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30.08.03 / Hans-Jürgen Mahlitz besuchte Ehrhardt Bödeckers Brandenburg-Preußen-Museum in Wustrau

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 30. August 2003


Geschichte zum Anfassen
Hans-Jürgen Mahlitz besuchte Ehrhardt Bödeckers Brandenburg-Preußen-Museum in Wustrau

Preußens populärste Monarchin blickt voller Stolz auf die Szene: Unter ihrem Porträt (auf dem Königin Louise allerdings schon immer diesen stolzen Blick zeigt) hat sich eine Gruppe Schüler um einen sympathischen älteren Herrn versammelt. Nicht irgendein x-beliebiger Herr, sondern Ehrhardt Bödecker, Gründer und Leiter des Brandenburg-Preußen-Museums in Wustrau. Und auch nicht irgendeine x-beliebige Schulklasse, sondern der Leistungskurs für Geschichte des Schillergymnasiums in Königswusterhausen. Das ganz Besondere: Einer von ihnen ist der 50.000. Besucher; wenn das nicht Grund genug ist, stolz zu sein.

Wustrau, Heimat des Preußen-Generals von Zieten, liegt etwa 70 Kilometer nordwestlich von Berlin, am Ruppiner See, in einer reizvollen, touristisch aber noch nicht übermäßig erschlossenen Landschaft. Und dieses Museum existiert erst seit gut drei Jahren. So weit abseits der Reisewege des Massentourismus und in so kurzer Zeit so viele Besucher zu haben, das ist ist schon eine herausragende Leistung.

Zum Teil mag dies am Thema liegen. Preußen, das ist wieder "in", kommt im Schulunterricht wieder vor, und zwar nicht mehr nur in Form jener sattsam bekannten Vorurteile. Ganz behutsam beginnt sich in Deutschland der Blickwinkel zu drehen, unter dem Preußen wahrgenommen wird. Jahrzehntelang sah das preußische Geschichtsbuch aus wie das Verbrecheralbum der Weltgeschichte, nun entdeckt man, daß der vermeintliche Bösewicht auch großartige kulturelle und soziale Leistungen hervorgebracht hat. Dieser Trend ist noch nicht sehr stark ausgeprägt; vor allem in jenen Ländern, die nach dem Zweiten Weltkrieg Preußen als Staat und als Idee zerschlagen wollten, scheint er noch gar nicht angekommen zu sein (s. Leitartikel auf Seite 1). Umso wichtiger ist es, daß die Wende zum Besseren von unserem eigenen Lande ausgeht und hier auch intensiv gefördert wird.

Der bemerkenswerte Erfolg des Brandenburg-Preußen-Museums ist in erster Linie seinem Initiator, Gründer und Leiter zu verdanken. Sein "Geheimnis": Ehrhardt Bödecker ist nicht nur ein Mensch, der sich für Preußen interessiert und begeistert - er ist Preuße. Die anfangs beschriebene Szene bestätigt das: Ein echter Preuße begnügt sich nicht damit, etwas anzuregen, zu organisieren und (so er die Mittel dafür hat) zu finanzieren; ein echter Preuße faßt selber an. Mir ist jedenfalls kein anderes Museum bekannt, dessen oberster Chef höchstpersönlich jeden Sonntag (und nach Absprache, zum Beispiel für Schulklassen, auch zu anderen Zeiten) Führungen macht.

Freilich ist dem mittlerweile 78jährigen Bödecker nicht nur für seinen unermüdlichen persönlichen Einsatz Respekt zu zollen, sondern natürlich auch für sein finanzielles Engagement. Rund drei Jahrzehnte lang war er Chef einer erfolgreichen Berliner Privatbank; hier erarbeitete er sich die Mittel für sein etwas ungewöhnliches Hobby. Auf "echt preußisch" klingt das so: Dieses Museum in Wustrau "ist halt meine Yacht im Mittelmeer". So ging er, als er 1995 in den Ruhestand trat, nicht in Monte Carlo oder St. Tropez, sondern am Ruppiner See "vor Anker". Dreieinhalb Jahre arbeitete er unermüdlich, plante, sammelte, baute, beaufsichtigte den Fortgang des Projekts. Über sechseinhalb Millionen Mark ließ er sich seine "Yacht" kosten, die dann rechtzeitig vor dem 300. Jahrestag der Krönung des ersten Königs in Preußen "vom Stapel" laufen konnte.

Sein Museum baute Bödecker konsequent so auf, daß hier die Seiten Preußens gezeigt werden, die in der Geschichtsdarstellung (und das heißt meist: in der Geschichtsklitterung) der letzten Jahrzehnte zu kurz (oder gar nicht vor-) kamen. Auf die Darstellung militärischer Leistungen verzichtet er weitgehend; hier gibt es, im guten wie im schlechten, keinen Nachholbedarf. In Wustrau sieht und erlebt man statt dessen, welchen Rang Begriffe wie Verantwortungsbewußtsein, Rechtssicherheit, Toleranz, aber auch Bildung, Wissenschaft und soziale Gerechtigkeit in der Geschichte Preußens hatten. Die wahren Helden dieser Geschichtsschau sind nicht die Generäle und Feldherren, sondern Aufklärer wie Christian Thomasius und Christian Wolff oder Pädagogen wie August Hermann Francke. Auf sie beruft sich Bödecker, wenn er von der "Keimzelle wahren Preußentums" spricht: "Preußen war eine Haltung, keine Nation!" Aus seinem konservativen Preußenbild ergibt sich geradezu logisch massive Kritik an den Weltkriegs-Siegermächten: der von ihnen betriebene Untergang eines Staatswesens, das, was Fleiß und Innovationskraft seiner Bewohner, Effektivität seiner Verwaltung und Weitsicht seiner Führung betrifft, nie wieder erreicht wurde, sei "eine europäische Tragödie".

Solche und andere klare Aussagen hört man von Bödecker nicht nur in konservativ-intellektuellen Debattier-Zirkeln (oder auch im Gespräch mit dieser Zeitung); er sagt, was er denkt, genauso direkt auch, wenn er Schulklassen durch sein Museum führt. Wie viel davon bei den jungen Leuten ankommt, ob überhaupt etwas "hängenbleibt" - da ist er sich auch nicht so sicher. Aber: ein echter Preuße resigniert nicht, steht mutig zu seinen Überzeugungen. Und sollte er doch einmal Zweifel haben, braucht er ja nur hochzublicken zu Königin Louise, deren Bildnis er einen Ehrenplatz eingeräumt hat. Die wußte genau, warum sie diesen stolzen Blick zeigen durfte - eine "echte Preußin" eben ...

Besucherrekord: Museums-Chef Ehrhardt Bödecker mit Schülern des SchillerGymnasiums Königswusterhausen - einer von ihnen war der 50.000. Besucher des Brandenburg-Preußen-Museums im märkischen Wustrau. Foto: BPM