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17.05.03 / Die ostpreußische Familie

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. Mai 2003


Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
Ruth Geede

Lewe Landslied und Freunde unserer Ostpreußischen Familie,

"Eete on Drinke höld Liew on Seel' tosamme!" Das Sprichwort gilt - vor allem im heimischen Platt - für uns Ostpreußen, und zwar einst wie heute. Aber es hält noch mehr zusammen: nämlich unsere Ostpreußische Familie. Denn wenn nach alten Rezepten gefragt wird oder andere kulinarische Fragen zu lösen sind, dann gibt es jedesmal ein reges Echo aus unserem Leserkreis.

Da ging es um die "Bubberchen" - ein Fettgebäck, das die ostpreußische Nachbarin von Christa Jost immer gebacken hatte und das herrlich schmeckte. Aber die Nachbarin war nun nicht mehr da, und mit ihr war das Rezept verschwunden, also wandte sich Frau Jost an uns. Aber ich kannte keine "Bubberchen", meinte aber aufgrund der etwas vagen Angaben von Frau Jost, daß es sich wohl um unsere ostpreußischen "Purzel" handeln könnte. Ich schickte ihr das Rezept, fragte aber doch vorsichtshalber unsere Familie.

Und da fing es mächtig an zu "bubbern". Denn schon die ersten Zuschriften bezogen sich auf - Saubohnen! Sie hätten bei uns "Bubber" geheißen. Für diese Version will ich die von Ruth Czelinski-Genée zitieren. Sie schreibt: "Ich entstamme einer alten Müllerfamilie - die Genées waren Hugenotten. Wenn Bubberchen ein Gebäck wäre, hätte ich es gewußt. Meine Mutter mußte viel Kuchen backen, um das Mehl auf seine Backfähigkeit zu prüfen, bevor es in den Handel ging. Meine Mutter nannte die großen Saubohnen - oder Pferdebohnen - so. Immer, wenn wir Kinder auf den Kartoffelacker gingen, wo eine Reihe dieser Bohnen wuchs, steckten wir einige in den Mund. Da hieß es dann: Ihr hab wieder Bubber genascht! Diese großen Bohnen wurden gekocht, darüber kamen dann Spirgel von Bauchfleisch - es schmeckte herrlich, viel besser als Busch- oder Stangenbohnen!"

Ja, also dicke Bohnen! Die hatten nun also wirklich nichts mit dem gesuchten Gebäck zu tun. Wie wäre es denn mit "Bubbert"? Das so benannte Rezept fand Herta Rudau in einem Kochbuch von 1886! Da stand zu lesen: "Diese in den Ostseeprovinzen und in Rußland beliebte Eierspeise bereitet man, indem man 12 Eier, eine Prise Salz und einen Eßlöffel voll Zucker gut untereinander verquirlt, mit einem Liter frischer Milch vermischt, in eine Puddingform gießt und in ein Casserol mit kochendem Wasser stellt und so lange kochen läßt, bis die Milch völlig geronnen ist. Man ißt diese Speise mit einer Rahm-Sauce oder einer Citronencreme ..." Das waren Zeiten, als "Kalorien" und "Cholesterin" noch unbekannte Vokabeln waren!

Aber das war ja auch kein Fettgebäck. Die endgültige Lösung erbrachte dann eine E-Mail von Frau Jost, die mir hocherfreut mitteilte: "Die Bubberchen meiner Nachbarin sind identisch mit Ihren Purzeln, danke!" Also hatte mich meine ostpreußische Zunge doch nicht betrogen.

Und ich glaube, das gilt auch für die Geschwister Prins, deren Großmutter nach dem Ersten Weltkrieg von Ostpreußen in das Ruhrgebiet ging. Sie buk "Lachottchen", und da es sich um ein Fettgebäck - "ähnlich den Berliner Ballen" - handelte, dürften es ebenfalls die "Purzel" gewesen sein. Jedenfalls kenne ich den Ausdruck "Lachottchen" nicht, nehme aber an, daß diese Bezeichnung wie die für die "Bubberchen" orts- oder familiengebunden war. Oder kam sie ganz anders zustande? Vielleicht hat die Großmutter, wenn das heiße Ausbackfett aus dem Schmalzpott spritzte, erschrocken "Ach Gottchen" gerufen - und dieser für uns so typische Ausruf wurde dann einfach auf die auslösenden Purzel übertragen. Jedenfalls werde ich den Enkeln das Purzel-Rezept zusenden, und wir werden sehen, ob es auch diesmal stimmt.

Und ehe uns eine erneute "Purzelwelle" erreicht, hier das Rezept in Kurzform: 500 g Mehl, 2 Eier, 100 g Zucker, 1 TL Backpulver, 1/4 Liter sauren Schmand und ein Päcken Vanillezucker zu einem fe-sten Teig verkneten, mit dem Löffel kleine Bällchen abstechen und in der Friteuse ausbacken. Auf Küchenpapier entfetten und in Zucker wenden.

Also manchmal ist die Rezeptsuche schon eine komische Sache. Da liegt bei uns eine Anfrage nach dem Rezept für "Ostpreußische Krähensuppe" vor. Das finde ich nun wirklich in keinem Kochbuch, auch nicht in einem uralten. Da stehen zwar Rezepte für Krametsvögel und Schnepfen drin, aber von Krähen keine Spur. Ich nehme an, daß Malte Nähler, der das Rezept sucht, von den "Krajebietern" auf der Kurischen Nehrung gehört hat. Früher wurden ja dort junge Nebelkrähen gefangen und gegessen. Gepökelte Krähen boten im Winter eine willkommene Abwechslung in dem eintönigen und fleischarmen Speisezettel der Nehrungsfischer. Sie wurden vor allem in "Kumst" - also Kohl - gekocht und sollen sehr gut schmecken. Jedenfalls schreibt der "Vogelprofessor" Dr. Johannes Thienemann in seinem Buch "Rossitten", daß man junge Nebelkrähen von gebratenen Wildtauben nicht unterscheiden könne. Na, vielleicht findet sich wirklich noch ein Spezialrezept für Krähensuppe?

Es ist schon eigenartig und wahrscheinlich nur für uns verständlich, wenn sich aus der Schweiz ein Leser meldet, der uns mitteilt, daß es im schleswig-holsteinischen Marne unsere geliebten "Peluschken" zu kaufen gibt. Das sind graue Erbsen, und mit ihnen wird eines unserer Leibgerichte, "Grue Arfte met Speck", zubereitet. Nun ist jetzt nicht gerade die Jahreszeit für dieses deftige Gericht, die Fragen danach sind aber ganzjährig, und so will ich doch weitergeben, was uns Dr. Boy Feil aus Witterswil mitteilt: daß der Supermarkt "Wandmaker" in Marne graue Erbsen vertreibt, wie auch der Supermarkt "Frauen" in Brunsbüttel. Danke sehr, lieber Schweizer Leser!

Ich freue mich immer über Post aus dem Ausland, zeigt sie doch, daß unsere Zeitung in der ganzen Welt gelesen wird. Ein lieber Gruß geht mal wieder nach Florida zu Friedel Lukner, die uns - aufgrund der Erinnerung von Waltraud Kamm an ihre Jugendzeit in Georgenswalde - ihre Erlebnisse in dem schönen Badeort an der samländischen Steilküste schildert. Die hatte sie im Februar/März 1945, als ihr Fluchtweg zuerst einmal dort endete - Tage vor dem großen Inferno, die noch einmal ein Durchatmen brachten. Danke, liebe Frau Lukner.

So, das wäre es für heute. Ein bißchen leichte Frühlingskost - muß auch mal sein.

Eure

Ruth Geede