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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Juli 2003 |
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An der Spitze einer Bewegung Mit dem Bauhaus-Stil waren deutsche Architekten richtungweisend von Rüdiger Ruhnau Die Gestaltung einer Landschaft samt den dazugehörigen Bauten ist ein untrüglicher Maßstab für die kulturelle Kraft ihrer Bewohner. In nicht wieder erreichter Vollendung schufen die alten Griechen Tempelbauten, die sich harmonisch dem Landschaftsbild einordneten, dazu edle Werke der Plastik, welche Jahrtausende überdauerten. Ihre Schönheit und ihr Ebenmaß war den Hellenen mehr als nur ein ästhetischer Genuß, sie dienten auch der Erziehung. Indem für jedermann die vollkommene Harmonie von Körper und Geist in den zahllosen Statuen sichtbar wurde, regte man das Volk an, dem künstlerischen Vorbild nachzueifern. Auch das harmonische Bild alter deutscher Städte beruht auf einer organisch gewachsenen Baukunst, die bis zum Beginn des Zeitalters der Technik andauerte. Das Antlitz der Heimat war so lange ein Spiegelbild der inneren Volksordnung, bis Materialismus und Industrialisierung den sicheren Formwil-len störten. Das "Plüschzeitalter", wie man die Gründerzeit auch gern nennt, mit seinen schwülstigen Formen und üppigen Darstellungen wurde zum Synonym für den Begriff des schlechten Geschmacks. Kein Wunder, daß sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts fortschrittliche Kräfte regten, die einer Ablösung des "bourgeoisen Wohnstils" das Wort redeten. Im Jahre 1907 gründeten einige Künstler, Architekten und Unternehmer in München den Deutschen Werkbund, eine Elite-Vereinigung, die durch das praktische Beispiel auf eine Veredelung der gewerblichen Arbeit, gerade auch für die Produkte der Serienfertigung, hinwirkte. Ihr gehörten nicht nur bekannte Architekten wie Peter Behrens, Theodor Fischer, Richard Riemerschmid an, oder der Vorkämpfer des Jugendstils Josef Olbrich, auch industrielle und handwerkliche Unternehmen beteiligten sich: Die Deutschen Werkstätten in Dresden, die Vereinigten Werkstätten für Kunst und Handwerk in München sowie die Wiener Werkstätte. Infolge seiner erzieherischen Arbeit gewann der Deutsche Werkbund bald maßgebenden Einfluß auf die Formgebung von Möbeln, Geräten des täglichen Bedarfs und schließlich auch auf den Hausbau. Man stellte sogenannte "Warenbücher" zusammen, damit der Verbraucher seine häusliche Umwelt ohne den üblichen Kitsch einrichten konnte. Vor allem aber gab es Ausstellungen, welche die gute Werkform propagierten. Als der Stuttgarter Gemeinderat einer Initiative des Deutschen Werkbundes zustimmte, innerhalb des städtischen Wohnbauprogramms auf dem Gelände am Weißenhof 60 Wohnungen zu errichten, sollten zunächst "traditionelle" wie "moderne" Architekten teilnehmen. Paul Bonatz, Lokalmatador, Erbauer des vielgerühmten Stuttgarter Hauptbahnhofs, entwarf einen ersten Plan für eine generelle Bebauung mit traditionellen Giebelhäusern. Dagegen erhob die Gruppe der progressiven Werkbundmitglieder Widerspruch. Bonatz und Schmitthenner traten aus dem Deutschen Werkbund aus, sie standen fortan in Opposition zur Weißenhof-Siedlung. Die architektonische Oberleitung der als Bauausstellung konzipierten Siedlung erhielt nun Mies van der Rohe (eigentlicher Name Ludwig Mies). Um der Siedlung einen einheitlichen Charakter zu verleihen, entsprechend der geradlinigen Form der "Neuen Baukunst", einigte man sich auf die allgemeine Verwendung des Flachdachs. An die Stelle nationaler Baustile trat ein "internationaler Stil", innerhalb dessen die ausgewählten Architekten ihre baulichen Vorstellungen auf der Grundlage moderner Gestaltungsprinzipien im Jahr 1927 realisieren konnten. Beteiligt waren 17 international bekannte Architekten, darunter Peter Behrens, Hans Poelzig, Mies van der Rohe aus Berlin; Le Corbusier aus Paris; Mart Stam und J. Oud aus Holland; Walter Gropius vom Bauhaus Dessau; Adolf Rading und Hans Scharoun aus Breslau. Von Anfang an waren die Häuser heftigster Kritik ausgesetzt, vor allem das Doppelwohnhaus von Le Corbusier, dessen Fundamente nicht mehr Mauern, sondern Pfosten bilden, wobei das Haus gleichsam auf Stelzen steht. Als bau- technisch richtungweisend galt der Mietwohnblock von Mies v. d. Rohe durch die Verwendung eines Stahlskelettbaus, der eine rationelle Bauweise ermöglicht: "Wirtschaftliche Gründe fordern heute beim Bau von Mietwohnungen Rationalisierung und Typisierung ihrer Herstellung." Mies ließ von Innenarchitekten 24 Wohnungen in seinem Block einrichten, ausgestattet mit Stühlen aus Stahlröhren und Gurten, "die an das Atelier eines Zahnarztes erinnern", meinten Kritiker. Obwohl das Projekt einen einmaligen Überblick über das Neue Bauen und seine internationale Auswirkung bot, wurden die Gegenstimmen immer lauter. Man vermißte die Gemütlichkeit eines Heims, kritisierte den Verzicht auf schmückende Fassaden, "wodurch die Baukuben oben und unten verlieren und wie eine Kiste umkehrbar sind." Für die eigentliche Zielgruppe der Ausstellung, Arbeiter und breiter Mittelstand, waren die Häuser unerschwinglich. Im Dritten Reich erklärte man die Weißenhof-Siedlung zur "Entarteten Kunst" und das Flachdach bei Wohnhäusern als "undeutsch". Im Zweiten Weltkrieg wurde die Siedlung von alliierten Bombenflugzeugen teilweise zerstört. Obwohl heute nur noch elf von den ursprünglich 21 Häusern erhalten und restauriert worden sind, ist die Weißenhof-Siedlung, 75 Jahre nach ihrer Gründung, ein wichtiger Bestandteil in der weltweiten Architekturlehre, wird jährlich von zahlreichen Interessenten besucht und ist als Sachge-samtheit in das Denkmalbuch des Landes Baden-Württemberg eingetragen. Peter Behrens (1868-1940), ältester Architekt der Weißenhof-Siedlung, kam über die Malerei zur Architektur und zum Design. 1907 ernannte ihn die AEG in Berlin zum künstlerischen Beirat für Industriebauten, industrielle Formgestaltung und Graphik. In seinem Büro lernten und arbeiteten die späteren Architektur-Pioniere Walter Gropius, Le Corbusier und Mies v. d. Rohe. Behrens zählte zu den führenden Industriebaumeistern seiner Zeit. Mit der berühmten Turbinenhalle für die AEG hatte er als einer der ersten die Tür zu einem konsequenten Funktionalismus aufgestoßen. Mit seinen Entwürfen für das Chemie-Unternehmen Farbwerke Hoechst bei Frankfurt am Main avancierte er zum ersten Industrie-Designer Deutschlands. 1921 begannen die Bauarbeiten für das Technische Verwaltungsgebäude des Hoechster Traditionsunternehmens, das durch Spitzenleistungen in der Naturwissenschaft Weltgeltung erlangte. Die Nobelpreise für Paul Ehrlich und Emil von Behring belegen die großen Erfolge der Hoechster Pharmazie. Peter Behrens schuf einen fast 150 Meter langen Bau, den er in einen kubischen Mitteltrakt und zwei Flügelbauten unterteilte. Glücklicherweise vom Bombenkrieg verschont, ist heute die expressionistische Kuppelhalle das eigentliche Kleinod des berühmten "Behrens-Baues". Der fünfgeschossige Raum, dessen unverputzte Backsteinpfeiler mit einem Anstrich in den sechs Spektralfarben überzogen wurden, ist Innenarchitektur par excellence. 1936 wurde Behrens zum Leiter der Architekturabteilung der Preußischen Akademie der Künste berufen. Vor einiger Zeit berichteten die Zeitungen, das Land Hessen kaufe vom Bund für 149 Millionen Mark das frühere Verwaltungsgebäude des I.G.-Farben-Konzerns. Das denkmalgeschützte Riesengebäude - es überstand den Zweiten Weltkrieg ohne nennenswerte Schäden - dient heute den geisteswissenschaftlichen Instituten der Frankfurter Goethe-Universität als Campus. Von 1928 bis 1930 erbaute Hans Poelzig dieses damals größte Bürogebäude Europas als Hauptsitz des gigantischen Chemietrusts. Das 250 Meter lange, konvex angelegte Gebäude wird von sechs Quadern mit sieben Stockwerken unterteilt, es steht in einem Park mit Seerosenbassin und dem schönen Bronzeakt "Am Wasser" von Fritz Klimsch. Poelzig setzte alles daran, um Form und Funktion zu vereinen. Das tragende Stahlskelett ließ er mit Cannstatter Travertin verkleiden. Der in den zwanziger Jahren gefragte Filmarchitekt Poelzig, der Paul Wegeners Filmepos "Der Golem" in den UFA-Ateliers mit expressionistischen Kulissen versah, fand auch für die Inneneinrichtung der "Grüneburg" adäquate Lösungen, so die noch erhaltenen acht Paternoster-Aufzüge, die heute von den Kommilitonen mit Vorliebe benutzt werden. "Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit ist der Bau", heißt es in dem Manifest von Walter Gropius, der 1919 das "staatliche bauhaus weimar" gründete. (Im Bauhaus wurde konsequent die Kleinschreibung verwendet.) Diese bedeutendste künstlerische Ausbildungsstätte der ersten deutschen Republik hat nicht nur während ihres Bestehens, sondern auch danach einen bis in die Gegenwart wirksam gebliebenen Einfluß auf die internationale Kunstentwicklung ausgeübt. Walter Gropius, preußischer Rittmeister des Ersten Weltkrieges, entwarf für die Studierenden ein völlig neues Ausbildungsprogramm. Das künstlerische Gestalten sollte aus handwerklicher Tätigkeit entwickelt werden. Er gewann namhafte Künstler für das Wirken am Bauhaus, wie Moholy-Nagy, Itten, Kandinsky, Herbert Bayer, Oskar Schlemmer und andere, sie machten die Weimarer Schule zu einem Zentrum der Kunsterneuerung. Die aus politischen Gründen 1926 erfolgte Verlagerung des Bauhauses nach Dessau bescherte dem Institut den ranghöheren Namen "Hochschule für Gestaltung". Produktive Werkstattarbeit und eine enge Verbindung der Studierenden zum industriellen Produktionsprozeß sollten die Erziehung zum künstlerischen Gestalten vertiefen. Gropius hatte im Auftrag der Stadt Dessau die neue Hochschule in Form einer asymmetrischen Gebäudegruppe entworfen, ein Musterbeispiel für den modernen Baustil der Zwischenkriegszeit. Neben den Vortragsräumen und Wohlfahrtseinrichtungen für Studenten bestanden Werkstätten für Wandmalerei, Bildhauerei, Metallbearbeitung, Glasmalerei, Keramik, eine eigene Druckerei und eine Bühnenwerkstatt mit Vorführraum. Die farbige Raumgestaltung des gesamten Gebäudekomplexes führte die Malereiabteilung des Bauhauses durch, alle Beleuchtungskörper stammten aus der Metall- werkstatt, die Stahlrohrmöbel der Aula und Mensa wurden nach Entwürfen von Marcel Breuer hergestellt, sämtliche Beschriftungen fertigte die hauseigene Druckerei an. Das schöpferische Bemühen der Bauhauskünstler ging dahin, Ge-genstände zu entwickeln, die nicht nur haltbar und preiswert, sondern auch schön waren. Form und Funktion sollten gleichberechtigt nebeneinander bestehen können. Die fortwährenden politischen Auseinandersetzungen ließen Gropius wenig Zeit zu eigenem schöpferischen Gestalten, er legte deshalb 1928 sein Amt nieder und gründete in Berlin ein Architekturbüro. Nach vorübergehendem Aufenthalt in England erhielt er 1937 eine Professur für Architektur an der Harvard University/USA, übrigens mit Billigung der deutschen Behörden. Für Pan American Airways baute er in New York ein vielbeachtetes 59stöckiges Hochhaus. Nachdem Walter Gropius noch 1968 die Ausstellung "50 Jahre Bauhaus" in Stuttgart eröffnet hatte, starb er ein Jahr später im Alter von 86 Jahren in Boston. Während der gute deutsche Name Bauhaus nach 1933 offiziell nicht mehr auftauchte, lebten die Ideen der funktionellen Formgestaltung in den Produkten weiter. Designer, Kunsthandwerker, Architekten schufen Werke, in denen der Funktionalismus unter dem Namen "Neue Sachlichkeit" die Zeiten überdauerte. Zu den wichtigsten Entwerfern gehörten Wilhelm Wagenfeld aus Bremen, der Augsburger Hermann Gretsch und Wolfgang Tümpel aus Bielefeld. Wagenfeld, ehemaliger Leiter der Bauhaus-Metallwerkstatt, dann Professor in Berlin, übernahm von 1933 bis 1942 die künstlerische Leitung der Vereinigten Lausitzer Glaswerke. Daß eine Fabrik nicht unbedingt häßlich sein muß, zeigt die künstlerische Formgebung technischer Bauten. In den dreißiger Jahren waren die beiden Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer im Industriebau fast konkurrenzlos. Unter ihren Hüttenwerken ragte die Zentralkokerei Nordstern bei Gelsenkirchen, ein expressionistischer Ziegelmassivbau mit monumentalen Achsensymmetrien, als zeittypische Technikanlage hervor. Leider hat man dieses wichtige Industriedenkmal abgerissen. Das weltweit größte einheitliche Werk des Tief- und Brückenbaus ist bekanntlich die Reichsautobahn, entstanden unter der Verantwortung von Prof. Dr. Fritz Todt, an deren Linienführung Landschaftsarchitekten maßgebend mitwirkten. Wie verwachsen mit der Landschaft schmiegt sich das Autobahnband den Formen des Geländes an, harmonisch ordnen sich die vielen aus Naturstein errichteten Brücken in das Landschaftsbild ein. Klare technische Zweckbestimmung entwickelte großzügige Bauformen aus Beton, Stahl und Stein. Zu erwähnen sind unter anderem das ehemalige Wehrkreisgebäude in Kassel, in Berlin das frühere Reichsluftfahrtministerium, heute ein Bundesministerium und natürlich Werner Marchs prachtvolles Olympiastadion in der alten Reichshauptstadt, sie alle haben die Zerstörungen des letzten Krieges überstanden. Deutschland blieb bis zum Kriegsausbruch führend in der modernen Formgestaltung. Herbert Bayer, Meister am Bauhaus für Typographie und Werbung, später Direktor der Werbeagentur Dorland, entwarf Kataloge und Plakate, unter anderem zur Ausstellung "Deutsches Volk und deutsche Heimat" (1934). Von ihm stammte das Plakat zur Berliner Olympiade 1936. Deutschland, das einmal an der Spitze einer Bewegung stand, die alle künstlerischen Kräfte zusammenfassen wollte, um Form und Funktion gleichberechtigt nebeneinander zu stellen, hatte im Sommer letzten Jahres die Ehre, den Architektur-Weltkongreß 2002 auszurichten. Und vor wenigen Wochen trafen sich Bauexperten aus aller Welt in Frankfurt/Main, um das 100jährige Bestehen des Bundes der Architekten zu feiern. Sakral anmutender Bau: Das 1921 von Paul Behrens entworfene Verwaltungsgebäude der Hoechst AG Fotos (2): Archiv Hochschule in Dessau: Musterbeispiel für den modernen Baustil der 20er und 30er Jahre in Deutschland |