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02.08.03 / Der erste operationelle Strahlbomber / Vor 60 Jahren, am 30. Juli 1943, hatte die Arado Ar 234 ihren Jungfernflug

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 02. August 2003


Der erste operationelle Strahlbomber
Vor 60 Jahren, am 30. Juli 1943, hatte die Arado Ar 234 ihren Jungfernflug
von Klaus Gröbig

Ende 1940 wurde in Deutschland ein Wettbewerb für einen strategischen Aufklärer mit überlegener Geschwindigkeit ausgeschrieben. Bereits im Frühjahr 1941 legte Arado die E 370 vor. Am 4. Februar 1941 besuchte der Generalinspekteur der Luftwaffe, Generalfeldmarschall Erhard Milch, die Aradowerke und ließ sich das Projekt erläutern. Kurze Zeit danach erging die Bestellung für die ersten sechs Versuchsmuster. Im Winter 1941/42 wurden die Zellen der V1 und V2 (V = Versuchsflugzeug) fertiggestellt. Auf dem Flugplatz Rheine wurde die V1 mit zwei Jumo 004 A-Strahltriebwerken bestückt. Von dort aus startete dann Flugkapitän Selle am 30. Juli 1943 zum nur 13 Minuten langen Jungfernflug der als Ar 234 bezeichneten Maschine.

Die beiden Jumos entwickelten einen Schub von jeweils 700 Kilopond, das Flugzeug hatte eine Länge von zwölf Metern und eine Spannweite von 14,2 Metern und entwickelte eine Reisegeschwindigkeit von 740 Kilometern in der Stunde. Die Besatzung bestand nur aus einem Mann, der neben dem Fliegen gleichzeitig alle anderen Aufgaben mit erledigen mußte. Um Gewicht zu sparen, hatte Arado auf ein herkömmliches Fahrwerk verzichtet. Der Start erfolgte mittels eines abwerfbaren Startwagens, die Landung auf einer Kufe. So erreichte das Flugzeug eine Reichweite von immerhin 1.400 Kilometern. In der Praxis erwies es sich bald als unbrauchbar. Die A-Serie in dieser Konfiguration wurde daraufhin fallengelassen.

Die Versuchsmaschine Nr. 9 erhielt erstmalig ein Einziehfahrwerk mit Bugrad. Sie hatte am 12. März 1944 ihren Erstflug und wurde der Ausgangspunkt für die B-Serie. Außerdem stand inzwischen das Triebwerk Jumo 004 B mit 910 Kilopond zur Verfügung. So wurde die Ar 234 B zu einem sehr brauchbaren Kampfflugzeug.

Da Adolf Hitler inzwischen beschlossen hatte, die Messerschmitt Me 262 zum "Schnellstbomber" umzufunktionieren, waren neben den Bomberoffizieren auch die Jägerkommandeure sehr daran interessiert, die Ar 234 zur Serienreife zu entwickeln. Die Jäger hofften, daß dann Hitler ihnen doch noch die Messerschmitt Me 262 überlassen würde. Die Ar 234 sollte nun neben der Rolle als Aufklärer auch noch die des Bombers ausfüllen.

Die Ar 234 sollte auch in einer viermotorigen Variante gefertigt werden. Bei dieser C-Serie waren eine Reihe von weiteren Verbesserungen vorgesehen. Ab der C-6 sollte die Besatzung um ein weiteres Mitglied verstärkt werden. Im hinteren Teil der Maschine war eine starre Abwehrbewaffnung von zwei Maschinenkanonen eingebaut, die über ein Periskop vom Piloten be- ziehungsweise Bordschützen bedient wurden. Als Triebwerk war nun das etwas leistungsschwächere BMW 003 mit 800 Kilopond vorgesehen. In 6.000 Metern Höhe wurde eine Reisegeschwindigkeit von 880 Kilometern in der Stunde erreicht. Das Gewicht der Maschine war von 7,870 Tonnen bei der A-Serie auf 11,240 Tonnen bei der C-Serie angewachsen. Die als Bomber vorgesehenen Baureihen C2, C3 und C5 konnten bis zu zwei Tonnen Bomben tragen. Das Arsenal reichte hier von der konventionellen Bombe bis zum ferngelenkten Flugkörper. Die Luftwaffe bestellte nicht weniger als 3.810 Exemplare der Ar 234 C. Damit sollte dieser Typ zum neuen Standartbomber der Luftwaffe werden. Bis Kriegsende wurden jedoch nur 14 Serienflugzeuge ausgeliefert. Zu Einsätzen bei Frontverbänden ist es nicht mehr gekommen.

Außer den bereits beschriebenen drei Baureihen waren weitere Ausführungen projektiert. Die P-Serie sollte als Nachtjäger und schwerer Tagjäger Verwendung finden. Es wurde jedoch lediglich eine Ar 234 B1 behelfsmäßig zum Nachtjäger umgebaut.

Weiterhin forderte die Luftwaffe eine Vergrößerung der Ar 234, um sie noch leistungsfähiger zu machen. Ausgehend von der C-Serie liefen diese Planungen als Ar 234 F an. Dann entschied die Luftwaffe, daß die weiteren Planungen bei der Firma Heinkel durchgeführt werden sollten. Auf dem Reißbrett wurde die Ar 234 C einfach um ungefähr die Hälfte vergrößert - fertig war die Heinkel He 343. Die beiden im Bau befindlichen Prototypen kamen aber nicht mehr zum Fliegen. Die Russen erbeuteten die Planungsunterlagen, Bauzeichnungen sowie die beiden halbfertigen Prototypen und entwickelten aus der He 343 die Iljuschin IL 22. Bei Arado war untersucht worden, inwieweit gepfeilte Flügel im Hochgeschwindigkeitsbereich den Luftwiderstand reduzieren würden. Die Planungsunterlagen, die bei Kriegsende in britische Hände fielen, bildeten offenbar die Grundlage für die Flügelkonstruktion der Handley Page "Victor".

Insgesamt wurden etwa 240 Exemplare von der Ar 234 einschließlich aller Versuchsmuster gebaut.

AR 234: "Die Deutschen haben auch hier mit diesem Flugzeug eine ausgesprochen überlegene Maschine zu spät und in zu geringer Stückzahl gebaut, um mit ihr noch wirksam in den Gang der Dinge eingreifen zu können." (Eric Brown, RAF-Pilot, der die Maschine selber geflogen hat)