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03.05.03 / Panzerbauer müssen kooperieren / Die Krise der europäischen Militärindustrie

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Mai 2003


Panzerbauer müssen kooperieren / Die Krise der europäischen Militärindustrie
von Karl-P. Gerigk und Pierre Campguilhem

Die Krise der französischen Mili-tärindustrie veranlaßt Frank-reichs Regierungsbehörden, jetzt Maßnahmen zu ergreifen, die inländische Verteidigungsindustrie zu öffnen. Dies betonte die französische Verteidigungsministerin, Michèle Alliot-Marie, eine enge Vertraute von Staatsoberhaupt Jaques Chirac, in einem Mitte April dem Massenblatt Aujourd'hui gewährten Interview. Anlaß war die Krise des Rüstungsfirma "GIAT Industries". Ziel der Regierung sei es, daß GIAT Industries 2006 wieder rentabel werde, während derzeit ein Abbau von 60 Prozent ihrer Belegschaft, das heißt, 3.750 Stellen, erwogen wird. Dieser Abbauplan ist der sechste innerhalb von zehn Jahren. Laut Le Monde beträgt das Defizit von GIAT vier Milliarden Euro, davon sind alleine 1,3 Milliarden durch den Bau des Kampfpanzers "Leclerc" verursacht worden.

Nach Ansicht des Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses der Nationalversammlung, des Chiracianers Guy Tessier, handelt es sich zunächst darum, "die Flucht nach vorn zu stoppen". In Paris wollen Beobachter nicht ausschließen, daß nach der Krise von GIAT, die als öffentliche Anstalt für die Bewaffnung Frankreichs zuständig ist, ein anderes Desaster bei der "Direction des Constructions Navales" (DCN) ans Licht kommt. Die Militärindustrie Frankreichs wurde während des kalten Krieges aufgebaut und leidet seit 1991 an einem stetigen Auftragsrückgang wegen der Stornierung zahlreicher Waffenverträge. Zum Beispiel wurde 1990 vorgesehen, daß Frankreich seinem Heer 1.400 "Leclerc" beschaffen würde, was 1991 auf 650 und 1996 auf 406 reduziert worden ist.

Im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland bleibt Frankreich ein bedeutsamer Waffenexporteur, sicherlich weit nach den USA, allerdings im gleichen Umfang wie Großbritannien. Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Ende der Sowjetunion erlag Frankreich der Versuchung, Ersatzmärkte im östlichen Mittelmeer zu umwerben. Die traditionelle proarabische Politik der Fünften Republik sollte auch dazu beitragen, französische Waffensysteme dorthin zu verkaufen.

Der einzige nennenswerte Ver-trag, den GIAT für den Kampfpanzer "Leclerc" außerhalb Frankreichs zu verbuchen vermochte, wurde 1993 mit den Vereinigten Arabischen Emiraten abgeschlossen. Es ging um ein Volumen von umgerechnet drei Milliarden Euro, das die Lieferung von 436 Panzern beinhaltete.

Die Bestimmungen waren aber so ungünstig ausgehandelt worden, daß zehn Jahre nach seinem Abschluß dieser Vertrag einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro für den Panzerbauer bedeutet hat. Hoffnungen, diesen Verlust durch andere Verträge mit zum Beispiel Griechenland, der Türkei oder Saudi-Arabien auszugleichen, wurden enttäuscht, so daß der regierungsnahe Figaro konstatierte, der Kampfpanzer "Leclerc" habe das Fiasko von "GIAT Industries" beschleunigt.

Gemäß dem Vertreter der linken CFDT ("Confédération Francaise du Travail") im GIAT-Betriebsrat wäre es also angebracht, buchhalterisch den vom Geschäft mit den Emiraten verursachten Verlust zu isolieren, um eine bessere Bilanzdarstellung der Firma zu bekommen. Wie dem auch sei, es ist zu bezweifeln, daß GIAT Industries ohne andere Kooperationsverträge überleben kann.

Es sieht so aus, als hätten sich die offiziellen Kreise Frankreichs und die Verteidigungsministerin das Vorbild der "EADS" zu eigen gemacht, daß die europäische Luftfahrtmilitärindustrie - zumindest auf dem Kontinent - stark beeinflußt. EADS ist ein Privatkonzern, der aus der Zusammenarbeit der deutschen DASA, des französi-schen "Aèrospatiale" und des spanischen CASA entstanden ist. Er unterhält Verbindungen zu den britischen BAe Systems. Sicher bleibt immerhin, daß das Zustandekommen einer Allianz zwischen GIAT-Industries und ihrem Hauptkonkurrenten, der deutschen Rüstungs- firma Krauss-Maffei (die den Kampfpanzer Leopard II baut), unbürokratisch erfolgen müßte.

Die europäische Anstalt für eine Zusammenarbeit der Firmen der Verteidigungsindustrie OCCAR (mit Sitz in Bonn) scheint in diesem Zusammenhang derzeit mehr verwaltungstechnisch als kaufmännisch orientiert zu sein, was die amerikanische Industrie bevorzugt. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung es kürzlich notierte, sei es höchste Zeit, daß eine leistungsfähige Militärindustrie in Europa aufgebaut wird.