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05.07.03 / Berlin: Flucht aus der Trauer / Diskussion über "Zentrum gegen Vertreibungen"

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 05. Juli 2003


Berlin: Flucht aus der Trauer
Diskussion über "Zentrum gegen Vertreibungen"
von Karlheinz Lau

Das Thema Vertreibung hat hierzulande derzeit Konjunktur. Jedenfalls bei den Eliten verschiedenster Couleur, die es bekanntlich jahrzehntelang totschwiegen.

Am 30. Juni fand zu dieser Thematik eine hochrangig besetzte Tagung an der Universität Viadrina in Frankfurt/Oder statt, veranstaltet unter anderem von der Friedrich-Ebert- und der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Konferenz stand unter der Überschrift: "Erinnerung und Aufklärung - Das Erbe der Vertreibungen im heutigen Europa".

Bereits am 25. Juni diskutierten in Berlin in der Französischen Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt die BdV-Vorsitzende Erika Steinbach, Helga Hirsch, die polnische Publizistin Cieslinska-Lobkowicz, Markus Meckel und der Osteuropahistoriker Prof. Hans Lemberg, Mitherausgeber der vierbändigen polnischen Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße.

Der Titel dieser Veranstaltung lautete: "Ein Zentrum gegen Vertreibungen - Nationales Gedenken oder europäische Erinnerung?" Leiter der Diskussion, in die auch die Zuhörer im Auditorium einbezogen wurden, war der bekannte Publizist und Polenfachmann Thomas Urban.

Die Ortswahl bei der von dem in Potsdam ansässigen "Deutschen Kulturforum östliches Europa" durchgeführten Veranstaltung war bewußt erfolgt: der Französische Dom galt als religiöses Zentrum der Hugenotten, also der französischen Glaubensflüchtlinge, im einstigen Preußen.

Was kann als Fazit dieses Abends festgehalten werden? - Es besteht Einvernehmen darin, daß ein "Zentrum gegen Vertreibungen" notwendig ist, jedoch ist man sich uneinig über den künftigen Standort. Genannt wurden Berlin, Breslau, Görlitz und Küstrin. Verschiedene Meinungen gab es außerdem zum inhaltlichen Rahmen.

Markus Meckel wiederholte sein bekanntes Eintreten für ein europäisches Zentrum der Dokumentation, Forschung und Begegnung mit Sitz in Breslau, während sich Helga Hirsch für eine Beteiligung der relevanten gesellschaftlichen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich der Vertriebenenorganisationen aussprach und der "Europäisierung" eine klare Absage erteilte.

Diese sei eine Flucht vor der eigenen Geschichte und der eigenen Trauerarbeit, sagte sie. Eine Mitwirkung unserer Nachbarn im Osten müsse schließlich auch im Falle einer deutschen Federführung keineswegs ausgeschlossen werden.

Befürchtungen vor einem deutschen Alleingang in dieser Frage, wie sie in Polen und Tschechien immer wieder geäußert werden, wies auch Erika Steinbach zurück. Die BdV-Vorsitzende betonte, daß ein solches Zentrum die Aufgabe habe, unter dem zentralen Gesichtspunkt der Menschenrechte einen Beitrag dafür zu leisten, daß künftig Vertreibungen bzw. "ethnische Säuberungen" kein Mittel der Politik mehr sein dürften. Dies aber sei ein Anliegen aller europäischen Nachbarn.

Kritisch muß zum Verlauf der Diskussion angemerkt werden, daß zwar immer wieder auf die Geschichte hingewiesen wurde, diese aber für die Podiumsmitglieder offenbar in der Regel erst mit dem 20. Jahrhundert beginnt.

Auch gilt es deutlicher auszusprechen, daß das Vorhaben "Zentrum gegen Vertreibungen" eine Initiative der deutschen Heimatvertriebenen ist. Wenn diese Idee nun immer mehr Zustimmung in der bundesdeutschen Bevölkerung findet, dann hat das ganz wesentlich damit zu tun, daß der Exodus der Deutschen aus Ost- und Westpreußen, Pommern, Ostbrandenburg, Schlesien und dem Sudetenland einen brutalen Schnitt für die deutsche Nationalgeschichte darstellt.

Innerhalb weniger Jahre wurden am Ende des Zweiten Weltkrieges nicht "nur" Millionen von Existenzen vernichtet, sondern gleichzeitig die Ergebnisse jahrhundertelanger Kulturentwicklung ausgelöscht.

Dieser schwerwiegende Punkt ist in der bisherigen Diskussion viel zu kurz gekommen. Dabei begründet er doch sehr schlüssig, warum das Projekt des Zentrums ein deutsches sein muß.

Im übrigen konnte man nicht erst bei diesem Gespräch in Berlin den Eindruck gewinnen, daß mittlerweile die Argumente ausgetauscht sind und daß es Zeit wird, konzeptionelle Klarheit zu schaffen und endlich mit der Umsetzung zu beginnen. Das wäre nicht zuletzt den Angehörigen der Erlebnisgeneration zu wünschen, deren Zahl bekanntlich von Jahr zu Jahr stark zurückgeht.