Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. Mai 2003 |
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Gewinn und Verlust liegen nah beieinander Erfahrungen der bundesdeutschen Wirtschaft im russisch verwalteten Königsberg von Bernhard Knapstein Nach Angaben der Gebietsverwaltung von Königsberg waren am 1. Januar 2002 in dem mittleren Teil des dreigeteilten Ostpreußen 293 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung registriert. Nach Angaben der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Königsberg entfalten hiervon jedoch nur 50 Unternehmen tatsächlich im Sinne des jeweiligen Unternehmenszwecks Aktivitäten. Das Vertrauen der Investoren in den Standort Königsberg ist gering, und die meisten investieren auch nur in Wirtschaftssektoren, in denen die Risiken kalkulierbar bleiben. Die Motivation deutscher Unternehmer für ein solches Engagement ist absatzstrategischer und kostenorientierter Natur. Rußland bietet einerseits einen Markt mit enormen Wachstumsressourcen an. Die Kaufkraft der Russen steigt kontinuierlich, auch wenn die Diskrepanz zwischen Arm und Reich gleichfalls steigt. In der zunehmend solventen russischen Käuferschicht ist dabei gerade deutsche Qualität gefragt. So produziert das BMW-Werk in Königsberg für den russischen Markt hochpreisige Fahrzeuge mit Technologie deutscher Provenienz. Andererseits bietet gerade das Königsberger Gebiet Steuer- und Zollvergünstigungen beispielsweise im Bereich der Lebensmittel-Veredelung an. Die Lohnkosten bewegen sich auf einem nied-rigen Niveau. Der durch- schnittliche Monatslohn einer Arbeitskraft im Königsberger Gebiet lag Ende 2001 bei 115 Euro. Schon im südlichen Ostpreußen muß der Unternehmer seinen Mitarbeitern das sechsfache Gehalt bezahlen. Doch auch im Kernland der Russischen Föderation liegt das Lohn- niveau um etwa 40 Euro höher als in Königsberg. Der unter russischer Souveränität stehende Teil Ostpreußens liegt aus Unternehmersicht strategisch interessant. Die geographische Nähe zur Bundesrepublik einerseits und die Erweiterung der Europäischen Union als einheitliches Wirtschafts- und Zollgebiet andererseits sind eine gute Voraussetzung für den schnellen Transport von günstig produzierten Waren in den Westen. Die Berliner Geographin Johanna Mischke hat im Rahmen einer Untersuchung im ersten Quartal 2002 mehrere im Königsberger Gebiet produzierende deutsche Firmen über ihre Erfahrungen befragt und das Ergebnis der Untersuchung in einem Periodikum der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde publiziert (J. Mischke: Arbeiten unter schwierigen Bedingungen. Deutsche Unternehmen in Kaliningrad, in: Osteuropa, 53. Jg., 2-3/2003, S. 368 ff.). Die Bedingungen der Unternehmen sind schwierig. Nach Angaben der meisten deutschen Investoren ist die Qualifikation der Königsberger Arbeitskräfte sowohl in der Führungsebene als auch auf den unteren Ebenen unbefriedigend. Hochschulausbildungen seien nicht mit deutschen Abschlüssen vergleichbar. Problematisch seien insbesondere auch die Fremdsprachenkenntnisse der staatlich geprüften Dolmetscher, was zu Kommunikationsproblemen bei Einweisungen in Arbeitsabläufe führe. Die Unternehmen kritisieren zusätzlich die bei älteren Mitarbeitern herrschende Arbeitsweise, die noch aus der Zeit der Planwirtschaft herrührt. Insgesamt, so die Manager, gilt der Grundsatz: Je komplexer die Arbeitsschritte, desto größer die Produktivitätsminderung. Die wenigsten deutschen Unternehmen vertrauen hinsichtlich des Beschaffungsmarktes und der Zulieferstrukturen russischen Unternehmen. Der Grund liegt in der mangelhaften Qualität und der bisweilen unzuverlässigen Liefertreue. Unternehmen, die aus Gründen des Volumens oder Gewichtes von Rohstoffen auf Zulieferung ortsnah her- gestellter Vorprodukte angewiesen sind, bemühen sich daher um die Kontrolle über die gesamte Produktionskette, um Überraschungen auszuschließen. Von erheblicher Bedeutung ist für die im Königsberger Gebiet ansässigen Unternehmen die Verkehrswege-Infrastruktur, um Beschaffung, Produktion und Absatz sicherzustellen. Die Unternehmen bewerten diese materielle Infrastruktur als ungenügend. Es fehlt eine Autobahnanbindung sowie ein leistungsfähiges Güter- und Personenbahnnetz. Schiffsverbindungen sind kaum vorhanden. Auch fehlt es an täglichen Flugverbindungen in die Bundesrepublik. Zu den infrastrukturellen Problemen kommen die insbesondere den regelmäßig in die Heimat reisenden Ostpreußen hinlänglich bekannten langen Wartezeiten und Abfertigungsblockaden an den Grenzen. Die genannten personellen und materiellen Infrastrukturbedingungen werden noch durch eine institutionelle Komponente ergänzt. Jeder Unternehmer ist auf Kenntnisse der Rechtslage und auf Kontakte zu den Behörden angewiesen. Letzteres ergibt sich aus dem (selbst) für deutsche Verhältnisse enormen Einfluß der Behörden auf unternehmerische Prozesse. Entscheidungen werden von Behördenangestellten in Königsberg regelmäßig verzögert. Wie an den Grenzen, so werden auch in der Verwaltung bestehende Machtverhältnisse zum Zwecke der persönlichen Bereicherung ausgenutzt. So befinden sich die deutschen Unternehmer, die über keine guten Drähte nach Moskau verfügen, stets auf einem schmalen Grat zwischen Legalität und Legitimität. Auch Unternehmensberater sprechen nur ungern und wenn dann nur verklausuliert über das Problem der Korruption auf allen Ebenen der russischen Administration. Bestechung ist zwar beinahe unvermeidlich, aber sie ist eben auch von strafrechtlicher Relevanz. Vor diesem Hintergrund empfehlen die Unternehmen, bestehende Gesetze zu beachten und die Illegalität zu vermeiden. Gerade ausländische Unternehmen werden von den Behörden hinsichtlich der legalen Geschäftsprozesse oft kontrolliert. Daher ist es wichtig, so die Unternehmer, die russischen Gesetze genau zu kennen. Forderungen werden vermehrt auf dem Klageweg beigetrieben. Die Unternehmen bewerten diese Variante der erzwungenen Rechtstreue zwar als langwierig, aber auch als erfolgversprechend. Die deutschen Unternehmen erarbeiten sich hier zur Zeit den Ruf von gesetzestreuen und notfalls mit harten juristischen Bandagen arbeitenden Geschäftspartnern. Die Strategie wird nicht nur betriebswirtschaftlich langfristig Erfolg nach sich ziehen. Diese Praxis könnte Vorbildwirkung haben, wenn zeitgleich gegen die Korruption in den Behörden vorgegangen wird. Vertragsbruch und Korruption dürfen sich nicht lohnen. Der Einfluß deutscher Investoren in diese Richtung wird sich auch positiv auf die Rechtssicherheit in der Region auswirken. Die derzeitigen Bedingungen für Investoren sind schwierig, und jeder Unternehmer muß bereit sein, sein Kapital wie Spielgeld auch verlieren zu können. Niemand sollte in Königsberg seine alleinige wirtschaftliche Existenz aufbauen, denn am Pregel liegen Gewinn und Verlust nah beieinander. |