28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.07.03 / "Die Amis tun's doch auch" / Europas Zurückhaltung bei Genprodukten verärgert George W. Bush

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. Juli 2003


"Die Amis tun's doch auch"
Europas Zurückhaltung bei Genprodukten verärgert George W. Bush
von R. G. Kerschhofer

Es konnte kaum ausbleiben: Die ohnehin durch Unsachlichkeit gekennzeichneten Diskussionen und Maßnahmen zum Thema Gentechnik heizen nun auch noch den Konflikt der derzeitigen US-Regierung mit den "alten" Europäern an: Bush behauptet allen Ernstes, die Europäer seien am Hunger in Afrika schuld, weil sie gentechnische Agrarprodukte ablehnen! Das ist natürlich Unsinn, denn die seit Urzeiten wiederkehrenden Dürrekatastrophen sind keines Menschen Schuld.

Richtig ist aber, daß Europäer genauso wie Amerikaner am Hunger in Afrika mitschuldig sind, weil sie für die dortigen Konflikte mitverantwortlich zeichnen: wegen jener Grenzen, die quer durch Völker gezogen wurden oder verfeindete Völker in denselben Staat zwängen. Des weiteren wegen diverser Stellvertreterkriege, meist um Bodenschätze. Und nicht zuletzt wegen eines ins Pathologische übersteigerten Tierschutzes. Nehmen wir etwa die Elefanten, die am Bildschirm so niedlich aussehen: 600.000 Stück zertrampeln die Gegend, und jeder von ihnen vernichtet so viel Vegetation, wie Hunderte Afrikaner zum Überleben brauchen.

Wenn Bush den Europäern "unwissenschaftliche Angst" vor Gentechnologie vorwirft, hat er ausnahmsweise recht. Es ist eben leider so, daß Bio-Hysterie Schlagzeilen, höhere Umsätze und bessere Wahlergebnisse bringt. (Der Ausdruck "genmanipuliert" ist übrigens ein Paradebeispiel für Manipulation.) Andererseits neigen Völker mit (nach wie vor) besserer Allgemeinbildung auch zu mehr Vorsicht - was durchaus nicht schädlich sein muß.

Glatter Unsinn ist es, wenn ein US-Staatssekretär behauptet, Gentechnik sei "wissenschaftlich erwiesen sicher", und als Begründung hinzusetzt, daß ja jeder Amerikaner solche Sachen jeden Tag esse: Was die Amerikaner jeden Tag tun, muß noch lange nicht gut sein - weder für sie noch für den Rest der Welt.

Ist Gentechnik also unsicher? Auch eine solche Behauptung wäre wissenschaftlich unhaltbar. Denn Sicherheit ist eine relati- ve Maßangabe, eine Wahrscheinlichkeitsgröße in einem definierten Rahmen: Kein Flugzeug ist vor Absturz sicher, aber ein Flugzeug, das als einziges den Luftraum benutzt, ist immerhin vor Zusammenstoß sicher. Wie jede Technik ist auch Gentechnik wertneutral - Gefahren kommen nur aus verantwortungslosem bis verbrecherischem Umgang damit.

Grundsätzlich könnte jede vorsätzlich herbeigeführte genetische Veränderung auch durch zufällige Mutation entstehen, der Unterschied liegt nur im durchschnittlichen Zeitbedarf. Was "transgenetische" Veränderungen betrifft, also die Übernahme oder das Einpflanzen artfremder Gene, ist noch keinesfalls entschieden, ob dies auch durch Nahrungsaufnahme erfolgen könnte. Wenn ja, so müßte es aber gleichermaßen für "natürliche" wie für "künstliche" Mutationen gelten. Und daß selbst "natürliche" Mutationen schädlich sein können, hat eben erst wieder die SARS-Epidemie gezeigt.

Dennoch stünde es unseren Politikern gut an, Bushs Ansinnen nicht bloß abzulehnen, sondern dies mit der richtigen Begründung und in Klartext zu tun: Es geht Bush nämlich gar nicht um Gentechnik und schon gar nicht um den Hunger. Es geht vielmehr ausschließlich darum, die Landwirtschaft weltweit von jenem Saatgut abhängig zu machen, das einige wenige US-Konzerne produzieren! Und die sind nicht an kleinen Bauern interessiert, sondern nur an Betrieben mit großflächigen Mo-nokulturen. Und deshalb macht man "Strukturbereinigungen", die Abermillionen Menschen entwurzeln und in die Elendsviertel der Großstädte treiben. Und im Krisenfall läßt sich nichts mehr rückgängig machen, denn konventionelles Saatgut ist dann nicht mehr verfügbar ...

Artenvielfalt und Lebensqualität werden nicht durch die Gentechnik bedroht, sondern durch ultrakapitalistischen Mißbrauch. Zwar kann Bush es als innenpolitischen Erfolg verkaufen, wenn in Johannesburg mehr Morde geschehen als in New York, Chicago und Los Angeles. Aber wollen wir den Sack - die Gentechnik - schlagen, wenn wir eigentlich den Esel meinen?

Französische Greenpeace-Aktivistin: Besonders in Europa ist die Skepsis bezüglich genveränderten Produkten sehr groß. Die USA hingegen empfinden Europas Zurückhaltung als albern und sind verärgert, da sie einen Abnehmer weniger für ihre genmanipulierten Produkte haben. Foto: reuters