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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Juni 2003 |
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"Aktives Schwänzen" Fatale Folgen: Depressionen und Selbstmord unter Jugendlichen von H.-J. von Leesen In welchen Winkel unseres Gemeinwesens man auch seine Nase steckt - überall stinkt's. Dabei sind es keine überraschend aufgetretenen Mißstände, die den Fäulnisgeruch verbreiten. Das Versagen unserer Systeme - der Sozialsysteme wie der Bildungssysteme, des Verwaltungssystems wie die politischen Abläufe - war längst absehbar. Seit Jahren reden und faseln Berufene und weniger Berufene, Experten wie Politiker von der Notwendigkeit der Reformen. Aber außer "Man müßte ..." und "Man sollte ..." geschieht nichts, jedenfalls nichts Entscheidendes. Der Eindruck verfestigt sich: Die politische Klasse ist handlungsunfähig, und das System, in dem sich unsere Gesellschaft organisiert hat, war ein Schön-Wetter-System. Treten Krisen auf, scheint es nicht mehr brauchbar zu sein. Da haben internationale Untersuchungen mit einem Paukenschlag deutlich gemacht, daß unsere Schulen und die dahinter stehende Bildungspolitik nichts taugen. Leistungen unserer Schüler reichen nur aus, um in einer internationalen Rangordnung ins letzte Drittel zu gelangen. Viele Jugendliche erreichen mit ihrer durch die Schule vermittelten Allgemeinbildung nicht mehr die Mindestanforderungen, die zum Beispiel bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz erforderlich sind. Dabei ist dieses Schulsystem keineswegs eine Billigware. Geld ist in den vergangenen Jahrzehnten genug hineingepumpt worden. Es ist nicht zu erkennen, wo nach Bekanntwerden der Ergebnisse der PISA-Studie die Verantwortlichen wenigstens begonnen haben, das Schulsystem zu erneuern. Geredet wird, unentwegt geredet. Nachdem sich herausgestellt hat, daß die Kinder von Ausländern ganz besonders schlecht auf den Unterricht in den deutschen Schulen vorbereitet sind, was auch ohne kostspielige wissenschaftliche Untersuchungen auf der Hand lag, redet wolkig einer der Pädagogikexperten, man müsse "bei der Sprach- und Leseförderung die Eltern von Zuwandererkindern in die Pflicht nehmen". Weiß der Mann nicht, daß die Eltern erst recht nicht richtig deutsch sprechen können? Da wird verlangt, daß die Schulen Kindern, die nicht lesen, nicht schreiben und nicht rechnen können - und das sind nicht nur Ausländerkinder! - zusätzlichen Nachhilfeunterricht erteilen, doch gibt es keine Mittel, um die dafür notwendigen Lehrer bereitzustellen. Unsere sich bevorzugt in Talk-Shows präsentierende Republik wird gegen die Wand gefahren. Und keiner fühlt sich dafür verantwortlich! Die Gewerkschaften fordern, daß die Betriebe eine Abgabe zahlen sollen, wenn sie keine Lehrlinge ausbilden. Das könnte helfen, wenn es denn genug qualifizierte Jugendliche gäbe, die alle vorhandenen Lehrstellen besetzen könnten. Eine Untersuchung der Industrie- und Handelskammer in Schleswig-Holstein bei etwa 6.000 Betrieben ergab, daß im vergangenen Jahr fast 18 Prozent aller angebotenen Ausbildungsplätze nicht besetzt werden konnten, weil die Bewerber, wie es fein und vornehm heißt, "eine nur mangelnde Qualifikation aufwiesen". Sie waren zu dumm, oder sie wollten nicht. Da hilft es dann auch nichts, wenn Betriebe eine Ausbildungsplatzabgabe zahlen. Das Problem liegt bei der Qualifikation der Jugendlichen. Daß die Firmen gutwillig sind, kann man daran erkennen, daß nur 42 Prozent der Unternehmen angeben, sie würden den Ausbildungsplatz überhaupt nicht besetzen, wenn sie keine geeigneten Bewerber finden. Die Mehrheit aber gibt sich Mühe: Sie erteilen den minderqualifizierten Jugendlichen zusätzliche Förderung, lassen sie Kurse besuchen, erteilen Nachhilfe, geben ergänzenden betrieblichen Unterricht, schulen sie intern und extern. Der Wille der Unternehmen ist also vorhanden, und das ist auch verständlich, denn die Ausbildung von qualifiziertem Nachwuchs liegt im ureigenen Interesse eines jeden Betriebes. Aber was sollen sie tun, wenn - so das Ergebnis einer jüngsten Untersuchung aus Kiel - 50 Prozent aller Hauptschüler in der Landeshauptstadt Schleswig-Holsteins nicht ausbildungsfähig sind? Solche Mängel kann die Wirtschaft nicht ausbügeln. Bisher finanzierten die Arbeitsämter für solche Hauptschüler Fördermaßnahmen und gaben dafür im vergangenen Jahr 15 Millionen Euro aus. Das geht so nicht weiter, denn unser Staat ist bekanntlich pleite. So müßten entweder in Zukunft die allgemeinbildenden Schulen wirkungsvoller unterrichten, oder die ausbildungsunfähigen Jugendlichen bleiben ohne Beruf, werden eines Tages Sozialhilfeempfänger, und nicht wenige rutschen ab ins Asoziale. Sind denn aber nun die Anforderungen der Unternehmen vielleicht zu hoch gesteckt? Auch darauf gibt die Untersuchung der schleswig-holsteinischen Industrie- und Handelskammer Antwort. 90 Prozent der an der Umfrage beteiligten Betriebe erwarten, daß die Auszubildenden lesen, schreiben und rechnen können. Etwa zwei Drittel fordern gutes Allgemeinwissen als Voraussetzung. Nach wirtschaftlichen Vorkenntnissen fragen nur 28 Prozent, und ein Viertel erhofft sich Fremdsprachenkenntnisse von den Bewerbern. Und wenn es um soziale Kompetenzen geht, dann stehen die Fähigkeit zur Zusammenarbeit (Teamfähigkeit), Höflichkeit und Freund- lichkeit an der Spitze. Die von manchen so hoch gelobte Kritikfähigkeit wird von nicht einmal der Hälfte der Firmen erwartet. Hingegen stehen Zuverlässigkeit (87 Prozent) und Verantwortungsbewußtsein (über 75 Prozent) an der Spitze dessen, was die Firmen von ihren jungen Lehrlingen verlangen. Und an all diesen Eigenschaften mangelt es bei fast jedem fünften Bewerber. Die Jugendlichen sind in der Regel die Opfer eines Staates, der offensichtlich bei seinen Maßnahmen von einem falschen Menschenbild ausgeht. Wenn feststeht, daß, wie der Verband Bildung und Erziehung auf dem Deutschen Lehrertag in Schwerin vor kurzem bekanntgab, bis zu zehn Prozent der bundesweit 9,8 Millionen Schülerinnen und Schüler "aktive Schulschwänzer" sind, und wenn gleichzeitig davor gewarnt wird, gegen diese jungen Leute hart durchzugreifen, beweist es, daß der Staat hilflos vor solchen Auflösungserscheinungen steht. Mindestens 14 Prozent aller Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren sind psychisch krank und müßten eigentlich behandelt werden. Mädchen leiden vor allem unter Depressionen, Ängsten und Eßstörungen, Jungen vorzugsweise unter Depressionen. Die Selbstmordrate männlicher Jugendlicher zwischen 15 und 24 Jahren stieg in den vergangenen Jahren an. Selbstmord ist in dieser Altersklasse die zweithäufigste Todesursache. Jährlich nehmen sich in Deutschland 450 Jugendliche unter 20 Jahren das Leben. 4.000 weitere unternehmen Selbstmordversuche. Die Öffentlichkeit nimmt solche Alarmzeichen zur
Kenntnis, um sie gleich wieder zu vergessen. Dabei sind es Belege dafür, daß
die Fahrt unseres Volkes in den Abgrund geht. Deutschland steuert in die
Dekadenz. Das muß Ursachen haben, und es muß dafür Verantwortliche geben. Wo
liegen sie, wer sind sie? |