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14.06.03 / Allein in schwerer Zeit oder Wie eine unheimliche Krankheit des Partners das ganze Leben plötzlich verändern kann

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Juni 2003


Allein in schwerer Zeit
oder Wie eine unheimliche Krankheit des Partners das ganze Leben plötzlich verändern kann

Ich weiß gar nicht, was ich ohne meine Annelie machen soll", beklagt Karl Baltruweit den Tod seiner langjährigen Lebensgefährtin. Neben dem Verlust seiner Partnerin hat er auch die einstige gemeinsame Wohnung aufgeben müssen, doch die eigentliche Veränderung in seinem Leben begann schon viel früher.

Vor zwei Jahren wurde Annelie plötzlich zerstreut, wußte nicht mehr, wie man einen Wasserhahn aufdreht, wachte nachts auf und erzählte von Leichen im Keller, vergaß manchmal einfach, wer sie war. Demenz, lautete die Diagnose. Diese Krankheit löscht die Vergangenheit aus, zerstört die Orientierung in der Gegenwart und nimmt die Zukunft. An Demenz leiden in Deutschland etwa 1,2 Millionen Menschen - eine von ihnen war Annelie.

Karl Baltruweit erhebt sich aus seinem Sessel, holt ein kleines Fotoalbum aus dem Regal. "Sah sie nicht viel jünger aus, als sie war?" Von dem Foto lächelt eine freundliche Dame mit dunkelbraunen Haaren. Stolz erzählt der 76jährige Ostpreuße, daß selbst Außenstehende von Annelies Intelligenz eingenommen gewesen seien. Er schreibt gern Erzählungen und Kurzgeschichten, die auch schon veröffentlicht wurden. Ohne Annelies klugen Rat wäre alles nicht so gut geworden. Tatkräftig habe sie ihn unterstützt, nie an ihm gezweifelt. Früher seien sie auch viel gereist, aber mit der Krankheit änderte sich alles radikal.

"Die Leute haben sich anders verhalten, wenn ich mit Annelie unterwegs war. Viel konnte sie ja nicht mehr machen, aber selbst wenn wir nur zum Arzt mußten, war da ständig die Angst, daß sie einen Anfall bekommen könnte. Gute Bekannte und Nachbarn, die sich mit mir alleine unterhielten, grüßten meist nur kurz, wenn Annelie dabei war. Sie war ihnen unheimlich." Annelie war somit die letzten zwei Jahre ihres Lebens an die Wohnung gefesselt, Karl Baltruweit leistete ihr durchweg Gesellschaft. "Menschen sah ich nur noch beim Einkaufen."

Aber wie mag Annelie es wohl empfunden haben, Stück für Stück aus der Welt zu scheiden und nicht mehr Herr über sich selbst zu sein? "Sie war tapfer. Manchmal klammerte sie sich dann aber doch an mich, sagte mir, wie sehr sie mich liebe und flehte mich an, sie nicht allein zu lassen. Natürlich blieb ich. Sie war mein Leben, und ich hoffte zudem immer auf Besserung. Es wäre auch noch einige Jahre gutgegangen, wenn sie nicht im letzten Dezember einen Schlaganfall bekom- men hätte."

Annelie kam ins Krankenhaus, wurde dort aber nur physisch, nicht psychisch gepflegt. Sie verfiel zunehmend. Als Karl Baltruweit aufgrund einer Blasenoperation urplötzlich auch ins Krankenhaus mußte, überschlugen sich die Ereignisse. Noch halb benebelt von der Narkose, erfuhr er, daß Annelie einem weiteren Schlaganfall erlegen sei. Nun war alles zu spät. Verloren! Auf immer!

Und nun allein in der großen, für eine Person auch zu teuren Wohnung wollte und konnte er nicht bleiben, doch auch die Suche nach einem bezahlbaren Altersheim war schwer. Wohin? Eine Wohnanlage mit 490 kleinen Wohnungen für Senioren. Fast alle Wohnungen sind nur von einer Person bewohnt, alles alte Menschen.

"Das sind die Möbel, die mir von der Einrichtung der alten Wohnung übriggeblieben sind." Karl Baltruweit zeigt auf einige kleine Schränke, ein schmales Sofa, einen Sessel sowie einen Schreibtisch. "Es war ein Jammer mit anzusehen, was die Räumungsfirma mitnahm oder gar vor Ort und Stelle zertrümmerte. Für die brauchbaren Gegenstände erhielt ich immerhin noch eine Wertanrechnung von 600 Euro. Toll, nicht wahr? Aber es nützte nichts. Ich mußte mich von all den im Laufe der Jahre liebgewonnenen Dingen trennen. Dort bleiben wollte ich nicht, denn überall fehlte mir meine Annelie. Endstation, einen Neuanfang gibt es nicht mehr", stellt Karl Baltruweit sachlich fest. Aber wie erträgt man all das Leid allein? Der rüstige Senior zuckt mit den Schultern, deutet auf den Fernseher, die Schreibmaschine und die Zeitungen. Noch heute werden Kurzgeschichten von ihm gedruckt. Familie? Ja, vier Söhne sogar, doch nach der Scheidung 1983 blieben diese bei der Mutter und, wie so häufig, erstarb leider der Kontakt.

"Wer emotional nicht so gefestigt ist, wäre wohl der Annelie gefolgt, aber man kann ja nicht einfach irgendwo runterspringen. Zwar fehlt Annelie mir an allen Ecken und Kanten, aber irgendwann werde ich ihr ja zwangsläufig folgen, und bis dahin ...", sein Blick wandert zu dem Zeitungsstapel auf dem Tisch, "werde ich noch ein wenig an der Welt teilhaben." Kaum hat er dies ausgesprochen, wechselt er das Thema und beginnt sich über den Musiksender MTV zu ärgern, auch die Sendung "Deutschland sucht den Superstar" hat ihn fürchterlich aufgeregt. Karl Baltruweit hat für heute genug über traurige Geschehnisse gesprochen; willkommen im Leben. Rebecca Bellano

Ratgeber für Angehörige von Demenz- beziehungsweise Alzheimerpatienten - Unter Demenz versteht der Arzt den krankhaften Verlust geistiger Fähigkeiten. Bei Fortschreiten der Krankheit kommt es zunehmend zur Verwirrtheit. Das Kuratorium der Hirnliga e.V. gibt schon seit 1986 einen Ratgeber für Angehörige heraus. Die Broschüre beschreibt einfühlsam und praxisbezogen die Möglichkeiten und Grenzen der Betreuung von Alzheimer-Kranken. Sie erklärt den Krankheitsprozeß und die daraus resultierenden Folgen. Der vollständig neu überarbeitete Ratgeber ist gegen Einsendung von 1,44 Euro Rückporto in Briefmarken zu erhalten bei Hirnliga e.V., Postfach 1132, 51581 Nümbrecht.

Gemeinsam alt werden - und gesund bleiben: Nur ein Traum? Foto: keystone

Rezept der Woche

Bunter Beetensalat
(Roter-Rüben-Salat)

Man nehme: 2 Beeten, 2 Stangen Chicorée, 1 Apfel, 1 Zwiebel, 2 EL geriebenen Meerrettich, 2 Eigelb, 1 EL Zitronensaft, 3 EL saure Sahne oder Dosenmilch, Salz, Mostrich, Zucker, Pfeffer, 3 EL Öl, Suppenwürze

Zubereitung: Die Beeten bürsten und weichkochen, schälen und dann in feine Streifen schneiden, Chicorée waschen, Außenblätter entfernen, der Länge nach halbieren und dabei den bitteren Kern entfernen, in kleine Stücke schneiden.

Den geschälten und entkernten Apfel raspeln, Zwiebeln hacken und mit kochendem Wasser überbrühen. Alles zu den Beeten geben. Meerrettich unterrühren.

Die Eigelb mit 1 EL Zitronensaft, Sahne, Salz, 1/2 TL Mostrich, Zucker, Pfeffer, etwas Knoblauch und in Tropfen zugegebenem Öl über Dampf mit Schneebesen sämig schlagen und über das Gemüse schütten, gut verrühren, mit Suppenwürze abschmecken.

Der bunte Beetensalat schmeckt gut zu Bratkartoffeln.