Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. Mai 2003 |
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Sensibler Künstler Otto Mueller: Umfassende Monographie erschienen Meine Kunst ist unbezahlbar, mein Gefühl geb ich für kein Erdengut her, mögen sich die anderen Menschen die Beine abrennen nach Geld, Ruhm und Ehre, ich mach nicht mit, leg mich lieber auf den Rasen unter blühende Blumen, laß mich vom Winde kosen, lausche auf das Getümmel der Menschen, der mich erheiternden Kraft und träume das Blaue vom Himmel", schrieb Otto Mueller, geboren 1874 im schlesischen Liebau einmal an seine Eltern. Gewiß, seine Kunst ist heute für Normalsterbliche tatsächlich unbezahlbar, doch auf Ruhm und Ehre kann er selbst heute, mehr als sieben Jahrzehnte nach seinem Tod 1930 in Davos, noch zählen. So zeigt die Hypo-Kunsthalle in München noch bis zum 22. Juni eine große Retrospektive. Gleichzeitig erschien im Münchner Prestel Verlag eine erste umfassende Monographie mit einem ausführlichen Überblick über Leben und Werk des expressionistischen Malers (Hrsg. Johann Georg Prinz von Hohenzollern, Mario-Andreas von Lüttichau, 280 Seiten mit etwa 195 Abb., davon etwa 180 in Farbe, geb. mit farbigem Schutzumschlag, CD-ROM mit Werkverzeichnis und einem Anhang mit bisher unveröffentlichten Briefen Muellers an seine Frau, 59 Euro). In sechs Essays werden einzelne Aspekte im Werk des "stillen" Expressionisten beleuchtet, so seine Beziehung zur Familie Hauptmann, seine Mitgliedschaft in der "Bücke", seine Bilderwelt mit Liebespaaren, Porträts und anderen Figurenbildern. Ein Essay beschäftigt sich mit Mythos und Wahrheit in Leben und Werk, ein anderer Beitrag beleuchtet die Kunst Otto Muellers aus der Sicht eines Sammlers, während sich ein weiterer mit der Lehrtätigkeit Muellers an der Breslauer Akademie von 1919 bis 1930 befaßt. Zu seinen Schülern zählten dort später so bekannte Künstler wie Alexander Camaro und Johnny Friedländer. Er verlangte keine absolute Gefolgschaft, doch wurde seine Malerei für viele vorbildlich. Mit seinen Studenten ging er geradezu kollegial um: "Ich will Ihnen nur zeigen, wie ich es mache, ich verlange nicht, daß Sie es ebenso machen." Dem Menschen Otto Mueller begegnet man bei der Lektüre von Paul Fechters Erinnerungen "An der Wende der Zeit" (Gütersloh, 1949). Dort berichtet er sehr anschaulich von seinen Treffen mit dem Künstler vor dem Ersten Weltkrieg. In seinem Berliner Stammlokal am Kaiserplatz in Wilmersdorf hatte Fechter mit Max Pechstein, mit dem ihn eine Freundschaft verband, so manchen Abend eine oder auch zwei Flaschen Rotwein geleert. "Unser Dritter im Bunde", so der Elbinger Fechter, "war Otto Mueller, der nicht weit vom Kaiserplatz am Ende des damals gerade erstehenden Schöneberger Stadtparks hauste. Er war älter als wir; er hatte auch zur ‚Brücke' in Dresden gehört, und wir hatten es gern, wenn er kam und schweigend, rauchend, selten ein Wort verlierend mit uns am Tische saß. ... Er sah ausgezeichnet aus, ein schmales, braungelbes, langes Gesicht unter dunkel schwarzem Haar, ein paar tiefliegende, dunkle, schmale Augen. Er stellte einen im feinsten Sinne kultivierten Zigeunertyp dar, der um so seltsamer wirkte, wenn er im Kreise einer Gesellschaft, in einem Sessel versunken, die Augen schloß und sich gewissermaßen aus dem Kreis der Allgemeinheit herausnahm. ... Es war eine sehr eigene Welt, in der er mit sich, den Frauen und seinem Gefühl lebte. Ich kannte ihn schon aus sehr jungen Jahren von Dresden her; ... und so war ohne Worte eine etwas stärkere Bindung zwischen ihm und mir entstanden." Einmal besuchte Fechter den Künstler noch in seiner letzten Berliner Wohnung, bevor Mueller 1919 an die Akademie nach Breslau ging. "Es gab allerhand Gespräche", so Fechter, "dann ging er an einen Schrank und holte wortlos ein paar Mappen hervor, die er auf einem Tisch ausbreitete. Es waren Rötelzeichnungen großen Formats, durchweg Erotika, Szenen zwischen Paaren, zwischen Mädchen, mit seiner ganzen weichen Zartheit gezeichnet und erfüllt von der Wärme eines sensuellen Anteils, der den Blättern das Peinliche einer nur visuellen Scheinobjektivität völlig nahm ..." - Einen umfassenden Einblick in das Werk dieses sensiblen Künstlers aus Schlesien gewinnt man jetzt durchaus in der Münchner Ausstellung mit über 150 Gemälden, Handzeichnungen und Graphiken, aber auch und vor allem bei der Lektüre der Monographie. Otto Mueller: Liebespaar (1919) Foto: aus dem besprochenen Band |