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23.08.03 / Ergreifende Erinnerungen eines jungen Reserveoffiziers an das große Sterben

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. August 2003


Hölle aus Sprengstoff und Blut
Ergreifende Erinnerungen eines jungen Reserveoffiziers an das große Sterben

Bereits die erste Szene der Tragödie vom Untergang Ostpreußens im Frühjahr 1945, aus der Sicht und nach eigenem Erleben eines jungen Frontoffiziers, läßt einen spüren, was man bei der Lektüre dieses Buches zu erwarten hat. Der Erzähler, ein damals 23jähriger Reserveoffizier, muß einem älteren, hochdekorierten Unterof- fizier, einem kriegserfahrenen "Frontschwein", den Befehl geben, mit seinen zwölf Mann einen zugewiesenen Frontabschnitt in der Tucheler Heide zu halten. Der alte Haudegen muckt auf, er hält die Sicherung des Frontabschnittes für sinnlos, für hellen Irrsinn. Der junge Offizier reagiert heftig, denkt gar daran, zur Pistole zu greifen. Doch dann hält er dem Unteroffizier und seinen Leuten eine "Rede", die er zuvor noch nie gehalten hat. Er spricht über die vielen deutschen Frauen, Greise und Kinder wenige Kilometer hinter der sich auflösenden Front und über die vielen Kameraden. Ihnen allen bleibt nur noch eine kurze Zeit, wegzukommen und sich den Einkesselungen durch die Rote Armee zu entziehen. Der Unteroffizier sieht seinen Vorgesetzten lange an, dann treibt er seinen Trupp an: "Los Männer, Löcher graben."

Der Autor schrieb mit seinem "Kriegsroman vom Untergang Ostpreußens" weder eine aufgeplusterte Sensationsgeschichte noch einen sachlichen, kühlen und distanzierten Bericht über das nur schwer zu beschreibende Leid deutscher Soldaten und Zivilisten beim und nach dem endgültigen Zusammenbruch der deutschen Verteidigung an der Küste Ostpreußens. Das Buch ist ein meisterlicher Roman voller nüchterner Schilderungen tragischer Tatsachen, grauenvoller Vorkommnisse. Doch wird die schier unerträgliche Wucht der in diesem Roman geschilderten Tragik und des Grauens gemildert durch zahlreiche Beispiele von Tapferkeit, Aufopferung, von Treue und Kameradschaft, von Liebe und auch von Nachdenklichkeiten über Gott, den Sinn des Lebens, über den Zustand unserer Welt und deren Zukunft. Nach einem erregten, kontroversen Gespräch verwundeter, ausgebrannter Soldaten über Gott, denkt der Erzähler: "Wenn ich verzweifelt daran geglaubt habe, daß unser Kampf in Ostpreußen einen Sinn haben sollte, ein Kampf, den Menschen befahlen, um wieviel mehr müßte ich eigentlich glauben, daß alles Leben, gleich welcher Form, einen Sinn hat, da es doch von Gott kommt."

Reinhard Hauschild, Jahrgang 1921, Oberst a. D. der Bundeswehr, diente im Krieg in einer ostpreußischen Infanterie- und später in der ostpreußischen 24. Panzerdivision, zuletzt als Oberleutnant der Reserve. Das besprochene Buch legte er erstmals zur Buchmesse 1952 unter dem Titel "Plus minus Null" vor. Anfang der achtziger Jahre erschien eine Taschenbuchausgabe mit dem Titel "Flammendes Haff". Nun liegt Hauschilds Roman in der vierten Auflage vor, vom Autor auch damit begründet, daß das Interesse an Ostpreußen und dessen blutigem Untergang konstant geblieben sei.

Im Nachwort zur 4. Auflage schreibt der Autor, daß dieser Roman einen Versuch darstellt, die Hölle aus Sprengstoff, Blut und Eisen mit den Wortmöglichkeiten unserer deutschen Sprache zu beschreiben. Der Autor räumt ein: Auch nach über fünfeinhalb Jahrzehnten gelänge es ihm nicht, das ganze Ausmaß dieses Untergangs adäquat darzustellen.

Im Juni 2000 besuchte Hauschild einen der Kampfplätze bei Kalberg auf der Frischen Nehrung, gedachte der Kämpfe bei Heiligenbeil, Rosenberg, Balga sowie Pillau und am Lochstädter Wald. Er gedachte der gefallenen und ertrunkenen Kameraden und der unzähligen Zivilisten in ihren Trecks, die starben, ertranken, erfroren.

"Mir wurde plötzlich klar, daß ich vor einem riesengroßen Massengrab stand, in dem und an dessen Ufern Abertausende meiner Kameraden und Landsleute gestorben und verrottet waren, die denselben Anspruch auf Leben gehabt hatten wie wir." Helmut Bärwald

Reinhard Hauschild: "Flammendes Haff - Kriegsroman vom Untergang Ostpreußens", Verlag S. Bublies, 2001, 297 Seiten, 15,50 Euro