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09.08.03 / Der süsse Gestank von "Rosenholz" / Nach der Stasi-Enthüllung über Lothar Bisky: Was kommt noch?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 09. August 2003


Der süsse Gestank von "Rosenholz"
Nach der Stasi-Enthüllung über Lothar Bisky: Was kommt noch?

Unserem Land sei viel erspart geblieben, hätte man die SED gleich nach 1989 verboten, so Ex-Dissident Siegmar Faust. Besonders erschüttert ihn die moralvergessene Gleichgültigkeit, mit der die deutsche Öffentlichkeit die immer neuen Skandale hinnimmt - wie jetzt im Falle des aufgeflogenen PDS-Chefs Bisky. Eine Abrechnung.
von Siegmar Faust

Viele Deutsche lieben das Aparte. "Rosenholz" duftet besonders gut. Auf 381 CD-ROMs wurden die einst verfilmten Unterlagen der "DDR"-Auslandsspionage gebrannt, die unter ungeklärten Umständen in die Hände der CIA gelangten und nach vielem Hin und Her als Kopien unter der Sammelbezeichnung "Rosenholz" wieder ins Ursprungsland gelangten.

Erst seit wenigen Wochen wurde das bislang unbekannte Quellennetz der Auslandsspionage, das 1990 mit Genehmigung der Bürgerrechtler als handfestes Archiv vernichtet wurde, nun wieder unter den Bedingungen der ehemaligen Gauck-, heute Birthler-Behörde der Forschung zur Verfügung gestellt. Unter den 350.000 gespeicherten Karteikarten wird wohl noch manche Überraschung zu erwarten, obgleich nicht mehr zu bestrafen sein, derweil die Verjährungsfristen bis auf schwere Fälle des Hochverrats schon abgelaufen sind.

Ein gewisser Herr "Bienert", der sich später auch den Namen "Klaus Heine" geben durfte, sitzt nun im Schwitzkasten. Schon 1995 fanden sich in den Stasi-Unterlagen seiner Ehefrau, die jahrelang als IM "Ruth" spitzelte, Hinweise auf eigene Einbindungen, die jedoch der privilegierte Reisekader empört zurückwies. Es gebe keinen Decknamen, weder IM-Registrierung noch Verpflichtungserklärung oder Berichte. So das Gerede des ehrenwerten Mannes, der ab 1986 Rektor der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg war, nach dem Zusammenbruch der "DDR" gar den Stolpe-Untersuchungsausschuß leiten durfte und bald bis zur Spitze der umbenannten SED gelangte: Lothar Bisky. Nun, angesichts der jetzt aufgetauchten Belege leugnet er nur noch, daß er eine Verpflichtungserklärung unterschrieben habe, als wäre das noch von Bedeutung.

Unserem Land wäre viel erspart geblieben, wenn die SED samt ihrer geheimen Staatspolizei als Verbrecherorganisation schlicht verboten worden wäre, so wie es als einzige Partei in der letzten, jedoch ersten frei gewählten Volkskammer die DSU, die mitteldeutsche Schwesterpartei der CSU, gefordert hat. Den Opfern und Hinterbliebenen des gewalttätigen SED-Regimes könnten aus dem geraubten Volksvermögen menschenwürdige Entschädigungsleistungen zugestanden werden. Milliarden wären nicht mehr in antidemokratischen Netzwerken versickert, sondern dem Aufbau Ost zugeführt worden. Wahrscheinlich wäre es auch nicht zu der Ungeheuerlichkeit gekommen, dem Stasi-Chef Erich Mielke völlig rechtsstaatlich, nachdem er wegen Unzurechnungsfähigkeit aus der Haft entlassen werden mußte, doppelt soviel Haftentschädigung auszuzahlen wie seinen unzähligen Opfern.

Als dem Bundestag 1999 zwei Vorschläge zur Entscheidung vorlagen, zum einen die Renten der SED-Bonzen samt aller Polizei-Offiziere und NVA-Generäle - übelste Propagandisten, Angstmacher und Feindbildeinpeitscher - auf das Westniveau anzuheben, und zum anderen den Opfern, vor allem den Widerständlern des SED- und Stasi-Terrors, die heute oft mit Sozialhilfe oder den geringsten Verdienstmöglichkeiten auskommen müssen, eine kleine Ehrenpension oder Opferrente zuzugestehen, na, wofür entschied sich denn die Mehrheit der deutschen Volksvertretung? Nein, hier braucht niemand dreimal zu raten, die Fakten liegen so hart wie beschämend auf dem Tisch.

Nur jeweils aus der Position der nicht direkten Verantwortung heraus schlugen sich einige Volksvertreter auf die Seite der Opfer und forderten höhere Wiedergutmachungsleistungen. Als Kohl an der Macht war und Kinkel als Justizminister amtierte, fertigte man kaltschnäuzig die politischen Häftlinge der "DDR" nur mit der Hälfte der gesetzlich vorgeschriebenen Haftentschädigung ab, von Berufsausfallkosten ganz zu schweigen. Damals machte sich der SPD-Funktionär Rolf Schwanitz, noch bevor er Bundesminister wurde, mit Versprechungen unter den Häftlingsorganisationen beliebt. Als er dann mit an die Macht gelangte, hielt er immerhin sein Versprechen ein, und die Häftlinge erhielten die zweite Hälfte der gesetzlich vorgeschriebenen Haftentschädigung nachgezahlt.

Da jedoch keine Berufsausfallkosten vorgesehen waren, gerieten die ehemals unter unsäglichen Bedingungen Inhaftierten trotzdem ins Hintertreffen, vor allem was Berufsentwicklung und Gesundheit betraf. Nur eine den NS-Opfern gewährte, also vergleichbare Ehrenpension oder entsprechende Versorgungsleistung hätte einen gerechten Ausgleich schaffen können.

Die CDU machte sich indes erst auf der Oppositionsbank stark für die Wiedergutmachung, als sie wußte, daß dafür ohnehin bei dieser Haushaltslage keine Mehrheit im Bundestag zu finden sei. Solche unwürdigen Spiele werden auf den Rücken derjenigen ausgetragen, die in der Diktatur oft unter lebensgefährlichen Umständen ihren Kopf für Freiheit, Demokratie und eine menschenwürdige Zukunft hingehalten haben. Während die Spitzenpolitiker des Westens, als der Verwesungsgestank des bankrotten Ostblock-Systems schon nicht mehr zu überriechen war, immer ungestümer um die Gunst des deutschen Statthalters des sowjetischen Imperialismus buhlten, wurde noch mit Vehemenz bis fünf nach zwölf auf alle "Ewiggestrigen" eingedroschen. Dies nur, weil sie im entferntesten und in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz die deutsche Wiedervereinigung zu erwähnen wagten!

Und heute dürfen sich die Widerstandskämpfer gegen Deutschlands zweite Diktatur ausgerechnet von denen regieren lassen, die einst mit ihren Peinigern kungelten. Diese, die ihnen größtenteils die Solidarität verweigerten, und die Republik unter dem Gejohle der westdeutschen Kultur- und Medienschickeria nicht nur verbal, sondern mit Stock und Stein bekämpften. So mußten die zumeist aus den Haftanstalten freigekauften "DDR"-Dissidenten wie arme Pilgermönche durchs Land ziehen, um als Zeitzeugen vor ihrem erlebten Hintergrund das Prinzip der parlamentarischen und rechtsstaatlichen Demokratie zu verteidigen.

Wie mußten sich besonders die Streikführer und Aktivisten des Volksaufstandes fühlen, die nach langen, elenden Haftjahren dann 1990 die erste "Gemeinsame deutsche Gedenkstunde zum 17. Juni 1953" ausgerechnet mit dem IM "Sekretär" Manfred Stolpe als Hauptredner ertragen mußten? Jenem Mann, der von seinem Kompagnon Bisky, der ebenso geheim derselben Firma diente, öffentlich reingewaschen wurde und damit "Landesvater" vom Land Brandenburg werden konnte. Marianne Birthler, damals Ministerin im Land Brandenburg, trat wegen der Stasi-Belastungen Stolpes zurück. Ein kleiner Lichtblick vor einem anderen traurigen Kapitel: Es geht hier wenigstens um die Erwähnung jener, die durch die sowjetische Besatzungsmacht, darunter selbst Widerstandskämpfer gegen das Hitler- Regime, unrechtmäßig um ihr Vermögen gebracht wurden, ohne es nach der Einführung der Rechtsstaatlichkeit im vereinigten Deutschland wiederbekommen zu haben.

Spricht hier nur die Verbitterung des greisen, blinden "Faust", der mit Mephisto im Bunde nun in Goethes Worten spürt: "Ein Sumpf zieht am Gebirge hin, / Verpestet alles schon Errungene ..."?

Der Stasi-Sumpf ist das eine, doch das andere ist der viel tiefere, nämlich der ideologische Sumpf, der seit 1968 unsere Rest-Nation bis zum Halse hat versinken lassen. Zwei Sozialismen haben unser Volk trotz eines grandiosen Wirtschaftwunders nach der angezettelten und verlorenen Weltkriegskatastrophe geistig und mental ruiniert. Der Sinn von Freiheit und Risikobereitschaft wurde sowohl in beiden deutschen Diktaturen brutal erstickt, als auch auf schleichende, umarmende Weise im westlichen, immer sozialistischer werdenden Wohlfahrtsstaat. Der mittlerweile schon durch Behörden, Kirchen und Gewerkschaften instrumentalisierte Kampf gegen "rechts", also ein Kampf gegen die Hälfte der Bevölkerung, ist ein irrsinniger Versuch, utopische, sozialistische Vorstellungen trotz aller entsetzlichen Niederlagen und Massenmorde infolge von klassen- oder rassenmäßigen "Säuberungen" weiterhin im Sinne Karl Marx' zur "materiellen Gewalt" werden zu lassen. Es mutet wie ein letzter Totentanz an.

Alle Parameter, seien sie wirtschaftlicher, finanzieller, demographischer, bildungspolitischer, militärischer, einwanderungspolitischer, moralischer oder kultureller Art, weisen nach unten, wenn nicht gar in den Abgrund. Noch ein paar Stasi-Entlarvungen um hochrangige Politiker mehr (wer ist eigentlich IM "Tulpe"?) - es würde in diesem Sumpf kaum noch eine Glocke zum Sturmgeläut bringen. Zwar wird die umbenannte SED ohnehin an Altersschwäche zugrunde gehen, ob mit oder ohne Bisky. Der süßliche Kadaver- oder "Rosenholz"-Geruch aber, den sie schon lange verströmt, kann in der dekadent-spaßigen und total verschuldeten Karnevalsgesellschaft kaum noch wahrgenommen werden.

"Wird die Freiheit der Bürger beschränkt", schreibt Roland Baader, ein Schüler Friedrich A. von Hayeks, "wird damit auch Wohlstandsminderung eingeleitet." Gemessen am rasanten Absinken von Wohlstand und Leistungen in diesem Land, aber auch anderswo, sind also die Freiheiten der Bürger äußerst gefährdet, auch wenn es viele, die solche "hochqualifizierten" Politiker wie Fischer, Trittin oder Claudia Roth wählen, noch gar nicht jucken mag. Aber sie werden es noch zu spüren bekommen, wenn auch zu spät.

Die vornehme bürgerliche Ansicht, daß im Streit der Gescheitere nachzugeben habe, führte zu der fatalen Situation, daß nun die Weltherrschaft der Dummdreisten begründet wurde.

Das Erwachen kann noch einige Zeit auf sich warten lassen. Nicht wenige haben sich im Laufe der fetten Jahre allerhand Speck angesammelt oder viel geerbt. Zumeist von jener Generation, die sie verachtet und gedemütigt haben. Aber die Zeit wird kommen, wo viele wieder zur wesenhaften Sprache finden werden. Es werden hoffnungsvolle Schreie des Schmerzes sein.

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus: Der jetzt ins Schußfeld geratene PDS-Chef Lothar Bisky (li.) sorgte maßgeblich für die saubere Weste des heutigen Bundesverkehrsministers Manfred Stolpe (SPD) Foto: dpa

 

Unser Autor

Siegmar Faust, Schriftsteller, wurde 1944 im sächsischen Dohna geboren. Nach dem Abitur 1964 studierte er zunächst Kunsterziehung und Geschichte, dann Literatur in Leipzig. Beide Studien mußte er unfreiwillig abbrechen, aus "politischen Gründen", wie der Rektor der Uni Leipzig 1993 feststellte.

Seit 1968 war die Stasi hinter Faust her. Ziel war den Akten zufolge, "die Person Faust zu zerschlagen". Er mußte sich unter anderem als Landarbeiter und Gleisbauarbeiter durchschlagen. Nebenher schrieb er weiterhin Literatur, zwischen 1971 und 1976 verbrachte Siegmar Faust insgesmat 33 Monate in politischer Haft. Nach dem Freikauf in die Bundesrepublik lebte er als Schriftsteller, Drehbuchautor und Journalist.

Nach dem Ende der DDR kehrte Faust in seine Heimat zurück, wurde später Sachsens Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen. Seit 1999 lebt Faust mit Frau und zwei Söhnen als freier Autor im fränkischen Reichenberg. Er ist Preisträger des Ostdeutschen Kulturrats, Mitglied des Autorenkreises der Bundesrepublik und Vizepräsident des Freien Deutschen Autorenverbandes. H. H.