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31.05.03 / Mauern erzählen ihre Geschichte

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. Mai 2003


Mauern erzählen ihre Geschichte
"Baudenkmäler in Ostpreußen" - unter diesem Titel fand ein Seminar für Kulturreferenten im Ostheim statt

Daß man in gut zwei Tagen soviel lernen kann, beeindruckte auch die Teilnehmer, die mit erheblichem Vorwissen zum Kulturreferenten-Seminar "Architektur, Baugeschichte und Denkmalpflege in Ostpreußen" gekommen waren. In Ostpreußen gab es mehr kulturhistorische Bausubstanz als in Brandenburg, teilte einer der Referenten, Dr. Stefan Hartmann, mit. So lassen sich die Stoffülle und das Bildmaterial von mehreren hundert Dias, die gezeigt wurden, erklären.

Zunächst führte Dr. Heinrich Knapp mit seinem Diavortrag "Norddeutsche Backsteingotik im südlichen Ostseeraum von Lübeck über Danzig bis Königsberg und zeigte Kirchen und Ordensbauten. Die Zuhörer waren von den Aufnahmen tief beeindruckt und sollten doch noch ein Vielfaches an Zeugnissen ostpreußischer Baukunst zu sehen bekommen.

Das umfangreichste Fotomaterial hatte Christian Papendick mitgebracht, wobei die 300 Dias, die er zeigen wollte, kaum ein Zehntel seines Gesamtbestandes ausmachen. Seine Lebensaufgabe, die deutsche Bausubstanz im nördlichen Ostpreußen heute zu dokumentieren, führt ihn seit der Öffnung 1991 mehrmals im Jahr in seine Heimat. Er hat Verfall und Wiederaufbau festgehalten und konnte den Aufbau des Domes und der Kirchen von Mühlhausen, Arnau und Heinrichswalde zeigen. Auch Gumbinnen und Groß Legitten sind Zeugnisse gelungenen Wiederaufbaus, doch dem stehen die vielen Ruinen von Lichtenhagen, Popelken, Pobethen, Nordenburg und Norkitten gegenüber. Ob Tharau und Kumehnen noch zu retten sind? Wie dem auch sei, in Papendicks Dokumentation, die bald als Buch erscheinen soll, ist festgehalten, was die Deutschen noch vorgefunden haben und was doch in den letzten Jahren verlorenging. Die Teilnehmer wollten alle Aufnahmen sehen, so daß der Vortrag am Abend fortgeführt werden mußte.

Ostpreußen vor den Zerstörungen des 20. Jahrhunderts erstand in dem Vortrag von Rudolf Meyer-Bremen: "Frühe Ansichten Ost- und Westpreußens im Steindruck". Den Laien wurde die Technik des Steindrucks erklärt, und die Namen der Künstler (Gottheil, Höpfner, Rauschke, Horn und Hübner) waren einem Teil des Publikums wohl neu. Die Schätze, die in Lichtbildern gezeigt wurden, übertrafen alle Erwartungen. Die Wolfsschlucht am Samlandstrand 1835, Cranz, Neukuhren, Pobethen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, das Innere des Königsberger Domes 1833, das Blutgericht 1828, Rathaus und Poststation von Elbing, die Marienburg, Marienwerder und Danzig mit den alten Wällen.

Wer sich heute in der Denkmalpflege engagiert, hörte bei den Ausführungen von Dr. Stefan Hartmann zu "Kontinuität und Wandel in der ostpreußischen Denkmalpflege" bekannte Erfahrungen. 1843 wurde das Amt eines Konservators der Kunstdenkmäler geschaffen, das Ferdinand von Quast als Erster bekleidete. Erst galt es, Verständnis bei der Bevölkerung für die Denkmalpflege zu wecken, und die Provinzial- und Bezirkskonservatoren waren zunächst nur ehrenamtlich und mit unterschiedlich langer Amtszeit tätig. Herausragend dann der Name Adolf Bötticher. 1886 begann er mit der Erfassung ostpreußischer Denkmäler und brachte ein achtbändiges Werk heraus. Sein Verdienst ist es, die Kunstschätze aus der Ordenszeit bewußt gemacht zu haben. Im 20. Jahrhundert erfolgte eine neue Inventarisierung der Bauten durch Richard Dethlefsen. Er hatte als Landeskonservator oft Probleme mit Gemeindepfarrern, die gegen die Gutachten der Konservatoren an den Kirchengebäuden arbeiten ließen. Das oberste Prinzip war die Erhaltung des originalen Denkmals.

Mit dem Archäologen Michael Malliaris trat der erste von drei auffallend jungen Referenten auf. Er berichtete über die "Landesaufnahme des Leutnants Giese". Dieser reiste von 1826 bis 1828 im Auftrag Theodor von Schöns durch Ostpreußen und fertigte Skizzen von "vaterländischen Altertümern" an. Mittelalterliche Ordensburgen, Stadtgrundrisse u. a. von Elbing, Kirchen und Wallburgen wurden auf diese Weise dokumentiert. Auch hierzu wurde beeindruckendes Bildmaterial vorgeführt.

Ins 20. Jahrhundert führte die junge Kunsthistorikerin Dr. Gabriele Wiesemann, die über den Königsberger Architekten Hanns Hopp promoviert hat. Ein Teil seiner Gebäude steht heute noch in Königsberg: das Parkhotel (erbaut 1929/30), die Mädchengewerbeschule (1928), der Handelshof, heute Stadthaus, der Eingang der Ostmesse, Rentnerinnenheime in Amalienau und Maraunenhof. Die Referentin hat die Stadt mehrmals besucht und Kontakt mit den Russen aufgenommen, um Verständnis für diese erhaltenswerte Bausubstanz zu erwecken. Sie äußerte sich zufrieden über den Erfolg dieser Bemühungen.

Zum Abschluß der Tagung führte Torsten Foelsch, Denkmalpfleger am Landratsamt in der Priegnitz, Landschlösser Ostpreußens vor. Begonnen wurde allerdings mit dem Königsberger Schloß, dessen Ostflügel 1701 für die Krönung mit einem barocken Umbau verändert wurde. Schloß Willkühnen aus dem 17. Jahrhundert, 1937/38 vom Grafen Dohna-Schlobitten restauriert, ist verschwunden wie Schloß Lauck oder Sanditten im Kreis Wehlau, das 1945 noch erhalten war und später verfiel.

Dieser Vortrag zeigte eine untergegangene Kultur, deren Baudenkmäler dahin sind und deren Lebensart einer versunkenen Epoche angehört. Und doch wiederum nicht. Die Nachgeborenen erforschen ihr Erbe und versuchen es zu dokumentieren und seine Zeugnisse zu erhalten. Mit welchem Interesse? Der junge Referent gab eine einfache und bewegende Antwort: "Das ist so spannend!" Bärbel Beutner