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03.05.03 / "... er geht nicht unter!" / Essay: Die These der Siegermächte zur notwendigen Zerstörung Preußens war falsch!

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Mai 2003


"... er geht nicht unter!"
Essay: Die These der Siegermächte zur notwendigen Zerstörung Preußens war falsch!

Was war Preußen und was ist es heute ? Wer hat Preußen vorgeblich den "Sargnagel" verpaßt, und hat Friedrich II. wirklich nur durch Militär und Krieg herrschen können? Ist Preußen auch heute noch Deutschlands Schicksal - seine Zukunft? Was hat uns dieser Staat, die Menschen, seine Fürsten und Könige, heute zu sagen?

In loser Folge will die Redaktion ihrer Preußischen Allgemeinen Zeitung / Das Ostpreußenblatt diesen Fragen nachgehen. Dr. Heinz Burneleit und Uwe Greve haben in der Schriftenreihe der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung Schleswig-Holstein zu Preußens Geschichte und Zukunft folgendes publiziert:

1) Als die Siegermächte im Kontrollratsgesetz 1947 für Preußen den letzten Sargnagel einschlugen, war dies Genugtuung auch für sehr viele Deutsche. 1950 fand in Preußens alter Königsresidenz Potsdam eine Kundgebung der Sozialistischen Einheitspartei statt, auf welcher dem "Geist von Potsdam" noch einmal symbolisch der Garaus gemacht werden sollte. August Winnig, christlich konservativer Politiker und Schriftsteller, beschrieb in Bischof Liljes Sonntagsblatt, was sich ereignete:

"Das war also am 1. August. Da sollte in Potsdam eine Großkundgebung stattfinden. Zu einer Großkundgebung gehört, wir wissen das noch aus alten Zeiten, ein ausreichender Anlaß, ein fortreißender Wille und ein Höhepunkt von dramatischer Wucht. Die Potsdamer haben viele Großkundgebungen kennengelernt und sind also nicht ungeübt. Wer ihnen auf diesem Gebiet imponieren will, muß ihnen etwas bieten. Das nun sollte hier geschehen.

Und so marschierten sie auf, die bei Großkundgebungen zu marschieren haben: die Behörden ohne jede Ausnahme, alle Gliederungen der Partei, jung und alt, Mann und Weib, alle Werktätigen des Hirns und der Faust und die Schulen. Ja, insbesondere die Schulen, denn wer die Jugend hat ... Im Lustgarten und auf der Langen Brücke, an den Ufern der Havel und so dort überhaupt jemand stehen konnte, standen die Massen dicht aufmarschiert und scharf ausgerichtet.

Alle Blicke galten einem großen schwarzen Sarg, der hart an der Mauerkante stand und dem diese Bemühung galt. In ihm ruhte der Geist von Potsdam, wie eine weiße Aufschrift anzeigte. Dieser Geist von Potsdam, von dem Unkundige annahmen, er sei längst mit Stumpf und Stiel ausgerottet und erledigt, sollte nunmehr endgültig verschwinden; und zwar sollte er in den Fluten der Havel versenkt werden. Um dieses Ende zu sichern, hatte man den Sarg mit Trümmerschutt gefüllt. Man hatte ja reichlich davon. Der feierliche Akt wurde durch eine Rede des Oberbürgermeisters eingeleitet.

Von dieser Rede heißt es, sie sei eindrucksvoll gewesen und habe die aufmarschierten Massen tief ergriffen. Aber das ist nichts Besonderes; Reden bei Großkundgebungen pflegen das immer zu tun, und wie hätte es hier anders sein können, wo dieser Geist von der Last seiner Schandtaten endlich und endgültig ins ewige Vergessen herabgezogen würde!

Danach wurde der Sarg der Havel überantwortet. Man machte wenig Umstände mit ihm, er wurde einfach hineingestoßen. Nun war eigentlich alles gut. Aber siehe da: der Sarg sank nicht. Sowie er von seiner Unterlage entfernt wurde, gab der Sargboden nach, der Trümmerschutt sank zwar, aber der Sarg schwamm frech, als wäre gar nichts mit ihm geschehen, auf dem ruhigen Havelwasser dahin.

Es ist anzunehmen, daß alle Stimmbänder schon gespannt waren, um in den bei Großkundgebungen üblichen ungeheuren und endlosen Jubel auszubrechen. Das geschah denn auch. Aber dieser Jubel galt nicht dem versenkten Geist von Potsdam, sondern dem schwimmenden! Tausende riefen: Er geht nicht unter! Er geht nicht unter! Das sahen sie vor ihren leiblichen Augen, und die Rufer stellten nur diesen offenbaren Tatbestand fest. Der schwimmende Sarg wurde wieder eingefangen, aber den Geist fand man nicht mehr ..."

2) Durch Kontrollratsbeschluß Nr. 46 vom 28. Februar 1947 wurde der Staat Preußen für aufgelöst erklärt. Die alliierten Sieger des Zweiten Weltkrieges hielten eine solche Maßnahme für notwendig, aber auch für rechtlich möglich.

Eine rückblickende Erörterung dieses Beschlusses muß seine Ursachen aufzeigen, die nicht in der preußischen Geschichte zu suchen oder gar zu finden sind, die sich vielmehr vorwiegend als das Ergebnis der Propaganda in zwei Weltkriegen ausweisen. Dies klarzustellen ist geboten, nachdem viele Jahrzehnte seit dem Auflösungsdekret vergangen sind.

Zwei Weltkriege haben vieles zunichte gemacht, was Bauern und Bürger, Mönche und Ritter, was Orden und Hanse, deutsches Recht und europäische Baukunst in tausendjährigem Mühen im Osten Europas geschaffen hatten.

In seinem Zukunftsbild des Jahres 1990 "Der Kaiser von Amerika" legte Bernhard Shaw dem amerikanischen Gesandten in London die Frage in den Mund, ob unter Deutschland die mehr oder weniger bolschewisierten Sowjetrepubliken zwischen Nordsee und Ural zu verstehen seien. Diesem Zustand kam die Wirklichkeit jahrzehntelang sehr nahe. Die Ostsee, einst ein stark von Deutschland geprägtes Meer von Lübeck bis Narwa, wurde zu einem sowjetischen Binnenmehr von Narwa bis hart vor die Tore Lübecks.

Es bleibt der Ironie der Weltgeschichte vorbehalten, daß die Auflösung des Staates Preußen durch den Kontrollrat just gegen die Bedenken der Macht erfolgte, deren politisches Fernziel die Linie Lü-beck-Triest war. Aber was für die eine Seite die Erfüllung eines kaum geglaubten Wunschtraumes bedeutete, sollte sich für die andere alsbald als handfeste Illusion erweisen. Die Hoffnung, daß die Weltgeschichte sich auf dem Status quo zur Ruhe setzen würde, bleibt nichts als ein Traum. Die These von der vermeintlichen Notwendigkeit der Zerstörung Preußens zur Sicherung des Völkerfriedens hat sich vor dem Hintergrund der Kriege in Korea, Vietnam, Nahost und Dutzender weiterer Brandherde, des Opferganges vom 17. Juni 1953, des grausigen Totentanzes des ungarischen Freiheitskampfes, der Unterdrückung des Prager Frühlings sowie dutzendweise explodierender Atom- und Wasserstoffbomben zur Perfektionierung zukünftiger Massenvernichtung als eine geschichtswidrige Floskel erwiesen, die damals noch ausreichen mochte, die Begleichung einer alten Forderung der Sieger zu verschleiern. Heute kann uns das Plädoyer eines Nürnberger Anklagevertreters, daß "die Verfasser der Satzungen dieses Gerichtshofes einen Präzedenzfall geschaffen hätten, der gegen alle, sie selbst einschließlich, wirksam sei", allenfalls ein bedauerndes Lächeln entlocken. 3) Bereits in der wenig bekannten Mantelnote zum Versailler Diktat vom 16. Juni 1919 hatte es geheißen: "Die ganze Geschichte Preußens ist durch den Geist der Beherrschung, des Angriffs und des Krieges charakterisiert. Hypnotisiert durch den Erfolg, mit welchem Bismarck, der Tradition Friedrichs des Großen folgend, die Nachbarn Preußens beraubte und die deutsche Einheit durch Blut und Eisen schmiedete, unterwarf sich das deutsche Volk nach 1871 vorbehaltlos dem Einfluß der Führerschaft seiner preußischen Herren." Diese geschichtsverzerrende Negativierung großer Gestalten der deutschen Geschichte läßt sich unschwer als Vorlage für das Anklageschema von 1947 erkennen: "Der Staat Preußen, der von jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland gewesen ist, hat in Wirklichkeit zu bestehen aufgehört. Geleitet vom Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit der Völker und erfüllt von dem Wunsche, die weitere Grundlage zu sichern, erläßt der Kontrollrat das folgende Gesetz ..." Wir schrieben das Jahr 1962. Dunkle Wolken warfen ihre Schatten auf eine verängstigte Menschheit. Wird Berlin eine freie Stadt bleiben? Lautete die bange Frage. Man mag es ein blindes Walten des Zufalls nennen: Mit der 250. Wiederkehr des Geburtstages Fried-richs des Großen am 24. Januar und dem 15. Jahrestag der willkürlichen Auflösung Preußens am 25. Februar 1962 meldete sich die Geschichte wieder zu Wort. Ausgerechnet die Mächte, die für jenes Kontrollratsdekret verantwortlich waren, traten jetzt für die Sicherheit der Freiheit der preußischen und deutschen Hauptstadt ein - Symbol eines ersten Aktes geschichtlicher Wiedergutmachung an dem so oft gelästerten Staat Preußen.

"Schon die außerordentlichen Leistungen etwa Friedrichs des Großen, des langjährigen Verbündeten der englischen Krone, und Bismarcks, der den Frieden länger erhielt, als der Friede zwischen den beiden Weltkriegen dauerte, werden im Inland und Ausland moralisch in Frage gestellt, und viele Deutsche zögern, die Größe dieser Männer anzuerkennen, werden sie doch meistens in einer leichtfertigen Weise nur zu Vorläufern Adolf Hitlers herabgewürdigt."

Wie sehr der liberale Karl Georg Pfleiderer mit diesen mutigen, 1951 vor englischen Zuhörern in London getroffenen Feststellung recht hatte, zeigte ein im Frühjahr 1961 erschienener redaktioneller Kommentar einer deutschen Zeitung "Zum Prozeß gegen Eichmann". Hierin hieß es: "Fleiß, Arbeitsamkeit, Disziplin, Pflichterfüllung - das waren unsere höchsten Ideale seit dem Alten Fritz.

Nicht aber Menschlichkeit, Freiheit, Brüderlichkeit, Duldsamkeit, Fairneß, Lebens- glück und Intelligenz. Hierüber, also über richtige und falsche Leitbilder unserer Geschichte und unserer Erziehung, nachzudenken, sollte alle Deutschen der Eichmann-Prozeß anregen." Friedrich der Große der geistige Ahnherr eines Adolf Eichmann? Clemenceau hat auch dem Verfasser dieses Kommentars die richtige Antwort gegeben:

"Die Deutschen kennen keine Mittellinie, sie sind maßlos. In guten Tagen verherrlichen sie ihre Ideale bis zur Selbstaufopferung, nach der Niederlage beschmutzen sie ihr eigenes Nest, nur um uns zu gefallen."

(Die Publikation umfaßt insgesamt 30. Einzelpunkte, die wir Ihnen in den nächsten Ausgaben unserer Zeitung vorstellen wollen)