Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Juli 2003 |
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Hans-Jürgen Mahlitz: Schlechtschreibung statt Rechtschreibung Günter Grass und Martin Walser - zwei führende Vertreter der zeitgenössischen deutschen Literatur, wie sie gegensätzlicher kaum sein könnten. Der Nobelpreisträger und einstige EsPeDe-Blechtrommler ist stets da zu finden, wo linke Politik der schriftstellerischen Veredelung bedarf, der Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels hingegen wurde zum Buhmann aller linken Antifaschisten, weil er sich die Freiheit nahm, mit Begriffen wie "Vaterland" oder gar "deutsch" vorurteils- und ideologiefrei umzugehen. Dennoch verbindet die beiden literatur-politischen Antipoden eine gemeinsame Liebe: die zur guten alten deutschen Rechtschreibung. Eine Rückkehr zu scharfem "ß" und Schiffahrt mit nur zwei "f" "entspräche dem wohlbegründeten Willen der Mehrheit der Bürger", bekräftigt Grass, der sich übrigens auch schon vor der Rechtschreibreform mit doppeltem "s" und nicht mit "ß" schrieb. Daß auch Walser zu den erbitterten Gegnern der neuen Rechtschreibung zählt, ist da schon weniger überraschend; er neigt ja auch in anderen, politischen Fragen zu eher konservativen Positionen. Das Votum der prominenten Schriftsteller (zu denen sich in diesem Punkt auch Hans Magnus Enzensberger gesellt) wird freilich kaum etwas bewirken. Die zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung, dominiert von den bundesdeutschen Kultusministern, lehnt eine "Reform der Reform" strikt ab und läßt sich dabei von nichts und niemandem beeindrucken. Auch nicht von der Akademie für Sprache und Dichtung, die gerade erst wieder einen umfangreichen Katalog von Kompromißvorschlägen - mit "ß"! - vorgelegt hat. Und erst recht nicht von dem "Rechtschreibrebellen" Friedrich Denk, jenem Studiendirektor, der vor fünf Jahren mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht scheiterte und inzwischen schon zufrieden wäre, wenn "wenigstens der gröbste Unsinn" rückgängig gemacht würde. So werden sich ab Sommer 2005, wenn die Übergangszeit abläuft, die öffentliche Verwaltung und die Bildungsinstitutionen den neuen Rechtschreibregeln beugen müssen, auch wenn sie darin eher eine ihnen aufgezwungene "Schlechtschreibung" sehen. Steigern wird sich damit vor allem die Verunsicherung der Schüler, denen kaum zu vermitteln ist, warum nahezu die gesamte Literatur, die ihnen in Schul- und Stadtbibliotheken oder auch im heimischen Bücherregal zugänglich ist, offenkundig "falsch" geschrieben ist. Am Ende wird so manches Opfer der neuen Rechtschreibung fragen: Waren Goethe und Schiller, Grass, Walser und Enzensberger allesamt so schlechte Schüler? Wie konnten sie, bei so vielen Rechtschreibfehlern, ausgerechnet Dichter und Schriftsteller werden? Wie "tröstlich", daß die Unterschiede zwischen alter und neuer Rechtschreibung in immer weiteren Teilen des öffentlichen und privaten Lebens kaum noch auffallen. Denn wer als Deutscher "in" sein will, ist "cool", lebt von "fast food" und "soft drinks", geht zu "events", um dort "live" alle "highlights" mitzuerleben. Und wenn er sich im "sale" ein "paperback" kauft, braucht er dafür auch keine Rechtschreibung mehr - da in Deutschland ohnehin immer weniger deutsch gesprochen wird, warten wir am besten ab, bis unsere eifrigen Reformer uns mit "denglischer" Rechtschreibung beglücken. |