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16.08.03 / Wann darf er endlich heim? / Der Tilsiter Elch mußte auch seinen 75. Geburtstag in der Fremde feiern

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. August 2003


Wann darf er endlich heim?
Der Tilsiter Elch mußte auch seinen 75. Geburtstag in der Fremde feiern
von Hans Dzieran

Wer dachte schon in den letzten Junitagen dieses Jahres an den 75. Geburtstag des Tilsiter Elches? Einsam und ramponiert stand er in einem abgelegenen Winkel des Königsberger Tierparks. Niemand nahm von ihm Notiz.

Was war das doch für ein Tag vor 75 Jahren. Festtagsstimmung herrschte an jenem 29. Juni 1928 auf dem Tilsiter Anger, als das bronzene Elchstandbild eingeweiht wurde. Mächtig schaute er von seinem hohen Podest auf die Tilsiter, blickte hinüber zum Grenzlandtheater und zum Memelstrom. Von nun an nahm er teil am Leben und Treiben auf dem Anger der quirligen Stadt. Kundgebungen, Ausstellungen, im Winter die Eisbahn mit Walzerklängen - immer war er mittendrin. Die Tilsiter liebten ihn. Dann kam der Krieg. Trutzig überstand er Bomben und Kampfhandlungen. Er blieb, auch als seine Tilsiter schweren Herzens die Stadt verließen. Ehern stand er auf seinem Platz, blickte friedlich auf die Neuankömmlinge und wollte vom einmaligen Reiz der Region am Memelstrom künden.

Doch die Zeiten waren nicht mehr so. Schon bald mußte der bronzene Elch einem stählernen Panzer weichen. Er wurde verstoßen und lan-dete erst einmal auf einer Wiese zwischen Stadion und Thingplatz. Ohne Podest - einfach so. Jugendliche gingen mit dem Beutestück nicht sehr zart um. Sie wippten auf seinen Schaufeln und es dauerte nicht langem, bis eine der Schaufeln ab-knickte. Sie war eines Tages ganz verschwunden. Nach langwieriger Suche wurde sie in einer Altmetall-Aufkaufstelle aufgestöbert und konnte wieder angeschweißt werden. Doch nun waren die Tage in Tilsit gezählt. Der Elch wurde auf höhere Weisung nach Königsberg in den Tierpark verschleppt.

Hier stand er nun, niemand behütete ihn. Ebenerdig war er allen Attacken schutzlos ausgesetzt. Die angeschweißte Elchschaufel knickte bald wieder ab, hing traurig herunter. Der zweiten ging es nicht besser, und bald waren beide Schaufeln nicht mehr da. Nun fristet er dort in Ostpreußens Hauptstadt Königsberg, schaufellos und kaum wiederzuerkennen, sein beklagenswertes Dasein.

Seine Tilsiter vermissen ihn bei ihren Besuchen in der alten Vaterstadt an der Memel sehr. Aber auch unter den neuen Bewohnern Tilsits gibt es seit einigen Jahren Bestrebungen, den Elch in seine Heimatstadt zurückzuholen. Heimatforscher Rutman startete im Jahr 1993 gemeinsam mit der städtischen Kulturabteilung und dem Museum eine Unterschriftensammlung mit der Forderung "Gebt den Elch zurück!" Königsberg blieb hart. Die Stadtoberen gaben den Elch nicht her.

Doch das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen zu sein. Am 75. Geburtstag des Elches konnte man in einer Tilsiter Zeitung die fette Schlagzeile lesen: Pora domoi! - Es ist Zeit, nach Hause zu kommen. Kristina Martschenko und Jakob Rosenblum berichteten in einer Do-kumentation vom unglücklichen Schicksal des 75jährigen, der fern seiner Heimatstadt die bange Frage stellt: "Wann bringt ihr mich wieder zurück in mein Tilsit?" Jakob Rosenblum schuf eigens zum 75. Geburtstag eine Ansichtskarte, auf der der traurige Lebensweg bildlich nachvollzogen wird mit der Mahnung: Darf er nicht endlich wieder nach Hause? Und auch die Zeitung "Amber. Chronic" ruft ihre Leser auf, vorgedruckte Anträge auszufüllen, um damit eine neue Aktion zur Heimkehr des Elches einzuleiten. All das läßt hoffen!