02.12.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.07.03 / Fritz Schenk über Spielplan und Akteure auf der deutschen Polit-Bühne

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Juli 2003


Vorhang auf fürs Sommertheater
Fritz Schenk über Spielplan und Akteure auf der deutschen Polit-Bühne

Es hat nur wenige Jahre in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands gegeben, in der das berühmt-berüchtigte "Sommertheater" ausgeblieben war. Gemeint ist jener vielstimmige Medienrummel, den es während der Parlamentsferien um wirkliche, vermeintliche oder einfach auch nur hochgepuschte, auf jeden Fall aber schlagzeilen-trächtige, Themen gegeben hatte. In den meisten Fällen betrafen sie "Heimsuchungen" der jeweiligen, gerade in ihren auswärtigen Feriendomizilen "urlaubenden", Bundeskanzler. "Ist der Kater weg", hieß ein beliebter alter Bonner Schnack, "tanzen die Mäuse auf den Tischen". Daran hat sich auch, seit "die Musik in Berlin spielt", nichts geändert. Der Deutsche Bundestag, der Kanzler und die Mehrheit der Regierungsmitglieder sind in die Sommerpause gegangen - das Sommertheater kann also beginnen.

In diesem Jahr braucht nichts inszeniert zu werden, was an den Haaren herbeigezogen wäre. Ein Hauptthema und gleich mehrere Randthemen liegen sozusagen auf dem Tisch: der Dauerbrenner Staatsfinanzen und alles, was sich darum als Haushaltsmisere der sonstigen öffentlichen Etats und Kassen gruppiert. Auf diesem Sektor gibt es allein schon deshalb keine Sommerpause, weil der fortschreitende Kostendruck auf die nur Minus verwaltenden Kassenwarte sich eben auch von der Urlaubsstimmung und dem noch so schönen Sommerwetter nicht bremsen läßt.

So gesehen eigentlich beste Voraussetzungen für Urlaubsstimmung der parlamentarischen Opposition. Denn der Kanzler und seine Regierung sitzen in der Klemme. Das schon seit Monaten immer wieder angekündigte und immer wieder verworfene, dann für Mitte August und jetzt ganz plötzlich und "end-gültig" sogar noch für diese Woche versprochene Konzept für Haushaltssanierung und Steuersenkungen ist jedenfalls noch in Arbeit, da könnte sich die Union in Ruhe der Urlaubsstimmung hingeben und neue Kräfte für den großen Schlagabtausch nach der Sommerpause sammeln. So hatten es ja die beiden Unionsvorsitzenden, Merkel und Stoiber, vor zehn Tagen in der gemeinsamen Fraktion durchgesetzt: Die Regierung solle zunächst ihre Gesetzesvorlagen im Bundestag präsentieren - und danach werde die Union nach Prüfung entscheiden, ob, wozu, ob in Gänze oder zu welchen Teilen oder unter welchen Kompromissen Übereinstimmung mit der Opposition hergestellt werden kann.

Doch da hatten sie die Rechnung ohne den Wirt - in diesem Falle den trickreichen Medienkanzler Schröder - gemacht. Nachdem er erst lange gegen die auf 2004 vorgezogene Steuerreform war, schwenkte er kurzfristig auf Für um und brachte die Union aus dem Konzept. Denn der springende Punkt dabei ist, ob Steuersenkungen ohne zusätzliche hohe Staatsverschuldung möglich sind oder nicht. Denn eben an dieser Frage scheiden sich auch in der Union die Geister. Ein weiterer Stolperstein kommt hinzu: Seit Wochen verhandeln - oder eher tüfteln - die Ministerpräsidenten Koch (CDU/Hessen) und Steinbrück (SPD/Nordrhein-Westfalen) in einer Art großer Koalition über Subventionsabbau und Streichung von Steuervergünstigungen mit dem Ziel, die Staatsfinanzen grundsätzlich neu zu ordnen, das heißt, auch Finanzausgleiche für Länder und Kommunen zu schaffen. Das scheint völlig an den Planspielen des vielfach gescheiterten - und daher eigentlich schon zur tragischen Figur gewordenen - Finanzministers Eichel vorbeizulaufen.

Mit diesem stillschweigenden Übereinkommen hat sich die Union aber selber ein Bein gestellt. Wen kann es da wundern, daß aus der Unions-Fraktion, von den beiden Vorsitzenden Merkel und Stoiber, aus der Kanzlei Koch oder gar von dem ehrgeizigen hessischen Ministerpräsidenten selber, permanent sich widersprechende Äußerungen kommen? Und ein geradezu "gefundenes Fressen" ist es für die rund fünfzig Rundfunk- und Fernsehsender, die Hunderte von Zeitungen und Zeitschriften, Internet und Nachrichtenagenturen, die ja auch während des parlamentarischen "Sommerlochs" Futter für ihre sensations- und klatschhungrige Kundschaft brauchen, von den trockenen und uner-freulichen Finanzthemen, bei denen in der Sache selbst Fachleute Schwierigkeiten haben mitzukommen, abzuschweifen und genüßlich über Rivalitäten, Machtkämpfe um die nächste Kanzlerkandidatur und innerparteiliche Feindschaften in der Union zu spekulieren.

Zur Zeit eher am Rande - aber deshalb von nicht geringerer Brisanz - laufen die Sondie-rungsgespräche, die der Unions-Gesundheits- und Sozialexperte Horst Seehofer mit der bisher (wie Finanzminister Eichel) ebenfalls glück- und erfolglosen Sozialministerin Ulla Schmidt führt. Auch da dringen permanent Munkeleien nach außen, daß man "gut voran" komme und sich in vielem schon "weitgehend einig" sei. Da wird eine Stimmung von großer Koalition in die Öffentlichkeit projiziert, die strittige Äußerungen - vor allem der Fraktionsvorsitzenden Merkel - als unernstes Polittheater erscheinen lassen. Auf jeden Fall hat sich der Kanzler aus seinem Tief überraschend schnell herausgemogelt, ohne daß sich an der deutschen Misere auch nur das mindeste gebessert hätte.

Dabei ist der taktische Trick des Medienmoguls Schröder im Grunde einfach zu durch-schauen: Mit der im Schnellschuß aus der Schublade gezauberten Vorlage des "Konzepts" für die auf 2004 vorgezogene Steuersenkung will er vor allem Stoiber und der CSU für die bayerischen Landtagswahlen im September die Butter vom Brot nehmen. Es kann keinen Zweifel geben, daß Hans Eichel unmöglich einen schlüssigen und einfach gangbaren Weg für Steuersenkungen ohne neue erhebliche Staatsverschuldung vorlegen wird. Dem kann die Union nicht zustimmen. Dann soll sie als der große Verweigerer von Steuergeschenken an die vielbeschworenen kleinen Leute und den Mittelstand dastehen. Sich auf diese demagogische Wahlkampfstrategie vorzubereiten, ist für die Union im Augenblick wichtiger, als vielstimmig untereinander mit Sachargumenten zu streiten, die nur Wasser auf die Mühlen ihrer politischen Gegner sind.