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16.08.03 / Stabilitätspakt fördert Finanzkrise / Ein hohes Zinsniveau im Euroraum schadet der Kaufkraft

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. August 2003


Stabilitätspakt fördert Finanzkrise
Ein hohes Zinsniveau im Euroraum schadet der Kaufkraft
von Pierre Campguilhem

In den amtlichen Kreisen Frankreichs scheint man derzeit etwas verlegen bezüglich der Haushaltsdisziplin zu sein. Da nächstes Jahr zahlreiche kommunale Wahlen stattfinden und die Regierung Raffarin mit einer starken Opposition der Arbeitnehmer hinsichtlich ihres Reformeifers zu rechnen hat, liegt es auf der Hand, daß diese Regierung eher Geld ausgeben wird, als die Brüsseler Sparanweisungen zu beachten.

So ist man in Paris der Ansicht, daß der Maastrichter Stabilitätspakt auf keinen Fall das Wachstum vermindern darf und daß dieser Pakt, der in dem Maastrichter Vertrag durch den ehemaligen Chef der Deutschen Bundesbank, Hans Tietmeyer, festgeschrieben wurde, keine Hemmnisse für die Staaten sein darf, die eigenständig ihre Wirtschaft fördern wollen.

In diesem Tenor hat sich Staatschef Jacques Chirac anläßlich des nationalen Feiertages geäußert, was zu Meinungsverschiedenheiten in Deutschland zwischen Hans Eichel und Bundeskanzler Schröder geführt hat.

Nach den Gründervätern des Euro darf das öffentliche Defizit die Obergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht übersteigen. Mit einem Defizit von 3,4 Prozent für das laufende Jahr rechnen die Beobachter in Paris betreffs der französischen Staatsfinanzen. Eine ebenso große Verlegenheit scheint in dieser Hinsicht bei der Brüsseler Kommission zu herrschen. Vorgesehen war, daß die defizitären Staaten ihre Finanzen bis 2006 in Ordnung bringen würden.

Der französische Finanz- und Wirtschaftsminister Francis Mer hat seinerseits eine Frist bis 2007 für Frankreich errechnet. Außerdem erreichten Frankreichs Unterhändler, daß ihr eigenes Defizit nur um 0,3 Prozent statt der von der Kommission und der Europäischen Zentralbank geforderten Senkung von 0,5 Prozent für das Jahr 2004 vermindert werden muß. Näheres dürfte man im Herbst erfahren, wenn der Staatshaushalt Frankreichs dem Parlament vorgelegt wird. Gegenwärtig scheint es, daß Jean-Pierre Raffarin hofft, die Wirtschaft im Euroland werde bald anziehen. 2007 ist Präsidentschaftswahl in Frankreich.

Die Regierung erwartet, daß sich die gesamte Weltwirtschaft wiederbelebt, was Geld durch erhöhte Steuereinnahmen in die Staatskasse bringen würde. Gegen diese stillschweigende Lockerung des Stabilitätspakts protestieren gerade die kleinen Länder, besonders die Niederlande, die gegenwärtig den Präsidenten der Europäischen Zentralbank stellen. Wim Duisenberg wird am 1. November vom derzeitigen Chef der "Banque de France" Jean-Claude Trichet, abgelöst, der acht Jahre im Amt bleiben will. Von Trichet sind weniger Mahnungen als von Duisenberg an die Adresse der französischen Staatsbehörden zu erwarten. Durch größere Kulanz könnten die Frankfurter Währungshüter die Wirtschaft der Euro-Zone steuern. Offen bleibt immerhin noch die von Orthodoxen gefürchtete Frage der Lockerung des Stabilitätspakts. Dies könnte die Rückkehr der Inflation und damit eine Steigerung der Zinssätze bedeuten, was letztendlich die Wirtschaft nur bremsen würde.

Auf Trichet, der gewillt sein könnte, der Meinung der französischen Regierung mehr als notwendig zu folgen, wird sicherlich viel Druck ausgeübt werden, um die Politik der EZB in Einklang mit den Stabilitätskriterien des Vertrages von Maastricht zu bringen.

Die Krise des europäischen Stabilitätspakts ist nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland und in Italien sowie in Portugal offenkundig. Deutschland, Frankreich und Italien erwirtschaften zusammen mehr als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in der Euro-Zone. Zudem sind diese drei Länder die Gründer der Montanunion und des Gemeinsamen Marktes und bilden mit den Benelux-Ländern den Kern Europas.

Dies könne bedeuten, daß, werden keine richtige Maßnahmen zur Sanierung der Volkswirtschaften ergriffen, der ganze europäische Bau - auch in politischer Hinsicht - rissig werden könnte, denn Prosperität ist die Grundlage für eine gute, wirkungsvolle und umsichtige Politik. Die italienische Regierung, die noch bis Ende des Jahres den EU-Vorsitz hält, scheint sich dessen voll bewußt zu sein. Um die Wirtschaftsflaute einzudämmen, schlägt sie eine Art Europäischer Staatsanleihen vor. Davon war schon zu Zeiten Jacques Delors' die Rede. Es ist jedoch fraglich, ob die verschuldeten Staaten ernsthaft bereit sind, sich der EZB- Finanzdisziplin zu beugen oder eher frisches Geld aufnehmen.