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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Juni 2003 |
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Berlins "Regierender Partymeister" Thorsten Hinz über den politischen Niedergang der deutschen Hauptstadt Die Kritik an Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) wird in der Hauptstadt lauter und direkter. Beschränkte sie sich früher auf Sticheleien gegen die Eitelkeiten des "Regierenden Partymeisters", zielt sie jetzt frontal auf seinen Politikstil. Wortführer sind nicht die Opposition oder die Presse, sondern die eigene Partei und der Koalitionspartner PDS. Den Anfang machte der Bezirksvorsitzende von Berlin-Kreuzberg-Friedrichshain, der 34jährige Andreas Matthae. In der Rangfolge der lokalen Parteifürsten rangiert er nur im hinteren Mittelfeld, kann sich dafür aber vom berüchtigten Berliner Loyalitätsfilz frei fühlen. Mit ungewohnter Schärfe forderte er in einem Zeitungsinterview Wowereit auf, endlich mit einer verläßlichen Politik zu beginnen. Er müsse "deutlich sagen, wie sein Gesamtentwurf für Berlin aussieht". Nur so könne man die Menschen motivieren, die harten Einschnitte im Haushalt mitzutragen. Wowereit ist vor genau zwei Jahren zum Regierenden Bürgermeister gewählt worden, zunächst als Chef eines rot-grünen Minderheitssenats. Um seinen Vorgänger Eberhard Diepgen (CDU) zu stürzen, nahm er ungerührt die Stimmen der PDS in Anspruch. Daß er diesen Vorgang ausgerechnet am 16. Juni 2001, unmittelbar vor dem Jubiläum des Arbeiteraufstandes von 1953, inszenierte, war eine der für ihn typischen Instinktlosigkeiten. Im Herbst 2001 gab es Neuwahlen, danach eine Koalition mit der erstarkten PDS. Unter Diepgen und der großen Koalition in den 90er Jahren war die Berliner Politik mausgrau gewesen. Der CDU-Mann hatte für sein Hauptziel, die Sicherung des sozialen Friedens, eine enorme Verschuldung in Kauf genommen und harte Entscheidungen vermieden. Statt solider Finanzkonzepte hantierten die Senatoren schließlich mit "Bemühungszusagen". Die Krise der Berliner Bankgesellschaft brachte das Faß zum Überlaufen. Wowereit wollte alles besser machen. Mit seinem legendären "Ich bin schwul, und das ist auch gut so" hatte er einen unglaublichen Sympathiebonus erlangt. Danach sonnte er sich erst einmal eitel in einem glamourösen Halblicht, trank Sekt aus Damenschuhen und tanzte eng umschlungen mit Sabine Christiansen auf dem Berliner Presseball. Seine Freundschaft zu einem Berliner Starfriseur und zu dem exaltierten Schweizer Botschafterehepaar Bohrer-Fielding füllte die Klatschspalten. Nur mit dem angekündigten "Mentalitätswechsel" und dem "Aufbrechen von Strukturen" wurde es nichts. Die Berliner Politik hat sich unter dem Paradiesvogel von maus- zu aschgrau verfärbt, die Wirtschaft ist rückläufig. Wowereit hatte die Regierung ohne Plan und Idee übernommen. Bis heute hat er nicht verraten, was er eigentlich will, außer persönlich zu glänzen. Wo die Wähler einen Regierenden Bürgermeister erwarten, herrscht ein Vakuum. Außer bei der Eröffnung von Modeausstellungen oder bei Empfängen im Roten Rathaus ist Wowereit so gut wie nicht mehr vorhanden. Der starke Mann der Stadtregierung ist Finanzsenator Thilo Sarrazin, ein früherer Bahnmanager. Er betätigt sich als knallharter Sanierer. Inzwischen hat jeder in Berlin begriffen, daß die Stadt pleite ist. Doch seine beinahe täglich neuen Vorschläge, welche Oper, Universität, öffentliche Einrichtung oder Sozialleistung eingespart werden könnte, führen auf Dauer nicht zu mehr Realitätssinn, sondern zu Trotz, Panik, Depression. Zuletzt forderte er, an den Universitäten die Geisteswissenschaften abzuschaffen, da sie für die Stadt ohnehin keinen meßbaren Nutzen brächten. Außerdem müßten die Subventionen für die Schaubühne und das Berliner Ensemble gestrichen werden, was das Aus für die traditionsreichen Häuser wäre. Die zuständigen Senatoren versichern danach zwar stets, dazu werde es nicht kommen, doch die psychologischen Flur- und Imageschäden werden immer schlimmer. Es gibt keine Planungssicherheit, und niemand weiß, was am Ende der Konsolidierung übrigbleibt. Schon wird gewitzelt, bald würde Berlin nur noch aus dem öffentlichen Dienst und Sozialhilfeempfängern bestehen. Es wäre die Aufgabe des Regierenden Bürgermeisters, den Laden zusammenzuhalten, Leitlinien vorzugeben, Ziele und Schwerpunkt zu setzen. Doch Wowereit schweigt - und reist. Am liebsten ins Ausland, "Networking" betreiben (Kontakte knüpfen), wie er es nennt: in Los Angeles, Kopenhagen, Rom, Peking und anderswo. Als am 1. Mai in Kreuzberg Steine flogen, hielt er sich gerade in Philadelphia bei einer schwulen Reisemesse auf. Wowereit führt sich auf wie ein Narziß aus kleinen Verhältnissen, der allen beweisen will, daß er es tatsächlich bis nach oben geschafft hat. Dabei unterlaufen ihm permanent Taktlosigkeiten. Als US-Präsident Bush im Frühjahr 2002 nach Berlin kam, wollte er partout nach Australien fliegen. Man mußte ihm erst erklären, daß es zwischen Berlin und den USA historisch begründete Sonderbeziehungen gibt und der Platz des Bürgermeisters in Berlin ist. Ende April wurde ein Polizist bei einem Einsatz gegen eine kriminelle Großfamilie aus dem Libanon erschossen. Wowereit hielt es nicht für nötig, den Hinterbliebenen persönlich zu kondolieren und an den Trauerfeierlichkeiten teilzunehmen. Weil es sich bei dem Toten um keinen Filmstar handelte, machte er Terminschwierigkeiten geltend. Der Chef der Berliner Polizeigewerkschaft griff ihn deswegen in einem Offenen Brief heftig an. Wowereit reagierte patzig - wie immer, wenn er kritisiert wird. Das läßt auf eine tiefsitzende Unsicherheit schließen. Es fragt sich, ob er zu der Führungsstärke, die jetzt angemahnt wird, überhaupt in der Lage ist. Matthaes Kritik hat eine Reihe von SPD-Politikern veranlaßt, Wowereit ebenfalls zu tadeln. Der parlamentarische Geschäftführer der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Christian Gaebler, sagte, der Bürgermeister müsse "nach außen deutlicher machen, worauf sich Berlin konzentrieren soll". Die Gewerkschaften, Unternehmerverbände, die Rektoren bzw. Präsidenten der Berliner Universitäten und Sportfunktionäre haben sich in seltener Einmütigkeit angeschlossen. Sogar die PDS-Senatoren beklagen - zutreffend - seine substanzlose "Symbolpolitik" und "populistische Argumentation". Wie weit Wowereit sich von den Berliner Realitäten entfernt hat, zeigte sich auf dem SPD-Landesparteitag Mitte Mai, als er es nicht für nötig hielt, den Delegierten endlich seine Vorstellungen von der Zukunft der Stadt zu erläutern. Vermutlich hat er keine. Sein Sprecher behauptet zwar, Wowereits Prioritäten seien klar erkennbar und bedürften keiner Erläuterung. Folgerichtig müßten die Kritiker begriffsstutzig oder blind sein. Die Wahrheit ist: Klaus Wowereit war zuerst ein maßlos überschätzter Politiker, jetzt ist er maßlos überfordert. Trotzdem wird seine Party im Roten Rathaus so schnell nicht enden. Denn weder in der eigenen Partei noch in der Hauptstadt-CDU ist jemand in Sicht, der es besser kann. |