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28.06.03 / Demnächst wieder Glockenklang in Arnau / Die Katharinenkirche erhält kommenden Monat vom Kuratorium Arnau e. V. eine 222 Kilo schwere Kirchenglocke

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 28. Juni 2003


Demnächst wieder Glockenklang in Arnau
Die Katharinenkirche erhält kommenden Monat vom Kuratorium Arnau e. V. eine 222 Kilo schwere Kirchenglocke
von Walter T. Rix

Die vor den Toren Königsbergs hoch über dem Pregel gelegene Katharinenkirche in Arnau hatte zwar den Krieg heil überstanden, war nach 1945 jedoch zerstörerischen Einwirkungen derart ausgesetzt, daß von dem einst so bedeutsamen Gebäude nur noch eine Halbruine übrigblieb. Seit 1992 betreibt das "Kuratorium Arnau e. V." in Zusammenarbeit mit den russischen Behörden die Sicherung und Restauration der Kirche. Obgleich der gemeinsame Weg der Zusammenarbeit äußerst dornenreich ist, da die russische Seite ihre eigenen Vorstellungen von Qualität und Vertragstreue hat, führte die Arbeit des Kuratoriums unter Leitung von Dipl.-Ing. Ralph Schroeder dank der Beharrlichkeit und Sachkompetenz zu einem eindrucksvollen Erfolg: Der "enthauptete" Turm wurde denkmalgerecht wiederhergestellt. Es fehlt noch nicht einmal eine genaue Nachbildung der heiligen Katharina, die von der Turmspitze aus weit in das Land grüßt. Nachdem auch ein Glockenstuhl eingebaut wurde, blickt der erste Bauabschnitt nunmehr einem Höhepunkt entgegen:

Mit Hilfe von großzügigen Spendern und Förderern hat das Kuratorium von der Glockengießerei Bachert in Bad Friedrichshall eine für die Ordenskirche passende Glocke von 222 Kilogramm erworben. Der Transport der Glocke nach Arnau durch eine Spedition ist für diesen Juli vorgesehen. Vorher sind jedoch noch bürokratische Hürden wie zum Beispiel die Regelung der Zollbestimmungen zu überwinden. Wenn alles gutgeht, dann wird die Glocke danach mit ihrem Klang ei-ne frohe Botschaft weit in das umliegende Samland aussenden. Die symbolische Bedeutung des Glockenklangs ist dabei nicht zu unterschätzen, schwingt doch die Nachricht mit: Hier ist Kultur, die uns am Herzen liegt, wiedererstanden. Das läßt uns Hoffnung schöpfen, daß trotz der im nördlichen Ostpreußen fortschreitenden Kulturzerstörung wichtige Zeugnisse doch noch gerettet werden können.

Und noch etwas Positives ist über die Ordenskirche zu vermelden. Bis 1992 wurde die Kirche von der örtlichen Sowchose als Getreidespeicher genutzt. Man hatte dazu einen Schüttboden eingezogen und die Wände mit Kalkfarbe geweißt. Zwar war dies ein brutales Vergehen an den kunsthistorisch einmaligen Fresken aus dem frühen 14. Jahrhundert, aber - Glück im Unglück - die Übermalung bewahrte die Kunstwerke vor der restlosen Zerstörung. Allerdings waren die Fresken bis zur Sicherung des Objektes durch einen Bauzaun und eine ständige Bewachung noch erheblichen Gefährdungen ausgesetzt. Diese rührten nicht nur von Baumaßnahmen der Sowchose her, sondern auch daher, daß örtliche Jugendliche die Fresken für deutsche Besucher durch Abkratzen der Kalkfarbe "freilegten". Genauere Untersuchungen im Laufe des Jahres 2001 erbrachten schließlich, wie das Kuratorium stets vermutet hatte, daß zahlreiche Abschnitte des im Kirchenschiff als doppelter Fries umlaufenden Freskenbandes noch gerettet werden können.

Es mutet geradezu wie ein Wunder an, daß gerade zentrale Szenen des Heilsspiegels, wie die Darstellung des segnenden Christus, der Zerstörung entgangen sind. Hier stellt sich zukünftig für die Restauratoren eine äußerst gewinnbringende Aufgabe, deren Bewältigung dem ehemaligen Gotteshaus wieder den Status eines einzigartigen kulturhistorischen Zeugnisses verleihen wird. Denn derartige Fresken, die auf den lateinischen Heilsspiegel ("Speculum humanae salvationis") von 1324 eines Straßburger Mönchs zurückgehen, gab es nur noch im Königsberger Dom. Dort aber wurden sie ein Opfer der Bomben. Damit verbleibt Arnau als einziges Beispiel. Vergleichbare Darstellungen finden sich lediglich noch in den Fenstern zweier Kirchen im Elsaß. Kunstgeschichtlich binden die Fresken Arnau daher an unseren Kulturkreis.

Über diese positiven Nachrichten dürfen jedoch die gravierenden Probleme nicht vergessen werden. Zwischen dem Kuratorium und der russischen Seite bestehen unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Wiederherstellung der Dachkonstruktion. Während die russische Planung eine Stahlkonstruktion vorsieht, im Sinne eines während der Sowjetzeit beliebten technischen Hauruckverfahrens, lehnt das Kuratorium dies entschieden ab und besteht auf einer fachgerechten Holzkonstruktion. Die russische Position ist um so weniger einzusehen, da bei einer Insterburger Firma das erforderliche Holzmaterial in den entsprechenden Abmessungen problemlos bezogen werden kann. Die Divergenzen erstrecken sich jedoch noch auf andere Bereiche. So geht das Kuratorium nicht davon ab, daß nur Ziegelsteine im richtigen Format und mit den erforderlichen Materialeigenschaften, zum Beispiel Frost- beständigkeit, Verwendung finden dürfen.

Mit Blick auf die realen Bedingungen, mit Ausdauer und Sachverstand wurde bisher viel erreicht. Das "Kuratorium Arnau e. V." ist sich dessen bewußt, daß noch viele Probleme anstehen und große Schwierigkeiten zu überwinden sind. Aber der bisherige Erfolg und die Bedeutung des Projektes sind Ermutigung, den beschrittenen Weg fortzusetzen. Auch wenn das Vorhaben noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird, es ist ein ostpreußischer Fingerzeig in die Zukunft. Zudem bietet es ein Zeugnis konstruktiver deutsch-russischer Zusammenarbeit und erweist sich damit auch als ein zukunftweisendes Beispiel. Und mehrere Konzerte in der Kirche haben bereits gezeigt, in welch verständnisvollem Geist Deutsche und Russen hier zusammenkommen können. Nicht zuletzt wird das Kuratorium im Turm eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Kirche und zur Bedeutung Arnaus einrichten.

Die Ausstellung ist nach rechtzeitiger Anmeldung beim "Kuratorium Arnau e. V." zu besichtigen.

Dank Spenden möglich: Die neue Glocke Foto: privat

Kirche in Arnau: Diente lange als Kornspeicher