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28.06.03 / Sonnenblumen für die Grossmutter

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28. Juni 2003


Sonnenblumen für die Grossmutter
Gabriele Lins über ein Erlebnis auf dem Flohmarkt

Ich muß endlich mein Zimmer entrümpeln, dachte ich, und fing gleich damit an. Es fiel mir schwer, mich von den vertrauten Dingen zu trennen, aber irgendwann muß mal Schluß sein mit dem Anhäufen von Sachen, die einem besonders gefallen. Wie hatte meine Großmutter immer gesagt: "Man kann nichts mitnehmen."

Also, wohin mit dem Zeug? Natürlich - auf den Flohmarkt! Und dann stand ich zum ersten Mal hinter meinem Stand und wartete auf Käufer. Verhältnismäßig schnell wurde ich ein paar Dinge los. Den Clown mit der Ziehharmonika, der roten Weste und dem schwarzen Schlapphut schob ich hinter eine Vase, damit er den Leuten nicht gleich ins Auge fiel, denn ich hätte die Figur lieber behalten.

Man muß konsequent sein, schimpfte ich mich aus und rückte sie wieder ein Stück in Sichtweite. Auch den Druck von van Gogh mochte ich eigentlich nicht hergeben, und so bedeckte ich die herrlichen Sonnenblumen mit einem bunten Schal.

Drei Leute nacheinander wollten den Clown kaufen, aber da ich so ein merkwürdig ziependes Gefühl im Magen spürte, setzte ich den Preis so hoch an, daß sie entrüstet weggingen. Und das nennst du konsequent sein, dachte ich mit schlechtem Gewissen. Der Clown zwinkerte mir zu und spielte ein Lied auf seiner Quetsche. Mir war, als hörte ich es wirklich. Allmählich leerte sich der große Platz. Die Leute an den Ständen packten ein. Ich auch. Obwohl sich mein Ausharren bis zum Mittag finanziell nicht gelohnt hatte, fühlte ich mich beschwingt und froh; die Sonnenblumen und der Clown waren noch da.

Ein kleines Mädchen stand plötzlich vor meinem Stand und betrachtete die Figur mit verlangenden Blicken.

"Magst du den Clown?" fragte ich. Die Kleine nickte. "Was gefällt dir denn so an Herrn Pampelmus?" Sie zuckte mit den Schultern, strich ihm aber gleichzeitig liebevoll über das Gesicht. "Seine rote Nase", meinte sie, "heißt er so - Pampelmus?"

Ich nickte. "Weißt du, was er gerade auf seiner Ziehharmonika spielt?" Das Mädchen kicherte: "Ha, ha, der kann ja gar nicht richtig spielen, der ist doch aus Stein." Ich legte mein Ohr an den Clown. "Ich höre aber was, sein Lied heißt: ,Alle Vögel sind schon da.'"

Wieder lachte die Kleine. "Nä, der spielt was von Rolf Zukowsky, den hör ich immer auf Kassette."

"Möchtest du den Clown haben?" fragte ich sie. Verlegen kratzte sie sich. "Nööö!" - "Du hast kein Geld, oder?" Sie schüttelte den Kopf und zog gleichzeitig die Schultern hoch. Ich reichte ihr den Clown. "Hier nimm ihn, er gehört dir."

Sie legte die Hände auf den Rükken. "Ach nee, der steht doch nur so langweilig rum, man kann nicht mal mit ihm spielen."

Blitzschnell griff sie nach dem "van Gogh". Der Schal, der das Bild verdeckt hatte, war zur Hälfte heruntergerutscht.

"Was willst du denn damit?" Meine Stimme hatte wohl nicht sehr freundlich geklungen, denn ihre Hand zuckte zurück. "Es gefällt mir eben." Ihre Stimme klang trotzig.

"Wo willst du es denn hinhängen?" - "Ich schenke es meiner Oma zum Geburtstag. Die hat so ein dunkles Zimmer, da drin überlebt keine einzige Pflanze, sagt sie immer. Und sie mag Blumen doch so gern."

Ich begriff, diese Sonnenblumen würden den Raum der alten Dame heller machen und zugleich nie verwelken oder eingehen. Ich wickelte das Bild ein. "Halte es schön vorsichtig", sagte ich, "und grüße deine Oma von mir."

Ich sah der Kleinen nach. Sorgsam hielt sie das Geschenk für ihre Großmutter umfaßt und setzte ganz langsam einen Fuß vor den anderen. Beim Einpacken der übrigen Sachen summte ich vor mich hin. Ich ärgerte mich nicht über den Verlust des Bildes, denn er würde einer alten Frau Freude bringen. Ich hatte ja noch den Clown. Zärtlich berührte ich seine rote knollige Nase, und wieder zwinkerte er mir zu, und die Töne, die er seiner Harmonika entlockte, hörte ich noch den ganzen Nachmittag.