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10.05.03 / Die PDS im Cliquenkampf / Ein "Klüngel von Berufsfunktionären" im Abwärtstrend

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. Mai 2003


Die PDS im Cliquenkampf
Ein "Klüngel von Berufsfunktionären" im Abwärtstrend
von Fritz Schenk

Die "Einheit der Partei", das war während der totalitären kommunistischen Herrschaft das heiligste aller Heiligtümer. Seit Lenin und Stalin, und über alle ihre Nachfolger und Epigonen in den ehemaligen Satellitenparteien und -staaten hinweg, wurde nichts mit schlimmerer Brutalität verfolgt, als von der vorgegebenen Sprachregelung abweichende Äußerungen oder gar Gruppenbildungen, die sich als innerparteiliche "Fraktionen" abstempeln ließen. Millionen von "Abweichlern" haben selbst gutgemeinte, harmlose - aber eben nicht wortwörtlich die gestanzten dogmatischen Texte wiedergebenden - Formulierungen das Leben gekostet. Die SED unter ihren Führern Ul-bricht und Honecker war da ei- nes der widerwärtigsten und abschreckendsten Beispiele.

Das ist Vergangenheit. Auch für die SED-Fortsetzungspartei PDS. In keiner anderen deutschen Partei herrscht gegenwärtig soviel Hickhack - und zwar sowohl was die politischen Inhalte als auch was das Personelle betrifft - wie in der PDS. Das sollte eigentlich verwundern. Im Grunde herrschen national wie international jene Zustände, welche der auf dem Marxismus/Leninismus gründende Sozialismus als "historische Gesetzmäßigkeit" beschreibt.

In Stalins letzter großen Schrift, welche von den Altkadern der PDS als der gesellschaftspolitischen Weisheit letzter Schluß gefeiert, auswendig gelernt und immer und immer wieder nachgebetet worden war, heißt es über das "Grundgesetz des monopolistischen Kapitalismus": "Sicherung des kapitalistischen Maximalprofits durch Ausbeutung, Ruinierung und Verelen- dung der Mehrheit der Bevölkerung des gegebenen Landes, durch Versklavung und systematische Ausplünderung der Völker anderer Länder, besonders der zurückgebliebenen Länder, und schließlich durch Kriege und Militarisierung der Volkswirtschaft, die der Sicherung von Höchstprofiten dienen". Trifft das nicht den Nagel auf den Kopf? Ist das nicht die "geniale" Beschreibung der Zustände unserer Gegenwart, die auch 50 Jahre nach ihrer Niederschrift noch Gültigkeit hat? Wieso das Gezeter in der PDS um ein neues Parteiprogramm, wo doch seit dem "größten Genius der Menschheit" nicht Neues - und schon gar nicht Besseres - mehr gesagt werden kann?

Genau da liegt der Hase im Pfeffer. Auf der einen Seite gerät, gerade mal zehn Jahre nach dem Zusammenbruch des einmal real gewesenen Sozialismus, der "monopolistische Kapitalismus" weltweit in eine neue Krise. Es herrschen Massenarbeitslosigkeit, Notlage der Sozialsysteme, Lehrstellenmangel, leere öffentliche Kassen, Notstand im Gesundheitswesen, sogar Krieg in einem Entwicklungsland - und, und, und! In den übrigen Parteien und bei den Gewerkschaften opponieren die linken und Arbeitnehmer-Flügel gegen "geplanten Sozialabbau" - und die PDS wird nicht wahrgenommen, ist abgetaucht in innerparteiliche Cliquenkämpfe und gesellschaftstheoretische Programmdebatten! Ein Programm-Parteitag im Herbst und kurzfristig noch im Juni ein Sonderparteitag zur Neubesetzung der Führungsgremien werden gefordert und teilweise schon vorbereitet. Das alles ist begleitet von internen wie in die Öffentlichkeit getragenen Auseinandersetzungen unter jenen Funktionären, die wenigstens noch einen gewissen Bekanntheitsgrad haben. Wenn dabei überhaupt etwas real Faßbares zu erkennen ist, dann die allseitige Kritik an der Parteivorsitzenden Zimmer, der unisono Führungsschwäche vorgeworfen wird. An ihr hauptsächlich soll es liegen, daß die PDS zu einer bedeutungslosen Splittergruppe abgesunken ist.

Die Gründe für den Absturz der PDS liegen auf der Hand. Sie hat vor allem das Abtauchen ihres Medienmatadors Gregor Gysi nicht verkraftet. Sie ist ohne Sprachrohr. Das dürfte auch ein wesentlicher Grund dafür gewesen sein, daß sie bei der letzten Bundestagswahl unter die Fünf-Prozent-Hürde gerutscht ist. Ohne das Podium Bundestag mit ihrem schlagfertigen Dauerredner Gysi wird sie nicht mehr wahrgenommen. Auf zwei Stühlen (sogar noch ohne Klapptische, die ihnen die Bundestagsordnung versagt) sitzen ihre beiden "Abgeordne/tinnen", der Fraktionsstatus ist dahin, das komfortable Fraktionsbüro, mit rund 160 (nach Regeln des Öffentlichen Dienstes) honorig bezahlten Helfern und mit allen sonstigen materiellen und technischen Vergünstigungen der Bundestagsbürokratie, mußte geräumt werden. Das war für die PDS auch ein schwerer finanzieller Schlang.

Der zweite Grund liegt im Streben der PDS nach Mitbeteiligung an der realen Macht. In die Landtage von Schwerin und Berlin hat sie sich durch Anbiederei an die SPD förmlich hineingedrängt. Nun regiert sie ausgerechnet dort mit, wo die größten Probleme drücken: Überschuldung, Überbürokratisierung, größte Abhängigkeit vom Bund, kaum eigene Gestaltungsmöglichkeiten. Vor allem in Berlin hat sie jenen "Abbau" vieler liebgewordener Einrichtungen und Posten mitzutragen, gegen den sie ansonsten mit allen Mitteln anrennen würde.

Diesen realen Problemen der neuen Industriegesellschaft in der globalisierten Welt ist aber mit den verstaubten Theorien von Marx und Stalin nicht beizukommen. Daraus erklärt sich der Riß, der die PDS durchläuft. Ihr personelles Rückgrat sind nach wie vor die Altkader aus der SED. Mit ihnen ist die PDS nicht im wiedervereinigten Deutschland angekommen. Bei der jüngeren Generation findet sie weder Anklang noch Zulauf in den jungen Bundesländern, und in den alten erst recht nicht. Dort hat sie nicht einmal unter Altkommunisten Fuß faßen können und stagniert bei Wahlen mit weniger als einem Prozent. In westdeutschen Kommunen spielt sie überhaupt keine Rolle - und wo sie in den östlichen Bürgermeister oder Landräte stellt, handelt es sich meist um Personen, die zwar auf PDS-Listen kandidieren, ansonsten aber wenig mit der Partei und kaum etwas mit den ideologischen Grundsatzdebatten am Hut haben. So schmort der Klüngel von Berufsfunktionären, die in ihrem Leben nie einen auf rentablen Erwerb ausge-richteten Beruf ausgeübt haben, im eigenen Saft und macht sich selber überflüssig.