa die Hälfte der unterhaltspflichtigen Väter spätestens ein Jahr nach der Scheidung oder Trennung abtaucht und der Kontakt zu den Kindern abbricht. Vielleicht ändert sich das künftig mit der Gesetzgebung oder Rechtsprechung. Für die Kinder wäre es gut.