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16.08.03 / Geheimer Krieg ums Gas / Kurden und Armenier planen eine Zusammenarbeit mit Gazprom

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. August 2003


Geheimer Krieg ums Gas
Kurden und Armenier planen eine Zusammenarbeit mit Gazprom
von Manuela Rosenthal-Kappi

Nachdem der Irak-Krieg beendet ist, bekunden sowohl die USA als auch Rußland ihr Interesse an den südlichen Regionen des Kaukasus. Worum es - außer der strategischen Konkurrenz beider Mächte um den Einfluß am Kaukasus - geht, ist bei genauerer Betrachtung der Situation in der Region leicht nachzuvollziehen.

Seit zehn Jahren befindet sich Armenien wegen des Konflikts mit seinem Nachbarn Aserbaidschan um die Berg-Karabach-Region im Zustand eines Handelsembargos, wodurch das Land einen Großteil seiner einstigen Produktivität einge- büßt hat. Es leidet seitdem unter ständigem Energiemangel. Die Grenze zur Türkei wurde vollständig gesperrt, und der abchasische Abschnitt der Eisenbahn wurde blockiert. Heute erreichen die eingeführten Wirtschaftsgüter ihr Ziel auf dem Luftweg oder per Auto-transport über die iranische und georgische Grenze. Armenien kann nur etwa fünf Prozent seiner Energieversorgung selbst leisten und ist auf den Import von Gas und Öl angewiesen. Dies führte in den vergangenen Jahren zu einer Annäherung an den Iran und zu langfristigen Verträgen mit dem russischen Gaslieferanten "Gazprom".

Berichten der russischen Nachrichtenagentur "Rosbalt" zufolge hat es im vergangenen Monat Ankündigen türkischer Offizieller über eine bevorstehende Verbesserung der Beziehungen zu Eriwan gegeben. Aus Ankara habe man Gerüchte über die mögliche Öffnung der Grenze zu Armenien gehört. In der türkischen Presse seien Informationen über Gespräche des türkischen Geheimdienstes und von Vertretern der außenpolitischen Führung mit Vertretern der armenischen Diaspora in den USA erschienen. Hierbei scheint es sich jedoch um Spekulationen zu handeln, denn die Pressemeldungen sind widersprüchlich: Premierminister Abdullah Gül wird zitiert mit der Aussage: "Wir möchten unsere Beziehungen zu Armenien erneuern." Beide Länder wollten sich dieser Aufgabe mit neuer Energie widmen. Dies habe auch der Berater des türkischen Außenministers, Udur Cial, in Washington bekräftigt, indem er erklärte, sein Land wolle den Dialog mit Armenien zum Zwecke gutnachbarlicher Beziehungen fortsetzen. Die Bedingungen der Türkei: die Rücknahme der internationalen Anerkennung des Genozids an den Armeniern sowie ein Verzicht armenischer Ansprüche gegenüber der Türkei und die Lösung des Karabach-Konflikts. Armenische Organisationen in den USA, Frankreich und anderen Ländern, sogenannte Diasporen, hatten seit Jahren über politische Organisationen vor Ort Druck auf die Türkei ausgeübt. Der türkische Außenminister Recep Ecevit hingegen will von einer Annäherung zwischen Armenien und der Türkei nichts wissen.

Das lange bestehende Embargo hat sich auf die wirtschaftliche Lage Armeniens äußerst negativ ausgewirkt. Schätzungen zufolge könnte Armenien durch die Öffnung der Grenzen und der Eisenbahnverbindung zur Türkei zwischen 600 Millionen und einer Milliarde US-Dollar gewinnen, und auch die Türkei könnte profitieren, indem neue Handelswege die Wirtschaft der Region Kars vor dem Kollaps bewahren helfen. Infolge des niedrigen Lebensstandards ist die Region von der türkischen Bevölkerung verlassen worden, und das Gebiet um Kars befindet sich immer mehr unter kurdischem Einfluß, was türkischen Politikern sehr mißfällt. In letzter Zeit haben nun die USA ihren Druck auf Ankara erhöht, indem sie die Türken auffordern, auf Annäherungskurs zu Armenien zu gehen. Washington ködert die Türken mit den wirtschaftlichen Vorteilen im Bereich der Energietechnik, dem Handel und der Touristik, die dem Land einen finanziellen Gewinn von bis zu einer Milliarde Dollar pro Jahr bescheren könnten. Außerdem werde die Türkei mit der Öffnung der Landwege zur "unschätzbaren Brücke" zwischen Europa und Asien. Durch die Nutzung der Strecken Kars-Eriwan und Kars- Gümri könnten regionale Energieprojekte verwirklicht werden, und die türkische Wirtschaft würde profitieren. Dies ist die eine Seite der Medaille. Hinter dieser vordergründigen amerikanischen Befürwortung einer Völkerfreundschaft im Kaukasus stehen politische Interessen: Das entflammte Interesse der USA an der Region dient nicht zuletzt dazu, ihren Einfluß zu erhöhen.

Die größte Präsenz im Kaukasus zeigt zur Zeit noch Rußland: Georgien, bisher immer auf Distanz zu Rußland, hat sich in den vergangenen Monaten eher auf die Seite Moskaus geschlagen. Die Frage der Freigabe des abchasischen Abschnitts der Eisenbahn innerhalb der nächsten anderthalb Jahre stehe schon lange auf der Tagesordnung, melden die Presseorgane. So werde die Achse Rußland - Armenien - Iran gestärkt, was zu einer Schwächung des amerikanischen Einflusses in der Region führt.

Der Iran wurde auch schon aktiv, um den "abchasischen Knoten" zu lösen. Vor kurzem reiste der iranische Eisenbahndirektor nach Tblissi, um Gespräche bezüglich einer Ausweitung des Warenverkehrs zu führen. Tblissi hat der Anwesenheit russischer Truppen zum Schutz der Region zugestimmt. Der stellvertretende georgische Außenminister Merab Antadse erklärte, es liege eine Einverständniserklärung vor, nach der sich russische Friedens-truppen, die sich in der Zone des georgisch-abchasischen Konfliktes aufhalten sollen, ein unbefristetes Mandat erhalten können. Bisher gelang den Amerikanern nicht, den Einfluß von "Gazprom" zu verringern, obwohl der Energieberater des Präsidenten, Steve Mann, und der US-Botschafter in Georgien, Richard Miles, die georgische Regierung davor gewarnt haben sollen, daß die Zusammenarbeit mit Gazprom auf lange Sicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der geplanten Gasleitung Baku-Tblissi-Erse- rum schwächen würde.

Die Empfehlung, sich noch einmal mit der amerikanischen Regierung zu beraten, lehnten die Georgier ab. Eduard Schewardnadses Antwort lautete: "Die Zusammenarbeit Georgiens mit Rußland im Bereich der Energie wird nicht nur fortgesetzt, sondern in vielem vertieft." Er erklärte, daß Georgien in den nächsten zwei bis drei Jahren auf russisches Gas nicht verzichten könne; zudem entscheide Georgien die Frage der Zusammenarbeit mit Rußland selbst, und nicht die amerikanischen Berater. Die armenische Regierung hat auch einen Vertrag mit Gazprom geschlossen und kündigte sogar an, daß der russische Konzern in Kürze der Monopol-Lieferant für Erdgas nach Armenien werde. Obwohl Rußland im Augenblick noch den größten Einfluß in der Region hat, wird der Konflikt voraussichtlich länger andauern. Mit der Öffnung der Bahnlinie könnte sich die geopolitische Situation ändern. Sollte sich Armenien in seinen Beziehungen vom Iran zugunsten der Türkei umorientieren und aufstrebende Wirtschaftskontakte zustandebringen, könnte die türkische Wirtschaft die armenische einfach "schlucken", so die Befürchtung in Armenien. Wird der Iran trotz der kulturellen Unterschiede einer armenisch-türkischen Zusammenarbeit ihren Lauf lassen, kann sich die regionale Machtkonstellation zugunsten der Türken ändern.

Ölplattform im Kaspischen Meer: "Blue Stream" nennt sich das Projekt, das bereits jetzt russisches Gas in die Türkei pumpen will. Moskau verspricht sich davon Devisen. Die USA befürchten eine energiepolitische Abhängigheit der Region von den Quellen des Kaukasus, Armeniens und Rußlands und schwindenden Einfluß. Foto: reuters