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12.07.03 / Wehrhaftes "Männertreu" / Die Stranddistel mit ihren stahlblauen Blütensternen steht heute unter Naturschutz

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Juli 2003


Wehrhaftes "Männertreu"
Die Stranddistel mit ihren stahlblauen Blütensternen steht heute unter Naturschutz

Viele der riesigen Dünen an Nord- und Ostsee, deren trockener Sand vom leichten Wind bereits weit ins Land getrieben wurde, konnten in der Neuzeit durch Bepflanzen (z. B. mit Strandhafer) befestigt werden. Unzählige Geschlechter vor uns erlebten aber an den Küsten der Nord- und Ostsee Sandstürme, die ihre Äcker verdarben, und kein Getreide, kein Gras konnte mehr gedeihen. Solche Naturkatastrophen zwangen die hungernden Menschen der Küstenregion, landeinwärts zu ziehen, um neue Äcker zu gewinnen. Eine Völkerwanderung begann, und große Wälder wurden gerodet.

Nur wenige Pflanzen trotzten dem Sand. Noch vor 150 Jahren siedelte an der dem Wind zugekehrten (luv) Seite der Dünen ausdauernd und zahlreich die Stranddistel. Sie bedeckte wie Flecken- teppiche den weißen Sand. Ehe der Badetourismus diese außergewöhnliche Landschaft unter dem besonders hoch erscheinenden, oft azurblauen Himmel und dem herrlichen Strand als Paradies für den Badeurlaub entdeckte, stachen die verbliebenen Insel- und Küstenbewohner, deren Väter und Söhne den Lebensunterhalt ihrer Familien nur als Seefahrer und Fischer verdienen konnten, die Pfahlwurzeln der Stranddisteln aus. "Männertreu" nannten sie die Pflanze, und die Frauen und Kinder haben gewiß viel Sehnsucht, Hoffen und Bangen empfunden beim Anblick der hübschen hellblauen Blumen inmitten der wie mit Reif überzogenen blau-grünen Blattrosetten.

Es hat den großen Beständen damals nicht geschadet, daß sie Wurzeln der Stranddisteln stachen, um sie zu schaben, zu kochen, in Zuckersirup oder Honig zu kandieren. Als Naschwerk durfte man sie genießen zu den Festtagen. Die Mütter verwahrten diese so haltbar gemachte Köstlichkeit vor allem aber in ihrer Hausapotheke, denn sie galt als Medizin gegen mancherlei Krankheiten.

Die immergrünen Pflanzen mit den hübschen Blüten wurden als Trockenblumen zur Dekoration benutzt, waren der Altarschmuck zu Ostern, bei Taufen, Konfirmationen und Hochzeiten.

Die Stranddistel trägt stachelige Spitzen an ihren wie Huflattich geformten Blättern. Sie wächst zwischen 20 und 70 Zentimetern hoch. Mit ihren wehrhaften Stacheln verletzte sie gewiß manche Sammlerin, die ihre heilkräftige Wurzel "ernten" wollte. Das mag die Vorstellung genährt haben, daß auch die Stranddistel in den Dornenkranz des Gekreuzigten gebunden war, und erklärt die volkstümliche Bezeichnung "Morddistel".

Durch die Sammelleidenschaft der vielen Feriengäste, die hübsche Stranddisteln als Souvenir mit nach Hause nahmen (wo sie gewiß nicht wachsen konnten!), wurde diese Pflanze in vielen Küstengebieten fast ausgerottet. Wo sie noch zu finden ist - außer auf einigen Inseln - wird nicht verraten. Wer eine Stranddistel entdeckt, die zwischen Juni und August ihre stahlblauen Blütensterne zur Sonne reckt, darf sich freuen. Und das Fotografieren dieser in ihrem Bestand sehr gefährdeten und darum unter strengem Naturschutz stehenden Stranddistel ist erlaubt! Anne Bahrs

Stranddistel: Die Wurzeln wurden einst auch in der heimischen Küche genutzt
Foto: Bahrs