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03.05.03 / Kulturgeschichte: "Stimmen der Völker"

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. Mai 2003


Kulturgeschichte: "Stimmen der Völker"
John Meier, Herder und das Deutsche Volksliedarchiv

In einer Jugendstilvilla im beschaulichen Freiburg gibt es eine Einrichtung, die für alle früheren und heutigen deutschsprachigen Gebiete rund um den Globus von kultureller Bedeutung ist: das Deutsche Volksliedarchiv (DVA).

Nach der Gründung durch den Bremer Volkskundler John Meier (1864-1953) im Jahre 1914 und dem Wegfall der einst zahlreichen regionalen Volksliedarchive - diese gab es u. a. in Schlesien, Sachsen, Bayern und Hessen, aber auch in der Batschka, der Gottschee oder in Rußland - ist das DVA heute die zentrale deutsche Sammel- und Forschungsstelle.

Hier konnten eine Unmenge von Liederbüchern sowie schätzungsweise über eine halbe Million Aufzeichnungen und Liednachweise zusammengetragen werden. Es wird alles gesammelt, was unter dem weit gefaßten Begriff ‚Volkslied' subsumiert werden kann. Schon John Meier bemerkte zu Recht, daß es sich bei Volksliedern in erster Linie um aufgegriffene Kunstlieder handelt. Volkslieder können Brauchtumslieder, Heimatlieder, Trinklieder, Spott- und Scherzlieder, Tanzlieder, Wiegen- und Kinderlieder, Arbeiterlieder, politische Lieder aller Art, Liebeslieder usw. sein.

Der umfassende Sammelbegriff ist wesentlich jünger als die durch ihn bezeichnete Erscheinung. Geprägt wurde er von dem ostpreußischen Theologen und Sprachphilosophen Johann Gottfried Herder (1744-1803) in seinen 1777 verfaßten Blättern "Von deutscher Art und Kunst".

Herders Begriff ist eine Lehnübersetzung aus dem Englischen ("popular song") bzw. Französischen ("chanson populaire"). Zunächst verstand der große Ostpreuße unter Volksliedern die Lieder "wilder" Völker, d. h. Lieder mit dem Charakter des Urwüchsigen, sodann die Lieder der Unterschichten zivilisierter Völker und schließlich volkstümliche Kunstlieder, die Sprache und Inhalt der Volksdichtung nachahmen.

Im Jahre 1778/79 veröffentlichte Herder eine Volkslieder-Sammlung, die später unter dem Titel "Stimmen der Völker in Liedern" Berühmtheit erlangte.

Volkslieder waren für Herder jene Lieder, die die Denkart und nationale Eigenart eines Volkes, aber auch das Natürlich-Menschliche überhaupt zum Ausdruck bringen. Mit seiner Begeisterung für die freie, schöne, naturhafte Vollkommenheit des Liedes wandte er sich gegen den aufgeklärten Gedanken von absolut meßbaren Normen. Das Beste aus den Überlieferungen der Völker sollte ausgewählt werden als Vorbild für eine volksverbundene, lebensnahe Dichtung, nicht um es in Form und Sprache nachzuahmen, sondern damit "innerer Geist, innere Bearbeitung" des Liedes daraus gelernt werden könnten.

Es ging Herder also nicht um eine Rückkehr zu früheren Stufen oder um bloße Nachahmung, sondern um eine Weiterentwicklung durch produktive Aufnahme des Wertvollsten aus der Geschichte.

Einen durchschlagenden Erfolg brachte Herders Aufruf zum Sammeln von Volksliedern ab Anfang des 19. Jahrhunderts, als Achim von Arnim und Clemens Brentano 1805-08 ihre Edition "Des Knaben Wunderhorn" veröffentlichten. Weitere wichtige Volksliedsammlungen verdanken wir Ludwig Uhland, mit dem die wissenschaftliche Erforschung dieser Gattung begann, Ludwig Erk und Hoffmann von Fallersleben.

Dessen "Schlesische Volkslieder" (1842) stehen am Anfang einer Welle von regionalen Volksliedsammlungen. In diesem Zusammenhang sollte erwähnt werden, daß das DVA eine Reihe "Landschaftliche Volkslieder" herausgegeben hat (neben vielen anderen Überlieferungsgebieten sind Schlesien, Masuren, das Sudetenland, Mittelpolen, Südungarn und das Banat vertreten).

Egal ob man gezielte Suchinteressen verfolgt oder einfach nur in den reichhaltigen und vielfältigen Beständen schmökern möchte, ein Besuch im Deutschen Volksliedarchiv ist nachdrücklich zu empfehlen. Annette Hailer-Schmidt

Deutsches Volksliedarchiv, Silberbachstr. 13, 79100 Freiburg i. Br., Tel.: 0761/70503-0, Internet: www.dva.uni-freiburg.de  



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