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28.06.03 / Frankreichs Engagement im Kongo steht unter keinem guten Stern

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28. Juni 2003


Eine Frage des Prestiges
Frankreichs Engagement im Kongo steht unter keinem guten Stern

Von der Elfenbeinküste bis zur demokratischen Republik Kongo über Liberia hinaus scheint Frankreich sich gegenwärtig immer tiefer in die afrikanische Szene zu verstricken. Militärbeobachter in Paris schließen nicht aus, daß diese Verwicklung den USA genehm sei, da sie derzeit selbst im östlichen Mittelmeer zu sehr beschäftigt sind, um Afrika Zeit und Geld zu widmen. Zum Beispiel war in der oppositionellen Le Monde unter der Feder ihres Militärexperten, der beim französischen Generalstab als gut eingeführt gilt, zu lesen, daß sowohl Washington als auch London Druck auf Uganda, einen Nachbarstaat der demokratischen Republik Kongo, ausgeübt hätten, damit jenes Land die französische Federführung im Kongo anerkennt. In der Resolution 1484 des UN-Sicherheitsrates wurde zuvor beschlossen, eine Interventionstruppe unter dem Dach der Europäischen Union nach Ostkongo zu entsenden, in der Hoffnung, die dortigen Stammesunruhen zu beenden. Innerhalb von fünf Jahren haben diese Unruhen immerhin 50.000 Opfer gefordert und die Vertreibung von 500.000 Menschen verursacht.

Die Schwierigkeit bei dieser Intervention liegt offensichtlich darin, daß diese Intervention zeitlich und örtlich begrenzt wird. Nur in Bunia, der Hauptstadt der Provinz Ituri, sollen die 1.700 Mann der EU-Truppe (darunter schätzungsweise 900 französische Militärs) den Blauhelmen der Uno aus Uruguay zur Hilfe kommen. Nächsten September dürften die Uruguayer von Soldaten aus Bangladesh abgelöst werden. Möglicher- weise wird dann auch die Aufgabe der EU-Soldaten als beendet erklärt. Staatschef Jacques Chirac will nichts von einer Verlängerung der Anwesenheit seines Militärs in diesem Teil des ehemals belgischen Kongos hören, obwohl er darauf hinweist, daß der Einsatz der Uno und der EU in der Provinz Ituri lange dauern müßte, um die Entwaffnung der rivalisierenden Milizen erfolgreich durchzuführen.

Das in Paris erscheinende Wochenmagazin Jeune Afrique nennt in seiner letzten Ausgabe viele Einzelheiten über diesen Konflikt, der in der Gegend der "Großen Seen" geschieht, wo schon vor ein paar Jahren das Handeln der Uno bei den Massakern in Ruanda zu kritisieren war. Im jetzigen nordöstlichen Kongo gibt es zwei verfeindete Stämme: die Hemas und die Lendus. In den 60er Jahren hätten sich die Hemas die Konzessionen der belgischen Siedler angeeignet und die Lendus, die das Land ohne Einwilligung der Staatsbehörden ausbeuteten, enteignet. Aus diesem wirtschaftlichen Konflikt stammte der gegenwärtige offene Krieg zwischen diesen beiden sich bekämpfenden Stämmen. Die Nachbarn des Kongo wie Uganda und Ruanda nützten diesen Konflikt, um Einfluß in diesem Gebiet zu nehmen, und lieferten den Kriegsparteien sogar Geld und Waffen, um die Hand nach den Reichtümern der Provinz Ituri auszustrecken. Erst aufgrund dieser Einmischung ist die Angelegenheit zum international wahrgenommenen Problem geworden.

In einer Pressekonferenz warnte die französische Verteidigungsministerin Alliot-Marie vor den Schwierigkeiten, welchen die EU-Interventionstruppe begegnen dürften. Frankreich trägt in diesem Abenteuer die Hauptlast. Trotz Unterstüzung von Belgien, Kanada, Großbritannien und Deutschland gibt es keine Zweifel, daß ein Scheitern dieses Unternehmens das Prestige Frankreichs und seines Staatsoberhauptes stark beeinträchtigen würde. Außer den derzeitigen 15 EU-Mitgliedern sind noch 75 Staaten in das ganze Unternehmen finanziell eingebunden. Das bedeutet, daß viel aufs Spiel gesetzt wurde, um diese erste Intervention der EU außerhalb des europäischen Kontinents abzusichern. Obgleich viel über die Einmaligkeit des Unternehmens "Artemis" seitens des Elysée-Palastes gesprochen wurde, verbergen die Pessimisten nicht ihre Befürchtungen, daß die Massaker wieder anlaufen werden, sobald die EU-Intervention beendet sein wird. Nach dem Völkermord in Ruanda, den die Vereinten Nationen nicht haben verhindern können, ist es wahrscheinlich, daß die Lage in und um Bunia die EU und den UN-Sicherheitsrat noch lange beschäftigen wird. Pierre Campguilhem

 

Mitten ins Chaos: Die in den Kongo entsandten EU-Truppen sehen sich nicht nur Massen an Flüchtlingen, sondern auch einer für sie verkehrten Welt gegenüber. Kindersoldaten kämpfen hier gnadenlos wie die Erwachsenen gegen Jung und Alt, nur weil sie einem anderen Stamm angehören. Foto: reuters