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19.07.03 / Georg Gelbke und Richard Birnstengels Nehrungsbilder in Ellingen 

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Juli 2003


Künstler wie Sand am Meer
Georg Gelbke und Richard Birnstengels Nehrungsbilder in Ellingen 
von Andreas Albert

Erstmalig findet eine gemeinsame Ausstellung zweier Dresdner Künstler statt, die vorwiegend ihre zwischen 1935 bis 1945 entstandenen Arbeiten von der Kurischen Nehrung zeigt. In langer Vorbereitung ist es dem Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen gelungen, Bilder und Dokumente aus Privatbesitz sowie vom Kultur-

historischen Museum Stralsund in der Exposition zu vereinigen. Georg Gelbke (1882-1947) und Richard Birnstengel (1881-1968) wurden in Sachsen geboren und studierten ab 1901 an der Kunstakademie in Dresden. Sie hatten die gleichen Lehrer (Richard Müller, Oskar Zwintscher) und ragten als Meisterschüler des Impressionisten Gotthard Kuehl durch ihre Begabung heraus.

Weitere Gemeinsamkeit ist die Lust am Reisen, welche die Künstler quer durch Europa führte. Dabei war stets der Zeichenstift mit im Gepäck. Menscheninteresse und Naturliebe regten in den gesehenen Landschaften vielfach zu bildnerischer Arbeit an. Sie fanden aber auch beide ihre große Liebe in den Töchtern eines kunstsinnigen Klostergutsbesitzers und waren nach der Heirat nicht nur eng befreundet, sondern sogar verschwägert. Tür an Tür befanden sich ihre Ateliers in der Nähe des Dresdner Hauptbahnhofes.

Eine weitere große Liebe verband beide Künstler: jene zu den Menschen und Landschaften der Kurischen Nehrung. Beide zog es immer wieder in den Ostseeraum nach Nidden. Damit knüpften sie an die lange Geschichte der nordöstlichsten Künstlerkolonie Europas an.

Bereits vor den ersten Feriengästen entdeckten die Künstler die elementare, lebendige Schönheit der Landschaft im 19. Jahrhundert. So preist Ludwig Passarge (1825- 1912) in einer großartigen Schilderung in seinen "Baltischen Landen" den Zauber der Nehrungsdünen, "die im Nebelduft wasserblau und atlasglatt; von einem Sonnenstrahl getroffen, aufglühend wie flüssiges Gold". Kein Wunder, daß von diesem Farbenzauber vor allem die Maler angezogen wurden. Zentrum der entstehenden Künstlerkolonie war der seit 1867 in Nidden bestehende Gasthof des kunstsinnigen Hermann Blode. Zunächst kamen Künstler, welche mit impressionistischer Sehweise der Flüchtigkeit der Nehrungslandschaft am ehesten entsprachen. Als Ende Juni 1909 Max Pechstein (1881-1955) aus der Künstlergruppe der "Brücke" erstmalig Nidden besuchte, begannen bei den abendlichen Treffen auf der Veranda im Hause Blode im Schein der Petroleumlampe heiße Diskussionen über die Sichtweisen impressionistischer und expressioni-stischer Kunst. Nidden war aus seinem Dornröschenschlaf erwacht und zog in der Folgezeit - auch nach dem Ersten Weltkrieg - immer wieder begeisterte Künstler an. Der "alte Blode" nahm von den Malern Bilder für Sommeraufenthalte und Zechen in Zahlung. An den Wänden hingen die vielfältigsten Kunstwerke.

Ernst Mollenhauer (1892-1963) wurde die wohl markanteste Malerpersönlichkeit von Nidden. Ab 1923 ließ er sich fest auf der Nehrung nieder und übernahm schließlich als Schwiegersohn das Haus Blode. In der Folgezeit wuchs der Zustrom der Künstler (über 90 Namen sind überliefert) und riß bis zum Exodus im Jahre 1945 nicht ab.

Die urwüchsige Landschaft mit ihren wechselhaften Lichtstimmungen faszinierten auch Richard Birnstengel derartig, daß er von 1930 bis 1944 monatelang auf der Nehrung weilte und im Jahre 1939 mit seiner Frau Dorothea ein eigenes Haus in Nidden in Besitz nahm. Es steht noch heute in unmittelbarer Nähe zu den Häusern des Malers Carl Knauf und des Dichters Thomas Mann.

Birnstengel berichtete so begeistert mit poetischen Worten von der Nehrungslandschaft, "vom Perlmuttglanz, vom Schmelz seidiger Töne und traumhafter, grauer Versunkenheit, von tragischer Düsternis nordlandhafter Strahlung", daß ihm mit unwiderstehlichem Interesse auch Georg Gelbke seit 1935 folgte. Dieser malte in den weiteren Jahren gern in verschiedenen Fischerdörfern und war nicht so seßhaft wie sein Schwager in Nidden.

Der Hauptakzent der Ausstellung liegt im Bereich der Landschaft mit ihren oft verträumt erscheinenden Fischerdörfern. Gelbke gelang es meisterhaft, die wechselvollen atmosphärischen Stimmungen in flüssiger Aquarelltechnik festzuhalten. So sind windbewegte Dünengräser, sturmzerzauste Windflüchter und ruhige Wasserlandschaften in unterschiedlichen Lichtverhältnissen zu sehen. Der Künstler liebte es, in der Morgenfrühe zum Meer oder an das stille Haff zu gehen, um den Zauber des noch jungfräulichen Tages mit den Farben der Dämmerung malerisch zu erfassen. Gerne skizzierte er dabei auch die am Ufer mit ihren Booten beschäftigten Fischer oder die in das Haffschilf einfallenden Möwen. Birnstengel, mit ähnlichen Motiven in der auch von ihm bevorzugten Aquarelltechnik vertreten, baute seine Bilder in geschlosseneren Farbflächen auf und verlieh den am Ufer wartenden Fischerfrauen oder den Bootsbauern eine beinahe monumentale Einfachheit und Größe. Dabei bevorzugt er gedämpfte, stille Lokalfarben, welche er stellenweise zum Aufleuchten bringt. Beeindruckend sind auch Birnstengels Antlitze der Fischer und ihrer Frauen, deren Züge vom Kampf mit den Elementen, vom harten Bestehen des Alltags und von der Einsamkeit geprägt sind. Die von seiner Frau Dorothea liebevoll gepflegten Gartenblumen, gaben dem Maler wunderbare Motive. Von dunklen Kiefern umstanden, leuchteten vor dem Haus die Stockrosen und Sonnenblumen, welche in den Bildern aus dem Dunkel des Hintergrundes erblühen. Diese Spannung von Hell bis Dunkel, von gesättigter Farbgebung und atmosphärischer Abtrübung scheinen auch in die zunehmende Dramatik der Zeitereignisse zu weisen, die Birnstengel existentiell in den Kriegsjahren betrifft. Er selbst - ein Vertriebener von der unsäglich geliebten Nehrungslandschaft mit Verlust seines Hauses - gestaltete mit Bildern wie: "Flucht aus Ostpreußen", "Flüchtlinge" die eigene Betroffenheit und die Notsituation seiner Mitmenschen.

Mit dem Angriff anglo-amerikanischer Bomber auf Dresden am 13./14. Februar 1945 verloren Georg Gelbke und Richard Birnstengel ihr Atelier und einen Großteil ihrer Werke. Diesen für beide Künstler im Gesamtwerk wichtigen Schaffensort konnten sie infolge der Kriegsereignisse und der Sperrgebietszeit nie mehr betreten. Welchen tiefen Eindruck die Kurische Nehrung hinterließ, läßt sich aus Birnstengels Worten ermessen: "... ich habe die Kurische Nehrung unendlich geliebt, sie hat mich erschüttert, beglückt und gesegnet."

Es ist ein erfreuliches Ereignis, daß nach langjähriger Vorbereitung diese Ausstellung ermöglicht wurde, welche zugleich unwiederbringliche kulturgeschichtliche Einblicke zu geben vermag. n

Zur Ausstellung "Ostseebilder" erscheint ein Katalog mit über 40, meist farbigen Abbildungen nach Arbeiten der beiden Künstler und weiterführenden Texten. Preis 9,95 Euro zzgl. Porto. Die Ausstellung wird am 19. Juli eröffnet. Kulturzentrum Ostpreußen, Schloßstraße 9, 91791 Ellingen, Tel. (0 91 41) 86 44-0.

Beide Künstler zog es an die Kurische Nehrung

Flüchtlingsfrau mit Kind: Richard Birnstengel