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10.05.03 / Katastrophe in Ponarth

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. Mai 2003


Katastrophe in Ponarth
von Wilhelm Lissautzki

Wir wohnten in dem Königsberger Vorort Ponarth in der Ponarther Straße. Dem Haus mit der Nummer 62 gegenüber war der Pechteich. Ein ziemlich großer, von der Brauerei Ponarth künstlich auf geneigtem Gelände angelegter Teich. Dieses Gewässer diente der Brauerei zur Aufnahme des warmen, etwas öligen Kühlwassers von Maschinen und zur Gewinnung von Eis für die Kühlung.

Wenn das Eis bei starkem Frost dick genug war, etwa 15 bis 20 Zentimeter, kamen die Leute der Brauerei und hackten und sägten die Eisdecke in Schollen, die dann per Eisaufzug in einen großen Schuppen befördert wurden. Wenn die Schollen noch groß genug waren, riskierten wir es, von Scholle zu Scholle zu springen, was nicht ungefährlich war, denn sie brachen leicht, und man konnte schnell ausrutschen und dann ins kalte Wasser fallen. Wir wagten es aber immer wieder.

Dieser Teich hatte es aber auch im Sommer in sich. Er war ein wie für uns Kinder besonders geschaffener Spiel- und Tummelplatz. Zum einen konnten wir in einer hölzernen, ziemlich großen Kastenrinne, die innen schon stark Moos angesetzt hatte, in dem warmen, etwas öligen Kühlwasser herrlich entlangrutsch-ten, und zum anderen konnten wir von der Rinne schön ins Wasser springen und sogar tauchen. Dort habe ich auch schwimmen gelernt. Es war einfach toll. Wir spielten auch gern am Ufer des Teiches, unserem Haus gegenüber, dessen Böschung durch eine unten stehende Weißdornhecke zur Straße hin abgesichert war.

Bis wir dann eines schönen Tages eine "Katastrophe" herbeiführten. Beim Spielen im Wasser bildete sich unbeabsichtigt eine kleine Rinne zur Böschung hin. Zunächst machte es uns Spaß zuzusehen, wie ein bißchen Wasser durch die Rinne die Böschung hinunterfloß. Wir prokelten in der Rinne, machten kleine Dämme und fanden alles ganz lustig. Als die Rinne dann aber immer breiter und tiefer wurde, bekamen wir es allmählich doch mit der Angst zu tun. Wir konnten die Rinne nicht mehr verstopfen. Aus der kleinen Rinne wurde ein Bach. Ganz aufgeregt liefen wir weg.

Das Wasser schoß nun schon in großer Breite den Hang herab auf die Ponarther Straße und weiter hin zur Wiesen- und Werkstättenstraße, die zum Teil unterspült wurden. Ein großer Schreck durchfuhr uns. Was hatten wir da bloß angerichtet? Aber zum langen Nachdenken kamen wir nicht. Die schnell alarmierte Feuerwehr rückte an. Mit Pfählen, Bohlen, Plastersteinen und Stroh versuchten die Männer, die große Bresche in der Böschung zu stopfen. Es half alles nicht viel. Fast der gesamte Teich lief aus.

Da hatten wir Kinder nun die Bescherung! Es gab Schimpfe zu Hause und Tränen und Enttäuschung. Die Brauerei reagierte bald. In Kürze ließ sie am Fuß der Böschung eine hohe Betonmauer mit Stacheldraht errichten und dann später auch den Teich wieder voll laufen. Das Wasser zog uns Kinder immer wieder an. Nun kletterten wir eben von der anderen Seite - wo die Tannenwiese war - die Böschung hoch und gingen von dort ins Wasser zum Schwimmen.

Eines Tages entdeckten wir auf dem Grund des Teiches ein Boot. Na, das war was für uns. Die Älteren schmiedeten einen Plan, das Boot herauszuholen. Gedacht, getan. Mit einem langen starken Seil mit kräftigen Haken tauchte ein guter Schwimmer hinunter, befestigte den Haken am Boot, und als er auftauchte, zogen wir alle mit voller Kraft das Boot ans Ufer. Hurra! Wir haben es! Aber wie sah es aus? Total verschmutzt, mit Algen bewachsen und undicht. Das war aber kein Problem für uns. Mittels Schrubbern, Spachteln und Dichtungsmasse hatten wir es nach ein paar Tagen sauber und dicht. Der Taucher und ein paar größere Jungen machten die Jungfernfahrt über den ganzen Teich. Und dann durften wir kleineren Kinder auch mal mitfahren. Das Bootfahren war nun für uns Jungen zum Dauerspaß geworden.