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23.08.03 / Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes umstritten 

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. August 2003


Warum Struck zurückrudert
Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes umstritten 
von Jan Heitmann

Bundeskanzler Gerhard Schröder läßt keinen Zweifel. Erst dann, wenn ein interministerielles Erkundungsteam zu dem Schluß kommt, daß eine Ausweitung des deutschen Afghanistan-Engagements aus Sicherheitsgründen zu verantworten sei, will er deutsche Soldaten in den Norden des Landes schicken. Mit dieser Erklärung zwingt der Kanzler seinen Verteidigungsminister, widerwillig zurückzurudern. Der hatte noch vor Wochenfrist den Eindruck vermittelt, der Einsatz der Bundeswehr im Norden Afghanistans sei bereits beschlossene Sache.

Dieser vorauseilende Gehorsam gegenüber dem US-amerikanischen Verbündeten hat vor allem bei den Militärs Besorgnis ausgelöst. Denn die Bundeswehr hatte bereits ein hochkarätiges Erkundungskommando nach Afghanistan entsandt. Das hatte die Sicherheitslage außerhalb Kabuls für höchst instabil gehalten und vor einer konkreten Gefährdung der deutschen Soldaten gewarnt. Nun soll also ein weiteres Erkundungsteam, das aus Offizieren und Beamten der Ministerien für Äußeres, Inneres, Entwicklungshilfe und Verteidigung besteht, feststellen, ob die nordafghanische Provinzhauptstadt Kundus als Standort für die Bundeswehr in Frage kommt. Von dieser Lagebeurteilung will der Kanzler seine Entscheidung abhängig machen.

Das gibt den Kritikern eines erweiterten Afghanistan-Einsatzes Hoffnung. Denn die Zweifel am ganzen Sinn der deutschen Militärpräsenz in Zentralasien mehren sich. Die CDU, die ohnehin vor einem übereilten Handeln gewarnt hat, will jetzt erst einmal wissen, welches politische Ziel die Bundesregierung mit diesem Einsatz überhaupt verfolgt. In das gleiche Horn stößt FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt. Er fordert Konsultationen mit den Verbündeten, um gemeinsam die politischen Ziele zu definieren. Und der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen/Bündnis 90, Christian Ströbele, stellt sich offen gegen seine Parteifreunde in der Regierung, warnt gar vor einem "deutschen Vietnam" in Afghanistan.

Gleichwohl hat das Institut Infratest Dimap ermittelt, daß es gerade die Wähler der beiden kleinen Bundestagsparteien sind, die eine Ausdehnung des Einsatzgebietes befürworten. Der Umfrage zufolge sind bei den Grünen 58 Prozent dafür, bei der FDP sogar 70 Prozent. Insgesamt sieht das Ergebnis allerdings ganz anders aus. Danach lehnen 55 Prozent der Deutschen Peter Strucks Pläne ab, nur 32 Prozent unterstützen sie.

Dieses Umfrageergebnis zeigt, daß die Deutschen ihre Soldaten nicht als Instrument der US-amerikanischen Globalstrategie in einem Untergrundkampf verheizt sehen wollen. Und ihre Sorge ist nicht unberechtigt.

Der Bundeswehrführung und den Nachrichtendiensten liegen eindeutige Erkenntnisse vor, nach denen sich der militärische Widerstand der verschiedenen afghanischen Interessen- und Terrorgruppen gegen die fremden Soldaten langsam, aber unaufhaltsam intensiviert. Dort, wo die deutschen Soldaten bei ihren Patrouillenfahrten noch vor kurzem von winkenden Kindern begleitet wurden, jubelt heute niemand mehr. Der blutige Anschlag auf deutsche Soldaten am 7. Juni schließlich war eine Warnung, die auch von der Bundesregierung verstanden werden muß.

ISAF-Kommandeur Götz Gliemeroth wirbt ungeachtet der lokalen Sicherheitslage weiter für eine schnelle Ausweitung des Bundeswehr-Engagements. Kein Wunder, denn in seiner neuen Funktion vertritt der deutsche Nato-General in erster Linie die Interessen des Bündnisses und seiner Führungsmacht und weniger die der Bundeswehr.

Durch die Unterstellung der ISAF-Schutztruppe unter Nato-Befehl vermischen sich zudem die Grenzen zwischen dem ursprünglichen Friedensauftrag der Uno und dem US-Anti-Terror-Feldzug "Enduring Freedom". Das aber hebt nicht gerade das Ansehen der Deutschen im Einsatzland. Selbst Bundeskanzler Schröder strebt hier wieder eine Trennung an.

Der Publizist Peter Scholl-Latour sieht bereits das "finale Scheitern" der multinationalen Afghanistan-Operation programmiert. Er em-pfiehlt der Bundeswehr, in ihren Operationsplan für Kundus als Notfallmaßnahme die Evakuierung der Truppe in das nur 60 Marschkilometer entfernte sichere Tadschikistan einzubauen.

Verteidigungsminister Struck indes denkt nicht an Rückzug. Er will Deutschland weiter am Hindukusch verteidigen. Das letzte Wort aber hat der Bundestag. Und der entscheidet erst im September.

Die Deutschen lehnen mehrheitlich weitere Einsätze ab

Ist das "finale Scheitern" in Afghanistan jetzt schon abzusehen?