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31.05.03 / Preussische Anekdoten

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. Mai 2003


Preussische Anekdoten
Gesammelt von Uwe Greve

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam es auf: das Poesiealbum, oft auch "Stammbuch" genannt. El-tern, Freunde und Lehrer schrieben belehrende, erinnernde oder lustige Verse, auch Prosagedanken, hinein. Freiwilliger, aber auch unfreiwilliger Humor waren nicht selten. So schrieb der Leipzigerin Berta-Christine 1911 ihr Lyzeums-Lehrer ins Album: "Ich bin der Herr, Dein Gott. Wandle vor mir und sei fromm. Dein Lehrer Paul Kötzschen."

In Berlin gelang es um 1880 einer jungen Dame aus der höheren Gesellschaft, nacheinander den Feldmarschall Helmuth von Moltke (1800 bis 1891) und den Reichskanzler Otto von Bismarck (1815 bis 1898) zu einer Eintragung zu bewegen. Der erfolgreiche Feldherr schrieb militärisch knapp: "Lüge vergeht, Wahrheit besteht! von Moltke, Feldmarschall."

Der Erbauer des einigen Deutschland setzte darunter: "Wohl weiß ich, daß in jener Welt,/ die Wahrheit stets den Sieg behält./ Doch gegen die Lüge dieses Lebens,/ kämpft selbst ein Feldmarschall vergebens. von Bismarck, Reichskanzler."

Adolph von Menzel (1815 bis 1905), die Kleine Exzellenz, wie er im Volksmund hieß, war der führende Maler des deutschen Realismus im 19. Jahrhundert. Eine Laune der Natur hatte ihm einen zwergenhaften Körper und einen wuchtigen großen Schädel mitgegeben. Trotzdem oder vielleicht gerade aus dieser Benachteiligung heraus entwickelte er sich zu einem eigenwilligen Menschen, der zu anderen recht schroff und bissig sein konnte. Aber überaus geschätzt wurde er von seinen Zeitgenossen wegen seiner großartigen Darstellung historischer Themen wie zum Beispiel des "Flötenkonzerts". Doch er war kein Romantiker. Sein "Eisenwalzwerk" von 1875 ist die erste Darstellung eines Industriewerks in der deutschen Malerei.

Anläßlich seines sechzigsten Geburtstages richteten die Spitzen der Berliner Gesellschaft ein feierliches Abendessen für ihn in einem Hotel aus. Die höchsten Vertreter aller Behörden und Vorstände der Kunstvereine waren zugegen. Sogar der Kaiser hatte seinen Adjutanten geschickt und angeordnet, daß die "Kleine Exzellenz" mit einer Hofkutsche zum Hotel und später nach Hause gefahren werden sollte. Die Creme der Gesellschaft war ver-sammelt, doch wer nicht kam, war Menzel. Als man den Jubilar holen wollte, fand man ihn vor dem Haus, wo der Meister in aller Seelenruhe die Hofkutsche mit den Rappen zeichnete. Erstaunt wagte einer der Herren den Vorwurf, daß eine hochangesehene Gesellschaft und viele Freunde auf ihn warten würden. "Du lieber Gott", antwortete ihm Menzel ungerührt, "Menschen, die ein Essen herunterschlingen und lange Reden halten, kann ich so oft genießen, wie ich will, aber ein paar so wundervolle Pferde in der köstlichen Beleuchtung auf dem nassen, funkelnden Asphalt - wann sehe ich das wieder?"

Beobachter: Adolph von Menzel bannte Feste lieber auf die Leinwand, als an ihnen teilzunehmen Foto: Archiv