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12.07.03 / Ein "Deal" unter Ehrenmännern / Wie man mit Hilfe von Steuergeldern fast ganz legal den Staat ausbeutet (TeilII)

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Juli 2003


Ein "Deal" unter Ehrenmännern
Wie man mit Hilfe von Steuergeldern fast ganz legal den Staat ausbeutet (TeilII)
von Prof. Dr. Hans-Joachim Selenz

Was bisher geschah: Ernst Pieper, Firmenchef der bundeseigenen Salzgitter AG, hat aufgrund geschickter Ausnutzung staatlicher Gelder wie zum Beispiel der Zonenrandförderung zu viel Geld im Unternehmen und sucht im Herbst 1989 nach Investitionsobjekten. Die marode Preussag AG, die zu 40 Prozent der West-LB gehört, scheint eine lohnenswerte Anlage. Friedel Neuber, Chef der West-LB und Freund von NRW-Ministerpräsident Johannes Rau, startet gerade mit Erstinvestitionen der Preussag AG in die Tourismusbranche. Das viele Geld aus Salzgitter kommt ihm da sehr gelegen, doch die Pleitefirma Preussag AG hat absolut kein Geld, um die 15 Mrd. schwere Salzgitter AG zu kaufen. Dank kreativer Ideen der Wirtschaftsprüfer wird der Wert des Unternehmens samt Tochterfirmen allerdings auf 2,5 Mrd. heruntergesetzt und dem Land Niedersachsen mit dessen eigenen 2,5 Mrd. aus der "vergessenen" Portokasse der Salzgitter AG abgekauft. Immer mit dabei: Hochrangige Gewerkschaftsfunktionäre, die zwar satte Tantiemen kassierten, ihre Aufsichtspflicht aber grob vernachlässigten.

Das erste Reiseabenteuer von Friedel Neuber war zwischenzeitlich bereits grandios gescheitert. Bruder Johannes mußte seinem roten Freund mal wieder mit Milliarden aus der Patsche helfen.

Neuber hatte auch die Sache mit den Verträgen und den rechtlichen Zusammenhängen nicht so ganz mitbekommen. Bis zum Tod von Ernst Pieper, der die Preussag als Vorstands-Chef leitete, wurden noch alle Verträge mit dem Bund eingehalten. Pieper kannte ja die Hintergründe und die Verträge. Nachdem im Jahre 1994 jedoch Neuber seinen ehemaligen Büroleiter Dr. Michael Frenzel zum Preussag-Boss gemacht hatte, ging alles auf einmal ganz anders und ganz schnell.

Frenzel zerlegte auf Weisung seines Chefs das Bundesunternehmen und startete mit den Erlösen das Tourismus-Abenteuer Nr. 2. Da er sich so auf die neuen Felder konzentrierte, rutschten einige Konzernfirmen wie der Anlagenbauer Noell und der Handy-Hersteller Hagenuk tief in die roten Zahlen. Um dies zu vertuschen, wurden die Bilanzen gefälscht. Vorher schon hatte man den Wirtschaftsprüfer bestochen (zum Beispiel mit teuren Reisen zu den Olympischen Spielen in Atlanta).

Mit meiner Unterschrift als Preussag-Vorstand wollte ich diesen Betrug nicht begleiten und wurde daher prompt gefeuert. Vorher wurde der von mir beanstandete Jahresabschluß auf meine Forderung hin einer Sonderprüfung unterzogen. Nicht jedoch, wie von mir gefordert, von einem zweiten unabhängigen Prüfer, sondern von den gleichen Wirtschaftsprüfern, die das ganze schon einmal geprüft und in Ordnung befunden hatten. Man kam - natürlich - zu dem Ergebnis, daß alles in bester Ordnung sei. Nachdem ich am 4. Februar 1998 aus dem Preussag-Vorstand entfernt worden war (weil ich den Jahresabschluß auch nach dieser "Prüfung" nicht unterschreiben wollte), veröffentlichte man den frisierten Abschluß und druckte in den Geschäftsbericht unter dem Bestätigungsvermerk die Formel: Der Vorstand im Januar 1998! Da ich im Januar Vorstand der Preussag war, jedoch nie unterschrieben habe, eine glatte Fälschung. Die Unterschriften von Vorstand und Wirtschaftsprüfer, sonst der Beleg für die Betätigung, ließ man einfach weg.

Die freien Aktionäre der Preussag hatten deshalb keine Chance zu erfahren, daß sie als Dividende lediglich ihr eigenes Vermögen ausgezahlt erhielten, das vorher heimlich in vorgeblich operative Gewinne "umgerubelt" worden war. Hierauf hätte im Jahresabschluß nach den Buchstaben des Gesetzes hingewiesen werden müssen. Und die Preussag zahlte auch noch Steuern auf dies Vermögen (hier läßt übrigens Enron grüßen!).

Zwischenzeitlich ist das Vermögen der Aktionäre fast vollständig in Rauch und Steuern aufgegan- gen. Die "alte" Preussag ist zerschlagen, und den neuen Tourismusfirmen geht es wie den alten bei Neubers Reise-Abenteuer Nr. 1: Sie verdienen nicht einmal ihre Kredit-Zinsen.

Aus 12 Milliarden DM Vermögen - ohne Portokasse - sind, unter Berücksichtigung der Leasingverbindlichkeiten durch das Wirken von Neuber und seinem Erfüllungsgehilfen Michael Frenzel allein in Hannover mittlerweile 5,4 Milliarden Euro Netto-Schulden (Stand: Ende 2002) geworden. Hans im Glück hatte am Ende seines Weges noch einen Stein. Michael Frenzel hat lediglich ein riesiges rotes Loch geschaffen.

Dabei hatte er seine schlimmsten Verlustbringer sogar schon 1999 bei der Babcock Borsig AG in Oberhausen entsorgt. Dort wirkte auf Geheiß von Mentor Neuber Erfüllungsgehilfe Nr. 2: Klaus Lederer. Der Schaden in Oberhausen: ca. fünf Milliarden Euro. Bei HDW in Kiel fehlen zusätzliche 600 Millionen Euro in der Firmenkasse, und die West-LB türmt derweil weitere Milliarden-Verluste auf.

Licht im Dunkel des veruntreuten Bundesvermögens:

Die 2,5 Milliarden DM aus der Portokasse (Grundstock für Bundesumweltstiftung, mit der Kirchen saniert und Solaranlagen gefördert wurden) wirken weiter segensreich und "erleuchtend" in der ganzen Republik. Der Verbleib des restlichen Bundesvermögens von zwölf Milliarden DM lag dagegen lange im Dunkeln. Und zwar so lange, bis ich mich als Vorstand der Preussag AG weigerte, die gefälschte Bilanz zu unterschreiben. Damit erst kamen die Zusammenhänge ans Licht.

Jetzt ist das Drama um die verbrannten Bundes-Milliarden und die Betrugsvorgänge allen Verantwortlichen natürlich nur noch peinlich. Die weisungsgebundenen Staatsanwälte in Hannover schwitzen Blut und Wasser, seit ich ihnen diese kriminellen Vorgänge auf die Aktentische legte, tun aber nichts. Derweil brechen innerhalb der West-LB/Preussag-Gruppe die Firmen reihenweise zusammen. Die Politiker wollen sich gar nicht vorstellen, daß so viele Manager mit bestem Ruf wie zum Beispiel Dürr, Kuhnt, Liesen und Voss und auch viele Gewerkschaftsfunktionäre sich so weit von allen gesetzlichen Vorgaben entfernen konnten. Bei Neuber waren Bilanz- und Börsenmanipulationen, Untreue-, Erpressungs-, Bestechungs- und Nötigungsvorgänge sowie Geldwäsche und Steuerhinterziehung tägliches Brot. Dies war allen Beteiligten bekannt. Kanzlerkandidatenaspirant Schröder hatte ihn zur Jahreswende 1997/ 98 bereits als "allgemein bekannten Schwerstkriminellen, der allerdings nicht zu packen ist, da er alle im Sack hat", bezeichnet. Die Landesregierung unter Schröder, die alle Betrugsaktionen kannte, stellte mich damals vorsorglich unter Polizeischutz. Sicher ist sicher, dachte man sich. Man brauchte mich noch, und zwar gegen Neuber.

Schaut man sich das Desaster an, das er angerichtet hat, und den Skandal um dessen juristische Aufarbeitung, so muß Neuber tatsächlich sehr viele im Sack haben. Die Aufsichtsräte hatten jedenfalls mehr Angst vor ihm als vor dem deutschen Aktienrecht. Offenbar geht es den Staatsanwälten in Hannover ähnlich. Selbst der von mir über alle vorgenannten Betrugsvorgänge detailliert informierte Generalbundesanwalt verharrt angesichts des Milliardenschadens für die Bundesrepublik Deutschland in regloser Stille. Einzig die Staatsanwaltschaft Düsseldorf arbeitet seriös. Sie bearbeitet jedoch nur einen Teilaspekt des Betrugs - den Babcock Borsig-Skandal.

Zwischenzeitlich ist mit diesem Skandal jedoch auch der gesamte Betrugsfall über den großen Teich gesprungen. In New York klagt ein geschädigter Investor auf Schadenersatz aus diesem Kollateralschaden in Oberhausen. Er klagt gegen Neuber, Frenzel und Co. Guy Wyser-Pratte, so der Name des Investors, hatte in Deutschland vergeblich versucht, sein Recht gerichtlich durchzusetzen. Nachdem er von der deutschen Justiz abgeblockt wurde, ruft er Gerichte in den USA an. Dort ist man gegen-über Bilanzbetrügern, die es diesseits wie jenseits des Atlantik gibt, ent- schieden weniger nachsichtig. Die Klage wurde kürzlich erweitert auf organisierte Kriminalität.

"Ehrenmann" Neuber hat sich so verhalten, wie man es von ihm erwarten durfte: kriminell.

Die Rolle von Ex-Staatssekretär Tietmeyer in diesem Skandal ist allerdings für unseren Staat und für den Steuerzahler im Effekt nicht einen Deut besser. Tietmeyer kannte das Unternehmen bis in die Portokasse. Er kannte als Spitzenbeamter alle gesetzlichen Vorgaben und er kannte auch die Verträge. Er selbst hatte sie - basierend auf unseren Gesetzen - abgefaßt. Mit dem Eid, den er auf unsere Republik abgelegt hat, hatte er geschworen, unsere Gesetze zu wahren, Schaden von unserem Land abzuwenden. Der angerichtete Schaden geht inzwischen, wie wir wissen, weit über die zwölf Milliarden DM Bundesvermögen hinaus, die allein in Hannover veruntreut wurden.

Bei all diesen Betrugsvorgängen hat Herr Tietmeyer seelenruhig zu- beziehungsweise weggeschaut.

Wer von beiden "Ehrenmännern" ist also anzuklagen? Ich meine: beide!

Der Fall Neuber und Co. zeigt schlaglichtartig die Machtlosigkeit unserer weisungsgebundenen Staatsanwaltschaften in einem von der Politik beeinflußten Umfeld, wie dem der West-LB. Der Justizminister eines Bundeslandes entscheidet letztlich darüber, ob ein krimineller Parteifreund beziehungsweise -genosse vor Gericht gestellt wird. Selbst gröbste Verstöße gegen unsere Rechtsordnung kann er ganz "legal" vertuschen. Schwerste Straftatbestände landen somit oft einfach im Papierkorb und nicht vor dem Richter, insbesondere dann, wenn sie Landesgrenzen überschreiten. Für einen Bürger sind diese Rechtsbrüche durch Politiker nicht erkennbar.

Letztlich werden Staatsanwaltschaften in unserem Land damit im politisch-wirtschaftlichen Umfeld oft ganz gezielt als juristische Sollbruchstellen mißbraucht. Sie werden zu Anwaltschaften der "Staatspartei" des jeweiligen Bundeslandes und juristischen Kungelbuden degradiert. Was wir in Deutschland jedoch dringender brauchen denn je, sind Anwälte des Staates. Wie das Beispiel Neuber zeigt, kann ein krimineller Parteigenosse mit einflußreichen Freunden in unserem Land offensichtlich machen, was er will. Mit Rechtsstaatlichkeit haben der Fall Neuber und das Verhalten vieler Justizbehörden in diesem Skandal rein gar nichts mehr zu tun. Auch Politiker und deren Freunde sollten sich und ihr Handeln an unseren Gesetzen messen lassen - und zwar von Anwälten des Staates und nicht von Partei-Lakaien. Warum fürchten so viele Politiker in Deutschland freie Staatsanwälte?

Sollten in einem Rechtsstaat am Ende nicht immer unabhängige Richter entscheiden? Und zwar ohne Ansehen der Person? Parteigenossen beziehungsweise -freunde haben als Anwälte in eigener Sache hier nichts zu suchen! Vor diesem Hintergrund ist die politische Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte nicht nur in meinen Augen das Krebsgeschwür des Rechtssystems in Deutschland.

Den Spiegel (7/2000) erinnern die Zustände in NRW daher auch längst an Mafia.

Ein Rückblick: In Italien wurden Erfolge im Kampf gegen die organisierte Kriminalität erst erreicht, als Staatsanwälte frei, das heißt ohne Weisungen seitens der Politik, ermitteln konnten.

PS: Die Mullahs warten derweil immer noch auf das Geld von der Preussag. Die 2.500 Wohnungen hat Neuber - zusammen mit dem anderen Bundeskram - längst verscherbelt. Der Erlös, das Schmiergeld aus der Staatskasse, ist mit den anderen Milliarden längst versickert. Wo? Im roten Sumpf der West-LB/Preussag-Gruppe irgendwo zwischen Atlanta, Düsseldorf, Hannover, Kiel, London und Oberhausen.

(Mit freundlicher Genehmigung des Informationsdienstes Vertrauliche Mitteilung/Herausgeber: Thomas Brügmann)

 

Es ist nicht alles Gold, was glänzt: Der Kauf von Thomson sei die größte Akquisition der Geschichte der Preussag, verkündete der Preussag-Chef Frenzel (M.) im Mai 2000. Der ehemalige Preussag-Konzern, heute TUI AG, wurde durch die Übernahme des britischen Reiseunternehmens Thomson Travel das weltweit größte Touristik-Unternehmen. Foto: dpa

 

Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz

Geboren am 29. Juni 1951 in Gudensberg/Hessen, Studium der Eisenhüttenkunde (Stahlmetallurgie) an der TU Berlin. 1976 Diplom, 1980 Promotion. Ab Oktober 1980 in leitender Funktion in Forschung und Entwicklung bei Nordferro, Emden, Klöckner Werke AG, Georgsmarienhütte und Peine Salzgitter AG tätig. Seit 1992 Mitglied des Vorstandes der Preussag Stahl AG, 1994 Sprecher des Vorstandes und seit 1996 Mitglied des Vorstandes der Holding, Preussag AG. Am 4. Februar 1998 Abberufung als Preussag-Vorstand wegen der Weigerung, den gefälschten Jahresabschluß des Unternehmens zu unterschreiben. Am 15. März 1999 Rücktritt als Vorstandsvorsitzender des am 2. Juni 1998 als Salzgitter AG an die Börse gebrachten Unternehmens wegen IG-Metall-Intrigen im Auftrag von Friedel Neuber.

(Weitere Informationen: www.hans-joachim-selenz.de