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02.08.03 / Weiter Polonisierung in Schlesien

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 02. August 2003


Weiter Polonisierung in Schlesien
Die deutsche Kultur wird durch die Region Breslau wenig gepflegt
von Rüdiger Goldmann

Wer heute Oberschlesien und insbesondere der deutschen Volksgruppe einen Besuch abstattet, erhält widersprüchliche Eindrücke. Auf der einen Seite ist es erstaunlich und anerkennenswert, was seit dem Zusammenbruch der kommunistischen Diktatur in Polen, die alles Deutsche leugnete und unterdrück-te, in knapp 14 Jahren geschaffen werden konnte.

Die Demokratie bot nach Pfarrer Globisch, dem Beauftragten des Bistums Oppeln für die deutsche Volksgruppe, die Möglichkeit, einiges nachzuholen. Dafür nur einige Beispiele: In Oppeln wurde eine moderne zentrale Bücherei eingerichtet, die eine große Lücke füllt. Sie bietet von Bilderbüchern für den Deutschunterricht, Werken schlesischer Schriftsteller, Literatur über Schlesien und schlesische Geschichte bis zu deutschen Klassikern eine reiche Auswahl in beiden Sprachen an und ergänzt so das Angebot der polnischen öffentlichen Bibliotheken, die zum Teil auch noch antideutsch ausgerichtete Altbestände haben. Die Zentralbücherei hat 50 Filialen und zwei Bücherbusse. Das ist besonders wichtig, denn die deutschen Schlesier wohnen vorwiegend in den Dörfern, während in den Städten die polnische Bevölkerung überwiegt. So sind zum Beispiel in Oppeln heute nur ein bis zwei Prozent deutscher Herkunft, während noch 1921 bei der Abstimmung 95 Prozent für den Verbleib bei Deutschland gestimmt haben.

Wegen der nach 1945 einsetzenden Diskriminierung und zwangsweisen Polonisierung ist die mittlere Generation der Oberschlesier weitgehend ohne deutsche Sprachkenntnisse, die seit zehn Jahren mühsam durch Schulunterricht zurückgewonnen werden.

Bei einem wöchentlichen Fremdsprachenunterricht von drei Stunden pro Woche sind jedoch nur begrenzte Ergebnisse zu erwarten. In Ungarn zum Beipsiel erhalten die Kinder deutscher Abstammung sechs Stunden Deutschunterricht pro Woche, was einen raschen Spracherwerb ermöglicht. Auch die katholische Kirche mit Erzbischof Alfons Nossol an der Spitze, dem Schlesier des Jahrhunderts, fördert die Wiedergewinnung der deutschen Sprache im kirchlichen Bereich.

Aber obwohl überall deutschsprachige Gottesdienste angeboten werden sollten, ist dies bisher aus unterschiedlichen Gründen nur in 100 Kirchen der Fall, in 120 anderen jedoch nicht. Immer wieder gibt es darüber Klagen aus den Gemeinden, obwohl viele jüngere Pfarrer fließend deutsch sprechen. Es ist bisher nicht möglich gewesen, eine deutsche Schule in Ober- und Niederschlesien einzurichten. Während in Breslau beim deutschen Freundeskreis (DFK) Skepsis vorherrschte, ob eine solche von der Bundesrepublik Deutschland eingerichtete Schule genügend Zuspruch fände, bejahte dies Thomas Schäpe, der Direktor des Hauses für deutsch-polnische Zusammenarbeit in Gleiwitz, für Oberschlesien. In Breslau begnügt man sich derzeit mit einer bilingualen Klasse in einem Gymnasium, und das in der Kapitale Schlesiens, die in den letzten zehn Jahren erhebliche Fortschritte gemacht hat und einen äußerst lebendigen Eindruck macht. Negativ ist auch zu bewerten, daß es in Oberschlesien im Gegensatz zu Warschau und Krakau kein Goethe-Institut gibt. Wem die Verbesserung der deutsch-polnischen Beziehungen die angemessene Förderung der deutschen Minderheit in Schlesien und ihrer Brückenfunktion ein ernstes Anliegen ist, der müßte alles tun, um den Deutschunterricht zu verbessern.

Dies könnte eine Aufgabe des Bundes, aber auch der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz sein, die den Wojwodschaften Schlesien (Kattowitz) und Oppeln partnerschaftlich verbunden sind. Dabei muß die deutsche Volksgruppe gleichberechtigt beteiligt werden. Die räumlichen Voraussetzungen für Bildungs- und Kulturarbeit sind mit vielfältiger Hilfe aus Deutschland, unter anderem auch des Bundes der Vertriebenen, inzwischen geschaffen worden.

Die Diözese Oppeln verfügt über das renovierte und schön gelegene Schloß Groß Stein mit ausgezeichneten Tagungs- und Übernachtungsmöglichkeiten (bis 1945 im Besitz der Familie von Strachwitz). In Lubowitz bei Ratibor lädt das Eichendorff-Zentrum die Besucher ein, in zahlreichen Dörfern gibt es Begegnungshäuser, so zum Beispiel in Benkowitz, Tworkau oder Annaberg. Der DFK-Breslau besitzt ein gut ausgestattetes Zentrum, in Niederschlesien wird weiter am Großen Schloß Lomnitz gearbeitet, während im kleinen Schloß schon Tagungen und Beherbergungen möglich sind.

Alle diese Erfolge waren nur im Zusammenwirken der verbliebenen Schlesier mit ihren vertriebenen Landsleuten und deutsch-polnischen Einrichtungen möglich. Wie die letzte Volkszählung jedoch zeigt, sind weitere Anstrengungen und kontinuierliche Weiterarbeit nötig, um das deutsche Erbe Schlesiens zu erhalten und die deutsche Identität wiederzugewinnen.

Das Ergebnis der letzten Volkszählung unterstreicht diese Notwendigkeit deutlich: 153.000 bekannten sich zur deutschen Nationalität, 173.000 bezeichneten sich als Schlesier, 100.000 stimmten nicht ab und 770.000 machten keine Angabe. 49.000 bekannten sich als Weißrussen, 31.000 als Ukrainer. Dieses Bild der Nationalitäten im heutigen Polen spiegelt die jahrzehntelange Unterdrückung und Polonisierung wider. Noch immer gibt es Ängste bei den Volksgruppen, sich angesichts des weiter existenten polnischen Nationalismus offen zu bekennen.

Dazu paßt auch, daß das Minderheitengesetz trotz zehnjähriger Dis-kussion immer noch nicht verabschiedet ist, es keine deutschen Ortsschilder in den überwiegend deutschen Gemeinden gibt und man auch in kirchlichen Einrichtungen wie Groß Stein kaum deutsche Aufschriften findet, so daß man zum Beispiel Hinweise für das Telefon oder anderer Art erst aus dem Polnischen übersetzen lassen muß.Vorläufige Schlußfolgerungen: Die Schlesier in der Bundesrepublik und in Schlesien sollten noch mehr zusammenarbeiten und die mittlere und junge Generation verstärkt einbeziehen; beide Staaten, in der Bundesrepublik Deutschland auch die schon genannten Länder, sollten die deutschen-schlesischen Kultureinrichtungen stärker fördern.

Die Hilfen müssen ausgebaut werden, um in Schlesien ein Beispiel europäischer Zusammenarbeit über politische Grenzen und Sprachgrenzen hinweg zu geben. Vieles ist erreicht, noch viel mehr bleibt hier zu tun.

Kreutzenort: Eine schlesische Jugendgruppe erinnert mit einer Gesangfeier an den deutschen Komponisten Ludwig van Beethoven. Foto: Goldmann

Lubowitz: Selten wird in Polen an große Deutsche erinnert Foto: Goldmann