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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Juli 2003 |
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Weiter offen: Die Korsika-Fragen / Den Seperatisten geht die Unabhängigkeit von Paris nicht weit genug von Pierre Campguilhem Mit knapper Mehrheit, das heißt 50,98 Prozent der abgegebenen Stimmen, haben Anfang Juli die Korsen in einer Volksabstimmung ein Regierungsabkommen zurückgewiesen, das die Schaffung eines einzigen Regionalparlaments auf der Insel vorsieht. Dadurch wären die bisherigen Institutionen der beiden Départements verschwunden. Den Korsen ging dieses Regierungsabkommen offensichtlich nicht weit genug. Sie streben nach Autonomie. Innenminister Nicolas Sarkozy, der mindestens acht mal seit seiner Amtsübernahme nach Korsika gereist ist, hatte Staatschef Chirac davon überzeugen können, daß ein Volksentscheid das beste Mittel sei, die Lage auf der Insel zu beruhigen, und so die Pläne - die noch aus der Zeit der Regierung Jospin stammen - nicht zu gefährden. Etwa 191.000 Einwohner der "Insel der Schönheit" wurden zu den Urnen gerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei ungefähr 52 Prozent. Die Medien stimmen darin über-ein, daß dieses negative Ergebnis eine ernste Schlappe für den gegenwärtigen Innenminister und auch den Regierungschef Jean-Pierre Raffarin darstellte. Die Grundidee des konservativen Premiers ist die Dezentralisierung, die durch regionale Wahlen erreicht werden soll. Noch kurz vor der Abstimmung in Korsika wurde sogar ein solcher Weg, Reformen herbeizuführen, auch für die Überseeterritorien in Erwägung gezogen. Mit dem vorzeitigen Ende der Zentralisierung, die einst durch die Jakobiner während der französischen Revolution eingeführt und durchgesetzt wurde, sollten die neuen Kräfte der Republik hinsichtlich der Europa-Politik Frankreichs sich endlich durchsetzen. Zum Beispiel war Raffarin kürzlich in Berlin, um sich zu erkundigen, inwiefern die Praxis der bundesdeutschen Länder sich den französischen Gegebenheiten anpassen ließe. Es hat nun den Anschein, daß die Pläne der Regierung allesamt revidiert werden müßten und Frankreich noch lange zentralisiert bleibt. Die Reaktionen von Politikern wie Jean-Pierre Chevènement oder dem Bürgermeister von Bastia, Emile Zuccarelli, die nachdrücklich für die Ablehnung des Regierungsvorhabens geworben hatten, zeigen offenkundig, daß für manche Politiker das französische Gemeinwesen weiter streng von Paris aus regiert werden muß. Kurz vor dieser Volksabstimmung hatte eine Sondereinheit der französischen Sicherheitskräfte den mutmaßlichen Mörder des Präfekten Claude Erignac, der am 6. Februar 1998 in Ajaccio niedergeschossen wurde, festnehmen können. Obwohl dieser korsische Nationalist namens Yvan Colonna beharrlich jede Verstrickung in die Straftat leugnet, sind die Untersuchungsrichter vom Gegenteil überzeugt. Acht seiner mutmaßlichen Mittäter - sein Fall wurde von der Staatsanwaltschaft getrennt behandelt - dürften so von einem Pariser Sondergericht zu hohen Strafen verurteilt werden. Da Yvan Colonna erst in anderthalb Jahren vor einem Gericht erscheinen dürfte, muß bis dahin mit Erpressungsmanövern der korsischen Nationalisten gerechnet werden. Die Nationalisten, die den erwähnten Dezentralisierungsvorschlag zumeist gebilligt haben, werden sicherlich von der nun entstandenen verworrenen Lage profitieren, um die Freilassung der "politischen" Gefangenen mit Nachdruck zu fordern. In diesem Zusammenhang scheint die Regelung des korsischen Problems derzeit völlig ins Stocken geraten zu sein. Seitdem er strikte Maßnahmen zur inneren Sicherheit ergriffen hat, ist Innenminister Sarkozy das Schreck-gespenst der Linken und der Intellektuellen. Auch in seinem eigenen Lager wird er kritisiert. Unter solchen Umständen ist es nicht erstaunlich, daß sogar der regierungsnahe Le Figaro von der "Botschaft" der korsischen Abstimmung spricht, während die linke Le Monde argwöhnt, die Festnahme Yvan Colonnas - kurz vor der Wahl - hätte für die Ablehnung der Regierungsvorlage gesorgt. Die korsische Frage, welche die Staatsbehörden in der französischen Republik seit mehr als zwanzig Jahren beschäftigt, könnte so ein aufgeheiztes innenpolitisches Thema werden, um so eher, als die Linke, und besonders die Kommunisten, im negativen Ergebnis der Befragung der Korsen eine Abstrafung der allgemeinen Regierungspolitik seit Raffarin sieht. Staatspräsident Chirac, wenn er sich auch vom Nein der Korsen enttäuscht zeigt, ist noch nicht von dieser Polemik betroffen. Auf jeden Fall beweist das korsische Problem die explosive Kraft der Dezentralisierung in der alltäglichen Politik Frankreichs Korsika: Nationalisten streben einen eigenen Staat an Foto: Gettyimages/AFP |