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17.05.03 / Käthe Kollwitz und der Weg zur Kunst

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. Mai 2003


Innere Verpflichtung
Käthe Kollwitz und der Weg zur Kunst

Immer wieder sind sie in den Medien zu sehen, die großen Kinderaugen, die flehentlich um Nahrung, um Wasser bitten. Im Irak, in Afrika, auch in Afghanistan. Augen, die man nicht so schnell vergißt, die vom Leid der Menschheit sprechen, von einem Leid, das die Menschen einander antun. Vielleicht ist deshalb auch eine Arbeit der Königsbergerin Käthe Kollwitz so nachhaltig und so eindrucksvoll, die den Titel trägt: Deutschlands Kinder hungern! Die Kreidelithographie stammt aus dem Jahr 1924 und war im Auftrag der Arbeiterhilfe Berlin geschaffen. Das Motiv zierte aber zu späteren Zeitpunkten auch andere Plakate und wurde in fremdsprachigen Textfassungen gedruckt, so ist ein Text in Norwegisch bekannt.

"Hunger! Ein Brot 140 Milliarden! Dann wieder runtergesetzt auf 80 Milliarden ... Hunger, Hunger überall ...", schrieb Käthe Kollwitz im November 1923 in ihr Tagebuch. Es war das namenlose Elend, das Käthe Kollwitz als Arztfrau in einem Berliner Arbeiterviertel erlebte und das sie immer wieder antrieb, solche Motive festzuhalten und künstlerisch zu verarbeiten. Nicht immer fand diese Arbeit Anerkennung. Käthe Kollwitz aber ging ihren Weg, einen Weg, den sie aus sozialer Verantwortung beschritt. "Diese innere Verpflichtung, den eigenen Weg zu gehen und nach seiner Überzeugung zu leben, hat Käthe Kollwitz für ihr Leben und ihre Kunst" von ihren Vorfahren übernommen, "so wie ihr Großvater, der Theologe Julius Rupp, es einmal formuliert hat: ‚Wer nach der Wahrheit, die er bekennt, nicht lebt, ist der gefährlichste Feind der Wahrheit selbst'", erläutert Hannelore Fischer, Leiterin des Käthe Kollwitz Museums Köln, in dem Katalog zur kürzlich zu Ende gegangen Ausstellung im Düsseldorfer Gerhart-Hauptmann-Haus (wir berichteten). "Für Käthe Kollwitz war das nicht nur verpflichtend in der Sinngebung und der Gestaltung ihres Lebens, sondern auch in ihrer Kunst, in der nichts geschönt wird, es keine Unverbindlichkeit und Gefälligkeit gibt."

Der Katalog mit zum Teil sehr brillanten Fotografien der Kollwitz-Bronzen ist zweisprachig, in deutsch und in russisch erschienen, da die Düsseldorfer Ausstellung mit den Leihgaben aus dem Kölner Kollwitz-Museum im September/Oktober auch im heutigen Königsberg gezeigt werden soll. Es ist dies die erste Auswahl von Werken der Königsbergerin, die nach 1945 in ihrer Vaterstadt zu sehen sein wird. "Dabei geht es nicht nur um einen kunsthistorischen Rückblick und um die Erinnerung an eine große Künstlerin der Stadt, deren Vorfahren seit Generationen in Ostpreußen ansässig waren, sondern auch um ein Zeichen kontinuierlicher deutsch-russischer Partnerschaft, die auf ein besseres gegenseitiges Verständnis und auf die Gestaltung der Zukunft ausgerichtet ist", ist im Vorwort des Kataloges (Stiftung Gerhart-Hauptmann-Haus, Bismarckstraße 90, 40210 Düsseldorf, 44 Seiten, brosch., zahlreiche sw Abb., 5 Euro) zu lesen. Die Katalog-Auswahl von plastischen Werken, Holzschnitten, Radierungen und Lithographien aus dem reichen Schaffen der Käthe Kollwitz ist auch für den Kunstfreund interessant zu sehen, der keine Gelegenheit hatte, die Ausstellung in Düsseldorf zu besuchen und sich vom Werk der Kollwitz gefangennehmen zu lassen, einer Kunst, "die eine ausdrucksstarke, eine humane und auch eine weibliche, tröstliche, vor allem aber eine große Kunst ist" (Hannelore Fischer).

Käthe Kollwitz: Deutschlands Kinder hungern! (Kreidelitho- graphie, 1924) Foto: Katalog