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16.08.03 / Gebt den Opfern ihre Würde zurück / Neue Emnid-Umfrage zeigt Solidarität der Bevölkerung mit deutschen Zwangsarbeitern

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. August 2003


Gebt den Opfern ihre Würde zurück
Neue Emnid-Umfrage zeigt Solidarität der Bevölkerung mit deutschen Zwangsarbeitern

In der Debatte um die Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter kam vor kurzem eine bislang unveröffentlichte Emnid-Umfrage mit klarem Ergebnis zur Sprache: 80 Prozent der Befragten wollen Solidarität und Gerechtigkeit auch für deutsche Zwangsarbeiter.

Bereits in der Plenardebatte zur NS-Zwangsarbeiterentschädigung vor drei Jahren hatte der Fuldaer CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann darauf hingewiesen, daß das Leid und die Menschenrechte deutscher Zwangsarbeiter nicht schweigend übergangen werden dürfen. Sein damaliger Appell "Herr Bundeskanzler, haben Sie auch für deutsche Zwangsarbeiter ein Herz!" war von der SPD mit Fassungslosigkeit, "Pfui"- und "Peinlich"-Rufen abgestraft worden.

Die Union hat sich jedoch nicht von diesem wichtigen Thema abbringen lassen und brachte vor kurzem den von Rot-Grün in der letzten Legislaturperiode abgelehnten Antrag "Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter" erneut in das parlamentarische Verfahren ein. Bei der ersten Lesung warf Sebastian Edathy für die SPD die Kriegsschuldthese in die Waagschale. Zwangsarbeit sei ein "einschneidendes und schlimmes Erlebnis", die Deutschen seien aber selbst am Leid ihrer Landsleute schuld, außerdem habe es einen Konsens der Parteien gegeben, daß Zwangsarbeit als Kriegsfolgeschicksal keine besondere Zuwendung erfährt.

Nun hat aber auch das Umfrageinstitut Emnid das Thema für relevant befunden, und in einer repräsentativen Umfrage 1.004 Interviews geführt, davon 799 in westlichen und 205 in östlichen Bundesländern.

Die Kriegsschuldthese fiel als Rechtfertigung gleich bei der ersten Frage durch, denn nur acht Prozent der Befragten hielten es für gerechtfertigt und mit den Menschenrechten für vereinbar, daß nach dem Zweiten Weltkrieg in erheblichem Umfang deutsche Zivilisten außerhalb Deutschlands zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden.

Überlebende ausländische und jüdische Zwangsarbeiter erhalten zur Zeit vom deutschen Staat und von der deutschen Wirtschaft Entschädigungszahlungen von rund 7.600 Euro. Sollten nun auch überlebende deutsche Zivilisten, das hieße keine Kriegsgefangenen, sondern Jugendliche, Frauen und Männer, die nach dem Krieg als Zivilpersonen eingefangen wurden und in der Sowjetunion, in Polen oder in der Tschechoslowakei Zwangsarbeit verrichten mußten, eine vergleichbare Entschädigung oder wenigstens eine Geste der Wiedergutmachung erhalten?

Diese Frage wurde von 80 Prozent der Befragten mit einem klaren "Ja" beantwortet. Interessant war hier die Altersaufteilung. Die Altersgruppe zwischen 14 und 29 Jahren sowie die Gruppe "60+" befürworteten dies am stärksten - also kein Krieg der Generationen, eher Einhelligkeit in dieser Frage.

Der CDU/CSU-Antrag "Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter" legt nahe, an die Staaten beziehungsweise deren Rechtsnachfolger heranzutreten, die die Menschenrechtsverletzungen seinerzeit zu verantworten hatten. Sebastian Edathy klassifizierte diese Absicht deutlich als "erbärmlich, beschämend und geschichtslos" ab. Die von Emnid Befragten sprachen sich allerdings entschieden (86 Prozent) dafür aus, daß sich im Falle einer Entschädigung die entsprechenden Staaten zumindest symbolisch daran beteiligen sollten.

Deutsche zivile Opfer wurden nach dem Krieg als lebende Reparationsware in die östlichen Nachbarländer abtransportiert, um unter mörderischen Bedingungen Sklavenarbeiter auf unbestimmte Zeit zu sein. Nachempfinden kann die erlebten Grausamkeiten keiner, der nicht selbst Vergleichbares durchlitten hat. Ihre damalige Zahl wird auf 1,4 bis zwei Millionen Betroffene geschätzt. Der größte Teil der Zwangsdeportierten hat nach Aussage der Bundesregierung die Internierung und die Lager nicht überlebt. Auch die Nachforschungen des Arbeitskreises deutsche Zwangsarbeiter (AKDZ) haben ergeben, daß etwa die Hälfte der Deportierten umgekommen ist und daß von den Überlebenden etwa 500.000 nicht angemessen entschädigt worden sind. Der AKDZ hat bisher 135.000 noch lebende ehemalige deutsche Zwangsarbeiter gefunden.

Für die heute noch lebenden deutschen Zwangsarbeiter war, nach Aussage des Sprechers des Arbeitskreises deutsche Zwangsarbeiter, Rudi Pawelka, die lange Debatte um die NS-Zwangsarbeiter schmerzhaft, da sie jetzt vor Augen geführt bekamen, daß sie wiederum bewußt "vergessen" wurden und die vorgetragenen moralischen Gesichtspunkte nur einseitig für andere gelten. Der Arbeitskreis sah es als selbstverständlich an, auch für Deutsche eine symbolische Entschädigung einzufordern, die ihnen die geraubte Würde zurückgibt. Das schreckliche Leid deutscher Zwangsarbeiter, unter ihnen vor allem Frauen und Kinder, macht es für den AKDZ zur historischen Frage, ob die Bundesregierung und die Regierungskoalition gleiches Leid und gleiches Unrecht auch gleich behandeln will. Für Sebastian Edathy und die Regierungsfraktionen war es "nicht verständlich und sachlich nicht begründbar, aus der Schaffung einer Stiftung für die Entschädigung ausländischer Zwangsarbeiter abzuleiten, man müsse nun auch für frühere deutsche Zwangsarbeiter eine Zusatzregelung schaffen".

Nicht verständlich und sachlich nicht begründbar erscheint vielmehr das Knüpfen der Gültigkeit von Menschenrechten und Menschenwürde damals junger Menschen an die Verfehlungen von damaligen Politikern und deren Kriegsschuld - so einfach wird man sich der Verantwortung gegenüber dem eigenen Volk als heutiger Volksvertreter nicht entziehen können. G. D.

Deutsche Zwangsarbeiterinnen: Hildegard Werner (2. v. r.) im Kreise ihrer Leidensgenossinnen mit dem Arbeitsaufseher im Lager Nr. 1101/2463 in Paschollek. Dieses 1947 entstandene Foto ist eines der wenigen Bilddokumente, die deutsche Zwangsarbeiterinnen zeigen. Daß die jungen deutschen Frauen schwerste körperliche Arbeit leisten mußten, beispielsweise sogar Eisenbahnschienen verlegten, erkennt man hier allerdings nicht. Foto: privat