Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. Mai 2003 |
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Reformer im Gegenwind Wer kann Deutschland aus der Krise führen? von Jürgen Liminski Man kann die Kritiker Schröders verstehen. Im SPD-Wahlprogramm, das ja noch nicht mal ein Jahr alt ist, stehen Sätze wie: "Deswegen wollen wir im Rahmen der Reform der Arbeitslosen- und Sozialhilfe keine Absenkung der zukünftigen Leistungen auf Sozialhilfeniveau." Oder: der Kündigungsschutz gelte auch für kleinere Betriebe mit mehr als fünf Beschäftigten, und bei der Gesundheitsfürsorge "bleibt richtig" die "paritätische Finanzierung der Krankenversicherung durch Arbeitnehmer und Arbeitgeber". Mit diesem Programm, der Oderflut und der Angst der Deutschen vor Krieg - wo auch immer - hat Schröder die Wahl gewonnen. Die Oder fließt wieder ruhig dahin, den Irak-Krieg hat auch das Votum der Deutschen nicht verhindern können, und jetzt stehen die Deutschen erneut vor den hausgemachten Problemen der wachsenden Arbeitslosigkeit und des unbezahlbaren Sozialstaats. Bis in den Sommer des vergangenen Jahres hatten die Deutschen zur Lösung dieser Probleme der Union die höhere Kompetenz zugesprochen. Dieser Kompetenz bedient sich der wiedergewählte Kanzler. Er wirft das SPD-Programm über den Haufen und tut das Gegenteil, bei der Reform der Arbeitslosen und Sozialhilfe ebenso wie beim Kündigungsschutz oder bei der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung, um nur die markanten Streitpunkte zu nennen. Dafür erntet er Pfiffe und Buhrufe. Das ist nur logisch. Aber Schröder wird auf dem Parteitag Anfang Juni eine Mehrheit hinter sich scharen können. Es fehlt einfach die Alternative. Clement wäre nur eine personelle Alternative, keine inhaltliche, und außerdem fehlt ihm angeblich der berühmte Stallgeruch der SPD. Den hat Lafontaine verloren, weil er mit seinem brutalen Rücktritt vor vier Jahren die Partei im Stich ließ. Seitdem parfümiert er sich durch Artikel in BILD oder WELT am Sonntag mit dem bei den Genossen verhaßten Springer-Duft. Er wäre inhaltlich eine Alternative, aber nicht personell. Also werden die Genossen die Kröten schlucken. Vielleicht gelingt es, die zaghafte Reformagenda 2010 hier und da noch etwas zu verwässern. Den Kurswechsel hart am Gegenwind selbst wird es nicht ändern. Das Herumwerfen des Ruders hat auch andere Folgen. Deutsche Parteien segeln immer in einer Regatta. Mit dem Kurswechsel nimmt die Troika Schröder-Scholz-Müntefering der Union Wind aus den Segeln. Dort wird jetzt viel mit Papier geraschelt. Wolfgang Schäuble hat ein Konzept zur Außenpolitik vorgelegt, das Wege in das 21. Jahrhundert aufzeigt, aber zehn Monate zu spät kommt. Laurenz Meyer und Erwin Huber schreiben über die Verantwortung von Bund und Ländern gegenüber den kommunalen Finanzen. Auch nicht schlecht, aber allenfalls im bayerischen Wahlkampf brauchbar. Der CDU-Bundesvorstand will bei einer Klausur in der zweiten Junihälfte über die Sozialreformen diskutieren, und dabei wird vermutlich das neueste Papier von Partei-Vize Böhr zur Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Krise in Deutschland erörtert. Vielleicht liegt dann schon ein Entwurf der eigens dafür eingerichteten Herzog-Kommission vor. Das könnte man dann auch diskutieren. Wenn Herzog bis dahin nicht alles hingeschmissen hat, weil ihn die Papiereschreiberei in der Union entnervt hat. Es fehlt der Union nicht an Köpfen und Kompetenz zur Erarbeitung von Konzepten. Es gibt eher zu viele als zu wenige. Es geht auch nicht um die innere Stimmigkeit der Konzepte. Herzog hat recht, wenn er vor dem Schicksal der Rürup-Kommission warnt, in der auch viel Kompetenz versammelt ist, die aber durch zuviel Druck aus der Politik und zuviel Eitelkeit einzelner Herren den Blick auf das Wesentliche verloren hat. In der jetzigen Notsituation Deutschlands ist zweierlei gefordert: Kurzfristiges Handeln und langfristiges Denken. Beides darf sich nicht gegenseitig behindern. Böhr schreibt richtig, "Politik ist der Brückenschlag von der Hypothese (der Wissenschaft) zum Imperativ (der Entscheidung). Es ist an der Zeit, diesen Brückenschlag zu vollziehen. Jetzt." Ob Böhrs Papier allerdings dazu dient, ist fraglich. Er pflegt damit eher das Image des intellektuellen Autisten in der Partei. Herzog wird sich bedanken. Außerdem: Gerade die Wahlen im September haben gezeigt, daß in den komplizierten Gesellschaften von heute kurzfristig wirksame Faktoren und Entscheidungen wichtiger sind als langfristig wahrnehmbare Kompetenzen. Wir leben in einer populistischen Ära, wir befinden uns "in der Falle des Kurzzeitdenkens", wie die Neue Zürcher Zeitung richtig analysiert. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac hat es, in der bitteren Zeit der Kohabitation mit dem Sozialisten Jospin, einmal so ausgedrückt: "Die Aufgabe der Opposition ist es, die Regierung abzuschminken, während die Vorstellung läuft." Zur Zeit führt die Regierung ihr Stück "Reform der Hasenfüße" auf. Da sollte man nicht nur hinter den Kulissen mit Papieren rascheln. Man muß Widersprüche aufzeigen, sagen, was falsch ist, wie man es besser machen kann, und was man schon jetzt tun will. Die Sachkompetenz braucht, wie die Wissenschaft und die Erfahrung des 22. September inzwischen nachgewiesen haben, auch die kommunikative Kompetenz, sprich die personell überzeugende Alternative. Auch hier hat die Union einiges zu bieten: Merkel, Koch, Wulff, um nur die Namen von Hoffnungsträgern aus der ersten Reihe zu nennen. Der hessische Ministerpräsident ist es, der in der Innenpolitik derzeit das kurzfristig notwendige Handeln verkörpert. Er arbeitet mit dem SPD-Kollegen Steinbrück an einem Abbau der Subventionen - um dadurch Freiraum zu schaffen im Budget und damit auch für langfristige Reformkonzepte. Er handelt. Das ist mehr als nur Abblocken im Bundesrat, was übrigens auch notwendiges Handeln sein kann. Und er erschwert damit der rot-grünen Regierung den schnellen Griff auf das einfache Geld, die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Schließlich spart man mit dem Subventionsabbau zwischen sechs und 16 Milliarden Euro ein. Da kann man nicht auch noch die Steuern erhöhen. |