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09.08.03 / Der Pastor hat nicht nur gepredigt / Dr. Norbert Kotowski nutzte seinen ersten Ostpreußenaufenthalt zur Suche nach dem Hof des Vaters

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 09. August 2003


Der Pastor hat nicht nur gepredigt
Dr. Norbert Kotowski nutzte seinen ersten Ostpreußenaufenthalt zur Suche nach dem Hof des Vaters

Eine wohlgefügte Möglichkeit, selber direkt vor Ort in Masuren die Suche nach dem Hof meiner Vorfahren aufzunehmen, bot mir die Einladung der Kreisgemeinschaft Lyck, mit zum 500. Geburtstag des Dorfes Borschimmen ins südliche Ostpreußen zu fahren.

Von meinem Vater wußte ich, daß sein Vater Johann Kotowski am 8. November 1874 in Rundfließ zur Welt gekommen war und zunächst einen Bauernhof in Soffen besessen hatte. Erst später erwarb er einen größeren Hof in der Gemeinde Rumeyken, eine Einöde am "Krummen See" hart an der nördlichen Grenze des Landkreises Lyck. Er war bereits Witwer, als er meine Großmutter Julie Klinschweski heiratete, die auf dem Gut in Stradaunen in die Lehre gegangen war.

Von den 13 Höfen des Dorfes Rumeyken, so hatte ich bereits vorab erfahren, hat keiner die Zerstörung 1945 überstanden. In dem heimatverbliebenen Deutschen Walter Barczewski fand ich einen kundigen und erfahrenen Begleiter bei meiner Spurensuche. Wir fuhren von Lyck über Stradaunen nach Herzogskirchen und fanden auch bald den alten Feldweg, der vor Herzogskirchen östlich am Krauser See entlang in südlicher Richtung nach Rumeyken führt. Wir schritten den ganzen Weg ab und gelangten nach Rumeyken, einige Steinhaufen als kläglicher Rest geben noch Zeugnis vom von Stenzel Rumeyka 1472 gegründeten Dörfchen. Auch etwa 30 Meter gepflasterte Dorfstraße konnten wir neben einem alten Kellergewölbe noch ausmachen, und auch der Dorffriedhof, auf dem mein Großvater und der jüngere Bruder meines Vaters begraben liegen, ließ sich finden. Aber auch beim Rückweg, wieder-um zu Fuß, keine Spur vom ehemaligen Hof meiner Vorfahren. Nach der Beschreibung meines Vaters hatte ich eine Skizze vom Grundriß der Hofanlage angefertigt, das Haupthaus trug die Inschrift 1848, eine Scheune das Datum 1904 (mit farbigen Dachpfannen markiert), und bereits 1937 hatte mein damals 19jähriger Vater eine zweite größere Scheune aufgerichtet. Eine Fotografie des Anwesens aus den zwanziger Jahren half auch nicht weiter. Die Ufer des Sees sind inzwischen bewaldet und lassen nicht erkennen, auf welcher Höhe des Seeufers man sich genau befindet. Trotz intensiver Versuche, sich den Weg am Ufer entlang durchs Gestrüpp zu bahnen, war es nicht möglich, die Stelle auszumachen, an welcher der Hof meines Vaters gelegen haben könnte. Auch die Eintragung im Meßtischblatt reichte zur Lokalisierung nicht aus. Die Bemühungen eines Nachmittags waren in dieser Hinsicht fehlgeschlagen.

Drei Tage später unternahmen Walter Barczewski und ich einen zweiten Anlauf. Diesmal fuhren wir über die Herkunftsorte meiner Urgroßeltern von Lübeckfelde über Müllersbrück nach Wallenrode (von dort habe ich noch Taufabschriften meiner Vorfahren, die bis 1844 zurückreichen) und Treuburg und zurück wieder über Herzogskirchen. Wieder der gleiche Feldweg. Wieder der angestrengte Blick, das Ufer des Sees abtastend. Wieder kein Erfolg. Enttäuscht wandten wir uns zu Fuß wieder zurück. Kurz bevor wir das abgestellte Auto erreichten, machte mich Walter Barczewski auf ein etwa 30 Meter langes und 15 Meter breites wildes Gestrüpp aufmerksam. Er hatte Flieder entdeckt und erklärte mir, die Deutschen hätten damals immer Flieder an den Häusern gehabt. Und tatsächlich, ich kroch ins Gestrüpp und stieß bald auf Gesteinsbrocken und auf Grundmauern, die an der höchsten Stelle noch 1,20 Meter hoch waren. Auch der Zugang zum See schien der Beschreibung meines Vaters zu entsprechen, auch waren noch alte Obstbäume vorhanden. Per Handy informierte ich sofort meinen Vater von dieser Erfolgsmeldung.

Doch ich hatte mich, wie ich danach bemerkte, zu früh gefreut, die Lage am See, die Höhe des Feldweges, ließen allenthalben darauf schließen, daß ich nur die Trümmerreste des etwa 500 Meter nördlich gelegenen Hofes eines damaligen Nachbarn gefunden hatte, der bereits schon zum Landkreis Treuburg gehörte. Fazit: Ich muß unbedingt ein zweites Mal nach Rumeyken fahren - so Gott will, zusammen mit meinem Vater, er wird die alte Hoflage bestimmt sofort wieder erkennen.

Dr. Norbert Kotowski: Der bayerische Pastor ostpreußischer Herkunft bei seiner Predigt anläßlich des 500. Geburtstages von Borschimmen

Mit Humor und Hilfe guter Menschen, die es überall gibt, konnte ich bisher meinen Mann stellen. Die Verkündigung des Glaubens, der Aufbau einer Gemeinde und Solidarität mit Menschen in Not sind die Aufgaben, die uns Gott anvertraut hat. - Seit gut einem Jahr leben ein polnischer Mitbruder und ich in Tapiau. Dort haben wir ein Gebäude aus deutscher Zeit gekauft und aus diesem heruntergekommenen Haus, mit viel Mühe und großen Auslagen, haben die kirchliche Gemeinschaft ,Lumen Christi' und wir ein Heim für religiöse Kurse geschaffen. Jung und Alt sind willkommen, sich hier geistig zu erneuern ... Über einen Besuch würden wir uns sehr freuen und auch über jede Art von Unterstützung."

Im Anschluß an den Gottesdienst marschierte die Gemeinde mit der Geistlichkeit an der Spitze ähnlich einer Prozession zum alten Friedhof des Kirchspiels Borschimmen, um hier eine Gedenkstätte einzuweihen. Die Einweihungsrede hielt jener Borschimmer, dem es wie keinem anderen zu verdanken ist, daß es überhaupt etwas einzuweihen gab, Alfred Faltin. Der Ortsvertreter von Borschimmen hat dafür Sorge getragen, daß wenigstens ein Drittel des drei Morgen großen Gottesak-

kers wieder in einen gepflegten, würdigen Zustand versetzt worden ist, und zeichnet verantwortlich für den Gedenkstein. Faltin bediente sich professioneller Helfer. So war der Steinmetz Saturin Siemion am Entwurf und der Errichtung beteiligt. Das das Mahnmal krönende Kreuz wurde von Hans Skubisch in seinem Wohnort bei Eutin geschmiedet. In den Stein eingelassen sind eine Platte mit der Inschrift "Zum Gedenken an unsere Toten. Ortsgem. Borschimmen" einschließlich polnischer Übersetzung und der Jahreszahl 2003 sowie die Tafeln des zerstörten Borschimmer Kirchspieldenkmals für die Opfer des Ersten Weltkrieges. Ein Wermutstropfen bildet die fehlende Schrifttafel für die Opfer aus dem Orte Borschimmen, doch nimmt dieses Manko dieser Stätte der Erinnerung nichts von ihrer Würde.

Den beiden besinnlichen Programmpunkten in der Kirche und auf dem Friedhof folgte ein heiteres Volksfest auf dem Schulhof der gegenüber dem Kirchengebäude auf der anderen Straßenseite gelegenen Schule des Ortes. Auf und vor einer provisorischen Bühne trugen Schüler Lieder, Texte und Tänze vor, die von polnischem Brauchtum bis zu amerikanischem Rock 'n' Roll reichten und von einem dankbaren Publikum mit viel Beifall bedacht wurden.

Im Anschluß an die Schülervorführung bot neben dem Schulgebäude die örtliche Feuerwehr einen Einblick in ihre Arbeit. Ein schwerer Verkehrsunfall wurde simuliert. Ein Feuerwehrmann setzte sich in einen schrottreifen kleinen Polski-Fiat und spielte den Schwerverletzten, neben ihm wurde ein kleines Feuer entfacht, und die Übung konnte beginnen. Mit Blaulicht und Sirene eilte ein Feuerwehrfahrzeug herbei. Schnell wurde der Feuerwehrschlauch entrollt und bald hieß es "Wasser marsch". Bei einem zwischen zwei Schläuchen geschalteten Verteiler war jenes Auslaßventil geöffnet, an dem der nächste Schlauch nicht angeschlossen war, so daß anfänglich hier das Wasser entströmte. Nach dem ersten Schreck war schnell das Ventil geschlossen. Jetzt war der Wasserdruck am Ende des angeschlossenen Schlauches derart stark, daß die Spritzendüse sich vom Schlauch löste, so daß das Wasser aus dem Schlauchende eher plätscherte denn spritzte. Ein Feuerwehrbeamter zog jedoch einfach das Brennende neben dem Auto fort, und damit galt der Wagen als gelöscht, und die Rettung des Fahrers konnte beginnen. Es war schon beeindruckend, wie hier mit modernem elektrischen Gerät der Kleinwagen auseinandergenommen wurde, um an den Kraftfahrzeugführer heranzukommen. Erst wurden die Türen von der Karosserie abgerissen und anschließend die Limousine durch die Entfernung des Daches in ein Cabrio verwandelt. Nun konnte der Fahrzeugführer, nachdem ihm zum Schutze des Genicks eine Halskrause umgebunden worden war, aus dem Wagen gezogen, auf eine Trage gelegt, mit Folie für Verbrennungsopfer bedeckt und der weiteren ärztlichen Behandlung zugeführt werden.

Nach dieser Vorführung lud die Kreisgemeinschaft Lyck zum geselligen Gespräch bei Bigos und Bier. Für die bundesdeutschen per Bus angereisten Festteilnehmer, welche die Rückreise in ihr Quartier noch vor sich hatten, näherte sich das Fest damit langsam, aber sicher seinem Ende. Von polnischer Seite wird berichtet, daß noch bis weit in die Nacht hinein weitergefeiert wurde.

Eduard Prawdzik: Bewegend sein Schicksal, das der bescheidene Pater aus Reiffenrode in seinen wenigen Worten während des Gottesdienstes nur andeutete Foto: Ruoff