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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. Mai 2003 |
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Leserbrief mit ungeahnten Folgen Seit einer Anfrage zum ostpreußischen Abitur ist das Thema wieder sehr lebendig von Ruth Geede Der Stürmer stürmt im wahrsten Sinn des Wortes unsere Redaktionspost - es ist nicht zu glauben, wie viele Erinnerungen das Foto mit den rotbemützten und mit Alberten geschmückten Abiturienten geweckt hat. Es hilft nichts, wir müssen noch einmal das Thema aufgreifen, vor allem wegen der praktischen Hinweise, die unsere Leserinnen und Leser gegeben haben. Denn der ostpreußische Brauch, zur bestandenen Reifeprüfung einen Albertus zu schenken, lebt weiter und jetzt kräftiger als je zuvor. Ja, es scheint sogar, als hätte er geradezu eine Renaissance erfahren. Aber bleiben wir zuerst bei den Erinnerungen. Eine besonders liebevolle schrieb Frieda Haffke auf, die sie uns zusammen mit dem Foto der Preußisch Eylauer Abiturienten zusandte, die im März 1933 ihre bestandene Reifeprüfung feiern konnten. Für ihren Bruder Bruno Krause (auf dem Foto obere Reihe, zweiter von links) hatte den Stürmer eine Freundin aus Kindertagen bestickt, mit der übrigens Frau Haffke noch heute in Verbindung steht. Sie sind auch schon gemeinsam in der Heimat gewesen. Der damalige Abiturient - heute Großvater - hat diesen geliebten Heimatbrauch nie vergessen, auch der Sohn und jetzt schon der Enkel haben einen Albertus von ihm zum bestandenen Ab-itur bekommen. Zu seinem 90. Geburtstag am 3. Juni wollen Sohn - heute Oberstudienrat - und der Enkel, ein Kinderarzt, mit ihm in die Heimat fahren! Frau Haffke erinnert sich noch ganz genau, wie Preußisch Eylau die Abiturienten feierte. "Diese Tage waren für unsere kleine Stadt wie ein Volksfest. Wer Zeit hatte, hielt sich in der Nähe der Schule auf, und die Prüflinge fanden immer wieder die Möglichkeit zu einem heimlichen Zuruf oder zu einem Zettelwurf aus dem Fenster. Wenn dann am späten Nachmittag des zweiten Prüfungstages der geschmückte Wagen der Brauerei vorgefahren kam, war die bange Zeit des Wartens vorbei. Denn mit diesem Wagen wurden die Abiturienten auf Biertonnen sitzend durch die Stadt gefahren, begleitet von allen, die mitgebibbert hatten, und die Glücklichen bekamen Blumen, kleine Geschenke und manche Flasche Sekt hinaufgereicht. Den Abi-Ball mußte immer die Unterprima vorbereiten, und dabei hatte ein Jahr zuvor mein Bruder die Schwester eines Abiturienten kennengelernt, was 1938 zur Hochzeit und 1998 zur Diamantenen Hochzeit führte!" Ganz anders die Erinnerungen von Christel Schwarz. Ihre Mutter bestickte für viele Gumbinner Abiturienten Stürmer und Cerevis. "Jeden Tag saß dann meine Mutter Stunden um Stunden über dieser feinen Arbeit, die eine ruhige Hand brauchte. Das Monogramm und die Verzierungen, meistens Eichenlaub, wurden erst mit Schablonen und Kreide auf den roten Samt gebracht, dann mit der Goldbouillon ausgestickt. Dazu wurden die Gold- fäden in kleine Stückchen geschnitten, mit einer feinen Nähnadel einzeln aufgefädelt und auf den Samt gestickt. Meine Mutter war für diese Arbeit wie überhaupt für ihre wunderschönen Stickereien bekannt. Roter Samt und Goldfäden aller Stärken bedeckten dann den ganzen Nähtisch." Ich habe nicht gewußt, daß diese Chenillefäden tatsächlich auch "Bouillon" genannt wurden. Frau Haffke teilt uns mit, daß sie in Bayern für feine Klosterarbeiten gebraucht werden und in jedem Bastelgeschäft zu bekommen sind. Sie hat uns einige Proben in Gold und Silber übersandt. Tatsächlich steht auf der Verpackung die Bezeichnung "Bouillon". Sehr prägnante Hinweise bekam ich von unserem LO-Pressereferenten Bernhard Knapstein. Er gibt den Tip, daß sich Interessenten in den Universitätsstädten an die dort ansässigen Couleurhändler wenden sollten. Auch im Internet genügt der Suchbegriff "Couleurartikel", um auf fast 600 Einträge, zumeist von Händlern, im Netz zu stoßen. Um unseren Abi-reifen Nachwuchs zu unterstützen, wird der Bund Junges Ostpreußen eine umfassende und nach Postleitzahlen sortierte Couleurhändlerliste auf seiner Internetseite (www.ostpreussen-info.de) veröffentlichen. Und ganz zum Schluß noch einmal zu dem Foto, das uns Renate Pöhlmann übersandt hatte und das diese Lawine auslöste: Es hat noch viel mehr zu Tage gebracht. Nach unseren Veröffentlichungen stand fest: Es handelte sich um die Schüler des Königlichen Realgymnasiums zu Tilsit, die 1913 das Abitur bestanden hatten, darunter der Vater von Renate Pöhlmann, Johannes Post. Auch dessen jüngerer Bruder Kurt hatte ein Jahr später an dieser Schule das Reifezeugnis erhalten. Der Vorsitzende der Schulgemeinschaft Realgymnasium/Oberschule für Jungen zu Tilsit, Hans Dzieran, konnte der Tochter von Kurt Post, Hanna Kopp, eine Kopie des im Archiv vorhandenen Abi-Zeugnisses ihres Vaters zusenden! Als diese nun ihren Bruder um ein altes Foto ihres Vaters bat, um es der Schulgemeinschaft zuzusenden, fand dieser in einem noch ungeöffneten Kasten - na, was? Das Abiturbild von Kurt Post vom Februar 1914! Inzwischen hat sich da noch mehr getan. So hat der Verwalter des
Schularchivs, Dipl.-Ing. Gernot Grübler, der uns die ersten aufschlußreichen
Informationen gab, Frau Kopp besucht, die ihm weitere Unterlagen übergeben
konnte. Und Hanna Kopp wird nun wohl auch bei dem nächsten Treffen der
Schulgemeinschaft dabeisein! |