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21.06.03 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Juni 2003


Alles durcheinander / Wie dem Jäger die Meute entglitt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Der Kreisvorsitzende von Jürgen Möllemanns FDP-Heimatverband Münster, Varnhagen, hat nach dem Tod des Politikers eine "Moraldebatte" bei den Liberalen über den Umgang mit Parteifreunden gefordert. Westerwelle müsse den Anstoß geben. Weiß der gutmeinende Mann, was er da lostritt? Ein Kapitel in Möllemanns Buch "Klartext für Deutschland" lautet "Angeheitert und speiübel". Der Titel umschreibt recht präzise die Stimmung, die einen befällt bei der Vorstellung, wir müßten Guido Westerwelle, Wolfgang Gerhardt, Klaus Kinkel und Konsorten dabei zusehen, wie sie mittels Moraldebatte vom Schurken über den Büßer zum Heiligen emporsteigen. In diesem Falle sollten wir auf alles gefaßt sein. Wie hieß es früher in den Flugzeugen kurz vor dem Start: " ... und genieren Sie sich nicht, von der Tüte Gebrauch zu machen!"

Über den FDP-Chef schrieb Möllemann in dem Buch: "Ich scheiterte an meiner Illusion, auf Dr. Westerwelles Verstand, Mut und Wort sei Verlaß. Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher hatten mich gewarnt: Auf den sei nie Verlaß. Ich habe nicht darauf gehört. Leider."

Schade: Jetzt fliegen unsere Soldaten doch nicht in den Kongo, auf den sie sich so gefreut hatten. Zum Trost dürfen sie aber zum Nachbarn Uganda. Da ist es auch spannend - und eigentlich ist man dort auch viel näher dran am Kern der Sache. Uganda steckt nämlich hinter einer der beiden kongolesischen "Bürgerkriegsparteien" und rüstet diese mit Waffen aus, um an das Kongo-Gold zu kommen. Ruanda bewaffnet die andere Seite - aus demselben Grund. Der Gerechtigkeit halber bekommen beide deutsche Entwicklungshilfe.

Diese Konstellation ist für die Bundeswehr überaus günstig: Endlich werden unsere Soldaten nicht mehr auf lückenhafte und manipulierte Informationen amerikanischer Satelliten angewiesen sein, um sich einen umfassenden Überblick vom Kriegsgeschehen zu verschaffen. In Uganda können sie an Ort und Stelle beobachten, wie die Waffen an die Kriegsparteien gen Kongo gehen, und gleichzeitig die französischen Soldaten abfertigen, die sie den Mörderbanden dort drüben wieder abnehmen sollen. Vielleicht könnte man den Franzosen, Belgiern usw. am ugandischen Großflughafen En-tebbe die Gewehre auch schon mal zeigen, aus denen Tage später auf sie geschossen werden wird? In jedem Falle wird Verteidigungsminister Struck den ugandischen Freunden in Kürze für die "hervorragende Kooperation" danken und ihnen den üblichen Scheck überreichen.

Früher war Afrika für seine Safaris berühmt. Seitdem Tiere schießen jedoch als unanständig gilt, haben sich moralisch handelnde Mitbürger auf die Menschenjagd verlegt. Dafür muß niemand in den Dschungel, davon gibt es auch in Deutschland genug. Michel Friedman hat sein Kaminzimmer voll mit Trophäen. Im Hochgefühl seiner Erfolge ist ihm indessen völlig entgangen, daß die scheinbar willige Meute von Hatz zu Hatz mehr ein klammheimlicher Appetit auf den Jagdherren beschlich. Jetzt sind sie hinter ihm her, die häßlichen Beißer. Es gibt eben keine Spielregeln mehr in dieser verkommenen Zeit. Friedmans größtes Versagen liegt indes weder im Drogenkonsum noch in dieser klebrigen Geschichte mit den Fräuleins aus Osteuropa. Friedman arbeitet, zahlt Steuern und ist sonst noch nicht strafrechtlich aufgefallen. So etwas ist verdächtig. Da stimmt was nicht. Wäre Friedman ein arbeitsloser Drogenabhängiger, hätte er jetzt nicht die Staatsanwaltschaft, sondern ein Rudel wohlmeinender "Betreuer" am Hals (wobei offengelassen wird, was einem mehr zusetzt). Er wäre das "Opfer der Gesellschaft" und würde von uns keine Ablehnung, sondern alles Mitleid der Welt erfahren - der Kindheit im sündigen Paris wegen.

Mysteriös sind die Hinweise aus der Justiz, man habe bei Friedman Kokainreste in "szenetypischen Päckchen" gefunden. Kaum einer weiß, was er darunter verstehen soll. Wie haben wir uns die Dinger vorzustellen? Gibt es da ein Standardmaß der Deutschen Post? Was, wenn morgen der Paketzusteller klingelt: "Ich habe ein szenetypisches Päckchen für Sie. Wenn Sie da mal unterschreiben mögen." Und schon sitzen wir in Teufels Küche!

Manche meinen, Friedman stehe sowieso nur am Pranger, weil er so unsympathisch wirke. Das könnte durchaus angehen: In der Mediendemokratie muß man schon was hermachen, um gemocht zu werden. Mickrig zu sein oder häßlich oder - Friedman - auszusehen wie ein verölter Mephisto kann die Existenz kosten. Groß und niedlich, das ist die Idealkombination für ein Höchstmaß an Zuneigung. Wale sind groß und niedlich. Deshalb bekamen Norweger und Japaner bei der Internationalen Walfangkonferenz in Berlin zu Recht ihr Fett weg. Zwar ist der (hauptsächlich gejagte) Zwergwal kaum stärker vom Aussterben bedroht als die gemeine Milchkuh, aber er singt halt so hübsch! Da schlüpfen Tierschützer kampfesmutig in ihre Rindslederschuhe ("Der olle Ochse mußte sowieso dran glauben"), schlingen schnell ihr Frühstücksei herunter ("Aus Bodenhaltung! Je drei Hühner auf einem Platz übereinander") und rasen nach Berlin in ihrem Benziner ("Hat die dritte Welt auch was von: Die Hälfte des Öls ist im Nigerdelta versickert"). Dort schnell noch ein kaltes Kotelett aus artgerechter Massentierverwurstung eingeworfen, und los geht's zur Demo zum Schutz der reizenden Riesentiere. Die Jugend hat eben doch noch Ideale.

Aber das waren diese Woche nicht die einzigen guten Nachrichten aus Berlin. Was sind wir es leid gewesen: Arbeitslosenrekorde, Pleitewelle, Schuldenfalle - nur Ka-tastrophen, deprimierend ist das. Endlich nun die Wende: Hans Eichel hat den großen Wurf gewagt (na ja: angekündigt), die Union hat sich auch auf irgend was geeinigt, und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement prophezeit gar bereits das Ende der Misere: In vier oder fünf Jahren bekämen wir "den Arbeitsmarkt in Ordnung". Wie lange haben wir auf solch einen Hoffnungsschimmer gewartet. Die Staatsfinanzen zerrüttet, die Kassen am Rande des Bankrotts, die Wirtschaft in der Rezession - Clements atemberaubende Ankündigung wirkt in dem Trümmerfeld ebenso aufmunternd wie die erfrischenden Siegesmeldungen des irakischen Informationsministers von Anfang April.

Bei Laune halten mit 99 Luftballons